6. Juli 2023 | Messungen im geografischen Gebiet der Südatlantischen Anomalie

Keine zusätzliche Strahlung auf Reiseflughöhe vor der Küste Brasiliens

  • Erdatmosphäre schützt auch in 13 Kilometer Höhe noch vor den Auswirkungen der Südatlantischen Anomalie.
  • Vor der Küste Brasiliens reichen die Strahlungsgürtel besonders nah an die Erde heran. Das ist der geografische Bereich der Südatlantischen Anomalie.
  • Das DLR-Team konnte an Bord eines Lufthansa-Flugzeugs eigene Modellrechnungen überprüfen und Erkenntnisse aus früheren Messflügen erweitern.
  • Schwerpunkte: Luftfahrt, Strahlenschutz, Weltraumwetter, Medizin

Die Erdatmosphäre schützt Flugpassagiere und Crew vor den Auswirkungen der Südatlantischen Anomalie. Auf Reiseflughöhe ergibt sich deswegen vor der Küste Brasiliens keine zusätzliche Exposition durch kosmische Strahlung. Das hat ein Forschungsteam des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) bei Messflügen festgestellt. Die Ergebnisse der Studie zur Mission Atlantic Kiss wurden nun von Nature veröffentlicht.

Die Südatlantische Anomalie entsteht durch eine Verschiebung des Erdmagnetfelds. Die Achse des Magnetfelds verläuft nicht genau durch den Erdmittelpunkt und ist gegenüber der Drehachse der Erde leicht verschoben und geneigt. Deshalb reichen Strahlungsgürtel, die die Erde umgeben, im Atlantik vor der brasilianischen Küste näher an die Oberfläche heran. Im Bereich dieser sogenannten Südatlantischen Anomalie ist die Strahlenbelastung im erdnahen Orbit erhöht. Das macht sich zum Beispiel auf der Internationalen Raumstation ISS in 400 Kilometer Höhe bemerkbar. Auf der Reiseflughöhe von Passagierflugzeugen dagegen noch nicht. Das DLR-Team hat Messungen bis zu einer Höhe von 43.000 Fuß durchgeführt. Das entspricht etwas mehr als 13 Kilometern.

Video: DLR-Wissenschaftlerin Mona Plettenberg erklärt die Mission Atlantic Kiss
Mona Plettenberg war im April und Mai 2021 beim Flug durch den geografischen Bereich der südatlantischen Anomalie dabei. Im Video erklärt die Wissenschaftlerin vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin die Ergebnisse der Mission Atlantic Kiss.

„Befürchtung einer erhöhten Strahlenexposition ist wissenschaftlich unbegründet“

„Die Daten, die jetzt detailliert ausgewertet sind, haben unsere Modellrechnungen bestätigt“, erklärt Dr. Matthias M. Meier vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin, der die Mission Atlantic Kiss geleitet hat. „Unsere Messungen haben keinen Hinweis auf einen zusätzlichen signifikanten Beitrag zum Strahlungsfeld in Flughöhe im geografischen Gebiet der Südatlantischen Anomalie ergeben. Die Befürchtung einer erhöhten Strahlenexposition in Flughöhen in dieser Region ist daher wissenschaftlich unbegründet.“

Zwei DLR-Wissenschaftler und eine DLR-Wissenschaftlerin waren im März und April 2021 an Bord eines Lufthansa Airbus A350-900, der von Hamburg nach Mount Pleasant (Falkland-Inseln) und zurück nach Deutschland flog. Die Strecke führte mitten durch das geografische Gebiet der Südatlantischen Anomalie. Das DLR-Team hatte Instrumente dabei, um verschiedene Komponenten des Strahlungsfeldes zu untersuchen. Zu den Instrumenten gehörte zum Beispiel eine 40 Kilogramm schwere Neutronensonde. Sie wurde in ihrem Koffer in einer Sitzreihe am Schwerpunkt des Flugzeugs fixiert, um den Einfluss von Vibrationen und Turbulenzen während des Fluges zu reduzieren. Vier Halbleiter-Detektoren erfassten außerdem geladene Teilchen, zwei sogenannte gewebeäquivalente Proportionalzähler maßen die Strahlungsenergie, die in einem sehr dünnen Gewebe aufgenommen wird. Dazu kamen mehrere passive Detektoren.

Alle Ergebnisse zusammen ergaben ein eindeutiges Bild. Für die Flughöhe von 43.000 Fuß beziehungsweise 13 Kilometern waren zuvor nur Modellrechnungen verfügbar. Eigene direkte Messungen lagen nur für Flüge bis etwa 10 Kilometer Höhe vor.

Messung unter stabilen Weltraumwetterbedingungen

Die Ergebnisse der aktuellen Messungen sind besonders aussagekräftig, weil im Jahr 2021 der Einfluss der Sonne auf das Weltraumwetter gering war: Es gab wenig Sonnenaktivität und deswegen stabile Weltraumwetterbedingungen. „Sonnenaktivität ist der Motor für den Sonnenwind, der einen wesentlichen Einfluss darauf hat, wie viele energiereiche Teilchen aus der Galaxis bis zur Erde vordringen können“, sagt Matthias M. Meier. Er leitete die Arbeitsgruppe Strahlenschutz in der Luftfahrt im DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln. Während der Mission Atlantic Kiss bedeutete die geringe Sonnenaktivität gleichzeitig eine vergleichsweise intensive kosmische Strahlung. Grundsätzlich ist das Leben auf der Erde sowohl durch das Erdmagnetfeld als auch durch die Atmosphäre vor kosmischer Strahlung geschützt.

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Dr. Matthias M. Meier

Strahlenbiologie
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin
Linder Höhe, 51147 Köln