9. Dezember 2024 | Fünfter Vorbeiflug der Raumsonde BepiColombo am Merkur

Planet Merkur erstmals „in einem anderen Licht“

  • Der Merkurvorbeiflug des europäisch-japanischen Orbiters verlief perfekt und ermöglichte wichtige wissenschaftliche Messungen.
  • Das vom DLR gebaute und gemeinsam mit der Universität Münster betriebene abbildende Spektrometer MERTIS zeigt den Merkur zum ersten Mal in einem völlig neuen Licht.
  • Die ersten Beobachtungen des Merkur durch eine Raumsonde in Wellenlängen des mittleren Infrarot liefern Informationen zur Zusammensetzung der Oberfläche.
  • Nach einem letzten Vorbeiflug am 8. Januar 2025 wird die Mission auf endgültigem Kurs zum Erreichen der Merkurumlaufbahn im November 2026 sein.
  • Schwerpunkte: Raumfahrt, Planetenforschung, Merkur

Merkur ist der innerste und kleinste der acht Planeten. Äußerlich hat Merkur große Ähnlichkeit mit dem Erdmond, aber der Planet unterscheidet sich von diesem in Aufbau und Zusammensetzung doch erheblich. Für die Planetenforschung sind deshalb noch viele Fragen zur Entstehung, Entwicklung und Aufbau des Planeten offen. Beantworten soll diese Fragen die 2018 gestartete Raumsonde BepiColombo, eine gemeinsame Mission der Europäischen Weltraumorganisation ESA und der japanischen Raumfahrtagentur JAXA. Im November 2026 wird BepiColombo dazu in einer Umlaufbahn um Merkur ankommen. Nun fand der fünfte von sechs Nahvorbeiflügen am Ziel der Mission statt, mit dem die Mission an ihre endgültige Merkurumlaufbahn angenähert wird. Dabei konnte erstmals auch das am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelte und gebaute abbildende Spektrometer MERTIS eingesetzt werden, das gemeinsam mit der Universität Münster betrieben wird. MERTIS lieferte die erste detaillierte Ansicht der Merkuroberfläche im thermischen Infrarot. Das Team war besonders erfreut über die große Anzahl von Oberflächenmerkmalen, die der erste Blick auf die Oberfläche des Merkur in diesen Wellenlängen zeigt.

Genau um 15:23 Uhr MEZ am 1. Dezember 2024 hatte BepiColombo mit 37.630 Kilometern über der Oberfläche des Merkur die kürzeste Distanz dieses Vorbeiflugs und dabei eine leichte Veränderung der Flugbahn erfahren. Der „Flyby“ oder auch „Gravitiy Assist“ erfolgte in einer deutlich größeren Entfernung als bei den vier vorangegangenen Vorbeiflügen. So erfolgte der vierte Flyby im September 2024 in nur 165 Kilometer Höhe über der Merkuroberfläche. Dieses Mal konnte das in Deutschland entwickelte und gebaute Spektrometer MERTIS erstmals auf die Merkuroberfläche gerichtet werden und messen. Nie zuvor wurde der Merkur von einer Raumsonde in den von MERTIS abgedeckten Wellenlängen von 7 bis 14 Mikrometern untersucht. Dies sind Wellenlängen im mittleren oder auch thermalen Infrarot. MERTIS (Mercury Radiometer and Thermal Infrared Spectrometer) misst also die Wärmeabstrahlung der sich im Sonnenlicht aufheizenden Gesteinskruste. Bis zu 420 Grad Celsius Oberflächentemperatur detektierte das MERTIS-Radiometer im Vorbeiflug. Bei diesen hohen Temperaturen unterscheiden sich die spektralen Signale von Mineralen gegenüber Messungen bei moderaten Temperaturen. BepiColombo leistet mit der Messung der Wärmeabstrahlung also gewissermaßen Pionierarbeit.

