Projekt „SensorKids“ untersucht Mobilität von Schulkindern
- Das DLR hat im Projekt „SensorKids“ untersucht, welche verkehrsberuhigenden Maßnahmen sich Kinder im Schulumfeld wünschen und wie hierdurch ihre Mobilität beeinflusst wird.
- Die Kinder forschten im Projekt selbst mit.
- Es gibt wichtige Einblicke in die Mobilitätsbedürfnisse von Schulkindern.
- Ein Leitfaden zur Zusammenarbeit mit Kindern im Bereich Verkehrsforschung fasst die methodischen Erkenntnisse aus dem Projekt zusammen.
- Schwerpunkte: Verkehr, Mobilität der Zukunft
Hört man den Begriff „Verkehrsteilnehmende“, denkt man an Menschen, die spazieren gehen oder mit dem E-Scooter unterwegs sind. Sie erledigen Einkäufe mit dem Lastenrad oder sitzen am Steuer eines Autos. Kurzum – man hat in erster Linie Erwachsene im Kopf. Kinder als eigenständige Verkehrsteilnehmende spielen im allgemeinen Bewusstsein und in der Forschung bisher eine eher untergeordnete Rolle. Um das zu ändern, hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Projekt „SensorKids“ die Mobilität von Grundschulkindern untersucht.
„SensorKids“ macht Kinder zu Mit-Forschenden
Hintergrund des Projekts war die Umgestaltung des Berliner Graefekiez im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg: Das Bezirksamt entsiegelte dafür großflächig Parkplätze. Auf den ehemaligen Parkflächen entstanden Beete, Abstellplätze für Fahrräder und „Parklets“. Parklets sind Sitzplätze mit Pflanzen verschönert. Das Bezirksamt richtete zudem eine „Jelbi“-Mobilitätsstation ein: Dort können sich Anwohnende, Passantinnen und Passanten Autos, Fahrräder oder E-Roller mieten, Fahrzeuge abgeben oder laden und Taxis rufen. Das Ziel dieser Veränderungen war es, den Verkehr zu beruhigen. Ein Team vom DLR-Institut für Verkehrsforschung hat erforscht, wie sich die Maßnahmen auf das Mobilitätsverhalten von Grundschulkindern auswirken. Die Umgestaltung wurde außerdem unter anderen Gesichtspunkten vom Wissenschaftszentrum für Sozialforschung und den Forschungsinstituten inter3 und RIFS Potsdam begleitet.
Das Besondere am Vorgehen des DLR-Teams: Im Projekt „SensorKids“ konnten die Kinder selbst mitforschen. Unter Anleitung der DLR-Wissenschaftlerinnen Dr. Heike Marquart, Dr. Julia Schuppan und Dr. Julia Jarass haben 15 junge Köpfe die Umgestaltung ihrer Schulumgebung zwischen Mai 2023 und Juni 2024 untersucht. Damit ist „SensorKids“ ein Beispiel für partizipative Forschung. Darunter versteht man, dass Laien bei wissenschaftlichen Forschungsprojekten mitarbeiten können.
Partizipative Forschung: Kindliche Kreativität trifft auf künstliche Intelligenz
Um gemeinsam mit den Kindern zu untersuchen, wie sich die Umgestaltung auf sie auswirkt, kamen verschiedene Methoden zum Einsatz: Zum Beispiel haben die Schülerinnen und Schüler ein Mobilitätstagebuch geführt. In ihm hielten sie fest, wie ihnen ihr Schulweg gefällt. Aspekte dabei waren, ob sie diesen alleine, mit Freunden oder Eltern zurücklegen und welche Verkehrsmittel sie nutzen. Beim „Sketch Mapping“ zeichneten die Kinder in kleinen Gruppen ihre Schulwege auf einer Karte des Bezirks ein. Sie markierten die Orte, die ihnen besonders gut gefielen und solche, an denen sie sich eher unwohl fühlten. Anschließend konnten die kleinen Forschenden stadtplanerisch aktiv werden und ihre eigenen Ideen auf Fotos der Umgebung einzeichnen. Außerdem haben die Kinder gemeinsam mit den Forscherinnen das öffentliche Kiezlabor CityLAB Berlin besucht. Dort diskutierten die Schülerinnen und Schüler Ideen zur Gestaltung des Graefekiez. Mittels einer KI-Bildgenerierungs-Software haben die Forschenden vom Kiezlabor die Wünsche der Kinder in Fotos der Straße eingesetzt. Die so entstandenen Bilder zeigen den Graefekiez mit plätschernden Bachläufen und blühenden Parkanlagen. Auch die Belastung mit Lärm und Feinstaub haben die Kinder im Kiez gemessen. Dafür verwendeten sie Bausätze für Umweltmessstationen, die sie selbst zusammenbauten.
Neue Erkenntnisse durch methodisch fundierte partizipative Verkehrsforschung
Das Projekt hat den Forschenden interessante Einblicke ermöglicht. „Die Ideenvielfalt und Kreativität der Kinder hat uns sehr beeindruckt“, sagt Heike Marquart. „Besonders spannend war für uns, welche Aspekte für Kinder relevant sind, die Erwachsene nicht im Blick haben.“ Die DLR-Forscherinnen waren beispielsweise überrascht davon, wie wichtig den Kindern Sauberkeit und Ordnung waren. Außerdem zeigen die Ergebnisse, dass sie sich mehr Grün und Orte zum sozialen Austausch wünschen. Es ist ihnen auch wichtig, sich eigenständig und ungefährdet vom Straßenverkehr im Kiez zu bewegen.
Für die Forschenden sind auch die methodischen Ansätze wichtig, die sie im Projekt erprobten: „Unsere neuen Methoden fürs partizipative Forschen ermöglichen uns, die Perspektive unserer Zielgruppen einzunehmen und sie besser zu verstehen. Dadurch können wir ein viel umfassenderes Bild gewinnen, wie diese Gruppen Mobilität praktizieren und welche Wünsche für Veränderungen sie haben“, erklärt DLR-Verkehrsexpertin Marquart. Allerdings bringt die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Gruppen auch neue Anforderungen mit sich. So waren die Forschenden im Projekt „SensorKids“ auf die Hilfe einer Lehrkraft angewiesen, um den Kindern komplexe Inhalte zu vermitteln. Sie mussten sich in ihrer Ausdrucksweise an die Schülerinnen und Schüler anpassen und Aussagen der Kinder wieder in „Erwachsenenlogik“ übersetzen. Aus dem Wunsch nach mehr Tieren im Stadtbild haben die Forschenden etwa den Bedarf nach weiteren Grünflächen abgeleitet. Denn dort können Mensch und Natur besser zusammenkommen.
Wegen der spezifischen Anforderungen, die das Forschen mit Kindern mit sich bringt, hält das DLR-Team seine Erfahrungen in einem methodischen Leitfaden fest. Dieser Leitfaden soll es in Zukunft erleichtern, Kinder an mobilitätsbezogenen Forschungsprojekten teilhaben zu lassen. Denn die Ergebnisse zeigen, dass es sich lohnt, die Mobilität von Kindern eingehender zu erforschen.