28. Mai 2024 | Spracherkennung in der Flugsicherung

DLR vergibt Lizenz zum KI-basierten Sprachverstehen an Technologieunternehmen EML

  • Das DLR forscht an KI-basierten Systemen zum automatischen Erkennen und Verstehen von gesprochener Sprache in der Flugsicherung.
  • Eine geringere Arbeitsbelastung ermöglicht allein im Flughafennahbereich Einsparungen von 60 Liter Kerosin pro Anflug.
  • Das Heidelberger Technologieunternehmen EML übernimmt die DLR-Technologie in Lizenz.
  • Schwerpunkte: Luftfahrt, Digitalisierung, KI, Technologietransfer

Können sicherheits-sensible Bereiche wie die Flugsicherung mit einer automatisierten Spracherkennung arbeiten? Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erforscht und entwickelt seit Jahren KI-basierte Systeme zur automatischen Spracherkennung und zum Sprachverstehen für den anspruchsvollen und sicherheitskritischen Luftfahrt-Sprechfunk. Die Heidelberger EML Speech Technology GmbH übernimmt nun die DLR-Technologie in Lizenz. EML will künftig Produkte für Spracherkennung und Sprachverstehen im Bereich der Flugsicherung anbieten und wird den Sprechversteher des DLR in Kombination mit dem von EML entwickelten Spracherkenner am Markt zur Verfügung stellen.

Als ersten Praxiseinsatz plant EML, die Technologie an Flughäfen einzusetzen. Die Lotsinnen und Lotsen, die ihre Kommandos gegenwärtig manuell eingeben, würden im Arbeitsalltag entlastet. Sie müssten ihre Aufmerksamkeit nicht auf die Bildschirme richten, sondern könnten direkt auf die Flugzeuge auf dem Vorfeld blicken. „Unsere Technologie ist inzwischen ausgereift und bereit für den Einsatz in operationellen Systemen für die Luftfahrt“, sagt Prof. Dirk Kügler, Leiter des DLR-Instituts für Flugführung. „Es freut uns, dass EML nun basierend auf DLR-Technologie neue Lösungen für die Flugsicherung entwickeln wird.“

Den Sprechfunk verstehen, um Lotsinnen und Lotsen zu entlasten

Die verbale Kommunikation zwischen Fluglotsen und Piloten, ist eine Voraussetzung für das hohe Sicherheitsniveau des Luftverkehrs. KI-basierte Systeme, die den Sprechfunkverkehr mit den Anweisungen des Lotsenden und den Bestätigungen des Piloten automatisch auswerten, können Lotsen effizient unterstützen.

Das vom Braunschweiger DLR-Institut für Flugführung entwickelte System ist in der Lage, die vom EML-Spracherkennungssystem erkannten Worte des Sprechfunkverkehrs zu analysieren und den sogenannten semantischen Inhalt zu verstehen. Dieses genaue inhaltliche Verständnis der Anweisung des Lotsen an den Piloten ist die Grundlage, um die digitalen Flugsicherungssysteme mit den richtigen Daten wie zum Beispiel dem Flugzeug-Rufzeichen zu versorgen. So können schließlich Anwendungen realisiert werden, die Lotsen beispielsweise durch Radarschirm-Hinweise beim Auffinden von Flügen unterstützen oder ihnen die manuelle Dateneingabe abnehmen. Solche Systeme können auch überprüfen, ob der Pilot die Anweisungen der Flugsicherung richtig verstanden und umgesetzt hat. In Zukunft sind sogar digitale Assistenten auf Basis des Sprachverstehens möglich, die dem Fluglotsen ähnlich einem menschlichen Kollegen bei seiner Arbeit aktiv unterstützen, die Flugzeuge zu führen.

„Unser Sprachversteher kann die Arbeitsbelastung der Fluglotsen reduzieren“, sagt Prof. Hartmut Helmke, führender DLR-Wissenschaftler im Bereich des Sprachverstehens in der Flugsicherung. „In Zeiten von Fachkräftemangel und steigendem Verkehrsbedarf können die Entlastungen durch das Sprachverstehen wichtige Beiträge für eine effizientere Flugführung und einen umweltfreundlicheren Luftverkehr ermöglichen.“

Am DLR-Institut für Flugführung wurde die Technologie in den letzten Jahren von Lotsinnen und Lotsen in verschiedenen Arbeitsbereichen intensiv erprobt. Viele dieser Forschungsarbeiten fanden im Rahmen von internationalen SESAR-Projekten statt und wurden dabei vom SESAR 3 Joint Undertaking gefördert, einer europäischen Initiative zur Verwirklichung eines „digitalen europäischen Luftraums“ durch Forschung und Innovation.

In zahlreichen Simulationsstudien mit Labor- und Realdaten konnten die Forschenden zeigen, dass die Systeme die Anzahl der erforderlichen manuellen Eingaben der Fluglotsen um den Faktor 30 reduzieren können. Dies gilt für verschiedene Arbeitsumgebungen der Flugsicherung wie den Streckenflug, die An- und Abflugkontrolle sowie die Rollverkehrsführung an Flughäfen. Dadurch wurde die Arbeitsbelastung reduziert und das Situationsbewusstsein erhöht. Das Institut für Flugführung konnte nachweisen, dass durch diese Entlastung der Lotsen eine effizientere Verkehrsführung möglich wird und allein im Flughafennahbereich Treibstoffeinsparungen um bis zu 60 Liter Kerosin pro Anflug erreicht werden können.

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Kontakt

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Leitung Media Relations, Presseredaktion
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
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Linder Höhe, 51147 Köln
Tel: +49 2203 601-3959

Prof. Dr. Dirk Kügler

Institutsleiter
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Flugführung
Lilienthalplatz 7, 38108 Braunschweig

Dr. Sebastian Schier-Morgenthal

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Flugführung
Lotsenassistenz
Lilienthalplatz 7, 38108 Braunschweig