Erster Einsatz nach zwei Jahrzenten Vorbereitung

Dr. Jörn Helbert vom DLR-Institut für Planetenforschung freut sich: „Nach rund zwei Jahrzehnten Entwicklungsarbeit, Labormessungen an heißen Gesteinen, die denen auf Merkur ähneln könnten, und unzähligen Tests der ganzen Abläufe für die Missionszeit am Merkur kommen jetzt die ersten Daten von der Raumsonde. Das ist einfach großartig!“ Helbert ist wissenschaftlicher Leiter des MERTIS-Experiments zusammen mit Professor Harald Hiesinger vom Institut für Planetologie an der Universität Münster. Hiesinger sagt: „Es ist wirklich eine Freude, mit einem fantastischen Team gemeinsam an der Auswertung der Daten zu arbeiten. Nach vielen Jahren der Vorbereitung sehen wir mit MERTIS den Merkur zum ersten Mal in einem völlig neuen Licht. Wir betreten also Neuland und werden die Zusammensetzung, Mineralogie und die Temperaturen auf dem Merkur viel besser verstehen können“, blickt der Planetengeologe in die Zukunft.

„MERTIS ist ein einzigartiges Instrument, das selbst aus dieser großen Vorbeiflugentfernung von rund 40.000 Kilometer Daten mit circa 26-30 Kilometer Bodenauflösung liefert, aus denen wir wichtige Erkenntnisse ziehen können,“ erklärt Dr. Solmaz Adeli vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin. Als Projektleiterin war sie ganz wesentlich an der Planung des jetzigen Vorbeiflugs beteiligt. Sie fügt hinzu: „Ab November 2026 wird MERTIS aus der Merkurumlaufbahn sein volles Potential ausschöpfen können. Dann wird sich der Mercury Planetary Orbiter mit MERTIS immer wieder bis auf 460 Kilometer der Merkuroberfläche annähern und dann Daten mit bis zu 500 Meter Auflösung liefern.“

MERTIS wurde am DLR unter Beteiligung der deutschen Industrie gebaut. Das Instrumentendesign, entwickelt vom DLR-Institut für Optische Sensorsysteme in Berlin, basiert auf einem neuartigen und hoch integrierten Instrumentenkonzept mit sehr geringer Masse von nur drei Kilogramm und geringem Leistungsverbrauch. Gisbert Peter, der am Institut für die Instrumentenentwicklung verantwortliche Projektleiter sagt: „Nach nun sechs Jahren auf dem Weg zum Merkur arbeitet das Instrument sehr stabil und liefert beeindruckende Messungen. Nun werten wir die ersten einzigartigen Daten vom Merkur aus und erwarten im Laufe der Mission sehr hochaufgelöste Spektren vom Instrument mit seinen exzellenten optischen Eigenschaften.“ Das MERTIS-Team besteht aus zahlreichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus mehreren Ländern Europas und den USA, die die Daten des Vorbeifluges gemeinsam auswerten.

Wegen Sonnennähe komplizierte Route zum Merkur

BepiColombo besteht aus drei Teilen, die auf ihrem Weg zum Merkur miteinander verbunden sind: Das „Mercury Transfer Module“ (MTM), das mit seinen Sonnenpanelen Strom für ein Ionentriebwerk erzeugt und die Mission bis zum Merkur bringt; „Mercury Planetary Orbiter“ (MPO), die europäische wissenschaftliche Komponente der Mission mit elf Instrumenten an Bord; und schließlich, aufsitzend auf den MPO, in einem Sonnenschutz (MOSIF, MMO Sunshield and Interface Structure) der japanische „Mercury Magnetospheric Orbiter“ (MMO). Am Merkur angekommen, werden die Komponenten voneinander getrennt, um auf unterschiedlichen Bahnen die umfangreichen wissenschaftlichen Untersuchungen durchzuführen.

MERTIS ist eines der wenigen Instrumente, das bereits zu diesem frühen Zeitpunkt Beobachtungen durchführen kann. Dazu wurde die Instrumentensoftware umprogrammiert. Normalerweise würde MERTIS durch die sogenannte „Planet View“-Optik beobachten und die Daten mit Hilfe einer zweiten Optik, die den kalten Weltraum („Space View“) anvisiert, eichen. Durch die Umprogrammierung kann nun der „Space View“ verwendet werden, um bereits auf dem Weg zum Merkur bei den Vorbeiflügen durch einen „Seitenblick“ Daten zu gewinnen, obwohl der Blick zum Planeten eigentlich durch andere Komponenten blockiert ist. Auf diese Weise haben die MERTIS-Wissenschaftler bereits sehr gute Daten von den Vorbeiflügen am Mond und an der Venus erhalten und das Instrument sowie Prozessabläufe testen können.

