24. November 2023

Automatisches Sprechfunk-Verstehen in der Flugsicherung sicher nutzen

Automatisches Sprechfunk-Verstehen in der Flugsicherung sicher nutzen
  • Das DLR entwickelt KI-basierte Prototypen zur automatischen Spracherkennung in der Flugsicherung, um die Arbeitsbelastung von Fluglotsen zu reduzieren und das Situationsbewusstsein zu erhöhen.
  • Eine Sicherheitsbewertung zeigte, dass durch den Einsatz dieser Technologie keine zusätzlichen Sicherheitsrisiken für den Lotsenarbeitsplatz entstehen.
  • Die Forschungsergebnisse wurden im wissenschaftlichen Journal „Aerospace“ veröffentlicht und haben zur weltweiten Vernetzung von Forschenden in diesem Bereich beigetragen.

Die verbale Kommunikation zwischen Fluglotsen und Piloten ist noch immer einer der wesentlichen Gründe für das hohe Sicherheitsniveau in unserem Luftverkehr. Der aktuelle Fachkräftemangel macht jedoch auch beim Flugsicherungspersonal nicht Halt. In der Konsequenz bedeutet das eine durchschnittlich höhere Arbeitslast pro Fluglotsen, wenn Kapazitätseinbußen, d.h. eine Reduktion der Anzahl an Flugbewegungen vermieden werden sollen.

In der jüngsten Vergangenheit erleben Systeme, die auf künstlicher Intelligenz (KI) basieren, einen enormen Schub. Auch am Lotsenarbeitsplatz können KI-basierte Systeme, die den Sprechfunkverkehr mit Anweisungen des Lotsen und Bestätigungen durch Piloten automatisch analysieren, effizient unterstützen. Dies beinhaltet zunächst die Erkennung der gesprochenen Worte wie„lufthansa one eight hotel descend flight level eight zero“. Allerdings ist die anschließende Extraktion des semantischen Inhalts wie hier „DLH123 DESCEND 80 FL“ von enormer Wichtigkeit, um die digitalen Flugsicherungssysteme mit Details u.a. zum Rufzeichen des Flugzeugs, zu Kommandotypen und -werten zu speisen. Damit können schließlich Anwendungen realisiert werden, die den Lotsen z.B. (1) durch visuelle Hervorhebung auf dem Radarbildschirm beim Auffinden von Flügen, (2) beim Pflegen von Flugstreifeninformationen oder (3) beim Prüfen der verbalen Pilotenbestätigung von Kommandos auf inhaltliche Fehlerfreiheit helfen.

In der Abteilung Lotsenassistenz des DLR-Instituts für Flugführung werden zusammen mit internationalen Partnern seit über einem Jahrzehnt KI-basierte Prototypen für die automatische Spracherkennung und das Sprachverstehen von Sprechfunk in allen Flugphasen entwickelt. In vielen Simulationsstudien mit Labor- und Realdaten wurde nachgewiesen, dass die prototypischen Systeme beispielsweise die Arbeitsbelastung von Lotsen reduzieren und das Situationsbewusstsein erhöhen können. Die Prototypen weisen inzwischen einen technologischen Reifegrad auf, der einen Technologietransfer in die Industrie unmittelbar ermöglicht. Dabei stellt sich die Frage nach der Sicherheit, wenn eine KI-gestützte Software zur Erkennung und zum Verstehen des Sprechfunks operationell eingesetzt wird.

Genau diesen Aspekt untersuchte das DLR zusammen mit europäischen Partnern am Beispiel eines Anfluglotsenarbeitsplatzes. Die durchgeführte Sicherheitsbewertung, die auf zwei Anwendungsfällen und acht identifizierten Gefahrensituationen basiert, verdeutlicht, dass keine zusätzlichen Sicherheitsrisiken am Lotsenarbeitsplatz zu erwarten sind.

Die detaillierten Ergebnisse der Untersuchung wurden nun unter dem Titel „Ensuring Safety for Artificial-Intelligence-Based Automatic Speech Recognition in Air Traffic Control Environment“ im wissenschaftlichen Journal „Aerospace“ veröffentlicht. In Anerkennung dieser Forschungsarbeiten und -ergebnisse hat das Aerospace-Journal die Veröffentlichung außerdem aus über 60 Artikeln für das Cover ihrer elften Ausgabe „November 2023“ ausgewählt.

Zudem verantworten die Forscher Prof. Dr. Hartmut Helmke und Dr. Oliver Ohneiser momentan als Gastherausgeber eine Sonderausgabe des Aerospace-Journals zum Thema „Automatic Speech Recognition and Understanding in Air Traffic Management“. Aktuell wurden darin bereits zehn wissenschaftliche Artikel zum Thema der automatischen Erkennung und des Verstehens des Sprechfunkverkehrs in der Luftfahrt von Autoren aus aller Welt publiziert.

„Wir sehen das DLR als wesentlichen Treiber der Thematik“, sagt Dr. Ohneiser. „Mit dieser Sonderausgabe hoffen wir, die weltweite Vernetzung der Forscherinnen und Forscher zu fördern, um die Prototypen zur Sprechfunkerkennung in der Flugsicherung möglichst zügig in den operationellen Betrieb zu bringen".

Kontakt

Dr.-Ing. Sebastian Schier-Morgenthal

Abteilungsleiter Lotsenassistenz
Institut für Flugführung
Lotsenassistenz
Lilienthalplatz 7, 38108 Braunschweig