Das Caloris-Einschlagsbecken in Falschfarben der Mission MESSENGER
Am 15. November 2014 hat der NASA-Orbiter MESSENGER das Calorisbecken, die größte Einschlagstruktur auf dem Merkur, mit dem Kamerasystem MDIS in verschiedenen Farbkanälen aufgenommen (Zentrum 31,5 Grad nördlicher Breite und 162,7 Grad östlicher Länge). Das Mosaik ist ein Farbkomposit, das über ein monochromes Mosaik gelegt wurde. Die Kombination von Weitwinkel- und Teleskopaufnahmen ermöglicht die Korrelation von geologischen Merkmalen mit deren Farbeigenschaften. Das Calorisbecken wurde von Laven überflutet, die in diesem Mosaik orange erscheinen. Die größeren dieser Krater haben schwach reflektierendes Material (blau) unter den Laven an der Oberfläche freigelegt, das wahrscheinlich einen Blick auf das ursprüngliche Material des Beckenbodens freigibt.
Credit:

NASA/JHU-APL/Carnegie Institution of Washington

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MERTIS hatte während des Vorbeifluges am 1. Dezember 2024 die Hälfte des etwa 1.550 Kilometer großen Caloris-Einschlagsbeckens und auch Teile einer großen vulkanischen Ebene in der nördlichen Hemisphäre im Blickfeld. Das MERTIS-Bild hebt den Einschlagskrater Bashō hervor, der bereits von den US-amerikanischen Raumsonden Mariner 10 gesehen und von MESSENGER im Detail beobachtet wurde. Bilder in Wellenlängen des sichtbaren Lichts zeigen, dass der Bashō-Einschlagskrater sowohl sehr dunkles als auch sehr helles Material aufweist. Die Vorbeiflugbeobachtungen von MERTIS zeigen eine Anomalie in der Strahlungsintensität im mittleren Infrarot, die die besonderen Eigenschaften des Kraters bestätigt. MERTIS wird es später ermöglichen, die Mineralogie der ganzen Merkuroberfläche eingehend zu untersuchen und die wahre Natur des dunklen und hellen Materials auch im Bashō-Krater aufzudecken.

Enge europäisch-japanische Zusammenarbeit

Die Gesamtleitung der Mission BepiColombo liegt bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA, die auch für Entwicklung und Bau des Mercury Planetary Orbiter zuständig war. Der Mercury Magnetospheric Orbiter wurde von der japanischen Raumfahrtagentur JAXA beigesteuert. Koordiniert und überwiegend finanziert wird der deutsche Beitrag zu BepiColombo von der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Wesentlich finanziert wurden die beiden Instrumente BELA und MERTIS, die zu großen Anteilen an den DLR-Instituten für Planetenforschung und Optische Sensorsystemen in Berlin-Adlershof entwickelt wurden, aus Mitteln des DLR für Forschung und Technologie. Weitere Beteiligungen zur BepiColombo Mission lieferten das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen zum Teilchendetektor SERENA, die Universität Münster zum Spektrometer MERTIS und die Technischen Universität Braunschweig zum Merkur Magnetometer MERMAG. Diese wurden ebenfalls durch die Raumfahrtagentur im DLR mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) finanziell gefördert. Der industrielle Teil der Sonde wurde von einem europäischen Industrie-Konsortium unter der Federführung von Airbus Defence and Space realisiert.

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Tel: +49 2203 601-3959

Dr. Solmaz Adeli

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Planetare Labore
Rutherfordstr. 2, 12489 Berlin

Dr. Jörn Helbert

Abteilungsleiter
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Abteilung Planetare Labore
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin

Gisbert Peter

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Optische Sensorsysteme
Weltrauminstrumente
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin-Adlershof

Prof. Dr. Harald Hiesinger

Universität Münster
Institut für Planetologie
Wilhelm-Klemm-Str. 10, 48149 Münster