Wasserreiche Asteroiden kamen von weit außen in den Asteroidengürtel
- Bislang unbekannte Klasse wasserreicher Asteroiden identifiziert.
- Kleinplaneten-Klasse stammt ursprünglich vom Rand des Sonnensystems.
- Wichtiges Puzzlestück bei der Frage nach der Herkunft des Wassers der irdischen Ozeane.
- Schwerpunkte: Sonnensystemforschung, Asteroiden, Exploration
Woher stammt das Wasser der Ozeane auf der Erde? Diese Frage ist nach wie vor nicht endgültig beantwortet. Als die Erde vor 4,5 Milliarden Jahren entstand, hat sie aus dem solaren „Urnebel“ auch einen Anteil an flüchtigen Stoffen erhalten, die bei der Verfestigung eines frühen Magmaozeans und durch Vulkanismus aus dem Inneren des jungen Planeten ausgegast wurden. Es entstand eine erste Atmosphäre, daraus regnete es und die ersten Ozeane entstanden. Doch auch von außen kam Wasser auf die Erde, von eisigen Kometen, aber wohl auch zu einem beträchtlichen Anteil von Asteroiden mit hohem Eis-Anteil. Neue teleskopische Infrarotmessungen aus Hawaii haben jetzt zur Identifizierung einer bislang unbekannten Klasse von Asteroiden geführt. Eine internationale Wissenschaftlergruppe mit Beteiligung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) konnte diese Kleinplaneten mittels Infrarotspektroskopie identifizieren. Sie befinden sich im Asteroiden-Hauptgürtel zwischen Mars und Jupiter.
Diese Asteroiden sind wasserreich– ähnlich wie der Zwergplanet Ceres, der sich ebenfalls in dieser Region des Sonnensystems befindet und die Sonne umkreist „Unsere Rechenmodelle zeigen, dass diese Asteroiden kurz nach ihrer Entstehung aus den äußeren Zonen unseres Sonnensystems durch komplexe dynamische Prozesse in den heutigen Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter gelangt sein müssen“, erklärt Dr. Wladimir Neumann, der als Geowissenschaftler an der Technischen Universität Berlin und am DLR-Institut für Planetenforschung an der wissenschaftlichen Studie beteiligt ist, die heute im Fachmagazin Nature Astronomy veröffentlicht wurde.
Kleinkörper aus dem äußeren Sonnensystem haben das Wasser auf die Erde gebracht
Der Zwergplanet Ceres ist mit einem Äquatordurchmesser von rund 900 Kilometern das größte Objekt im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Dort kreisen viele weitere Kleinplaneten. Dabei handelt es sich um Reste des Baumaterials, aus dem vor viereinhalb Milliarden Jahren die Planeten in unserem Sonnensystem entstanden sind. In diesen kleinen Körpern und ihren Bruchstücken, den Meteoriten, finden sich viele Relikte, die direkte Hinweise auf den Prozess der Planetenbildung geben. Wie die aktuelle Studie zeigt, stammen die astronomischen Kleinkörper aus allen Regionen des frühen Sonnensystems. Insbesondere Kleinkörper aus dem äußeren Sonnensystem haben wohl schlussendlich das Wasser auf die Erde gebracht, nachdem sie durch Bahnstörungen nach innen wanderten, denn die Bausteine der Planeten im inneren Sonnensystem waren eher wasserarm, so Prof. Mario Trieloff, der die Forschungsgruppe Geo- und Kosmochemie an der Universität Heidelberg leitet, die ebenfalls an der Untersuchung beteiligt ist.
Die neuen Infrarotspektren wurden mit dem von der NASA betriebenen Teleskop für Infrarotastronomie am Mauna-Kea-Observatorium auf Hawaii von Dr. Driss Takir vom Johnson Space Center der NASA in Houston (Bundesstaat Texas) aufgenommen. Diese Messungen erlauben es, Ceres-ähnliche Asteroiden bereits ab einem Durchmesser von 100 Kilometern zu identifizieren. Die Infrarotspektren lassen zugleich Rückschlüsse auf die chemisch-mineralogische Zusammensetzung zu. So befinden sich auf der Oberfläche der entdeckten Asteroiden ebenso wie bei Ceres selbst Minerale, die durch Wechselwirkung mit flüssigem Wasser entstanden sind. „Diese Messungen zeigen, dass die Spektren und wahrscheinlich auch die Oberflächenzusammensetzung und Mineralogie einiger Asteroiden mit einem Durchmesser von mehr als 100 Kilometern denen von Ceres stark ähneln. Die identifizierten Asteroiden kreisen alle um die Sonne in einer relativ engen Zone zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter nahe an der Umlaufbahn von Ceres“, erklärt Dr. Takir.
Die astronomischen Kleinkörper sind dabei sehr porös. Diese hohe Porosität ist eine weitere Gemeinsamkeit mit dem Oberflächenmaterial des Zwergplaneten Ceres und ein Hinweis darauf, dass das Gesteinsmaterial noch sehr ursprünglich ist: „Es wurde kurz nach Bildung der Asteroiden nicht ausreichend aufgeheizt, um sich angesichts hoher Temperaturen in ein kompaktes Gesteinsgefüge umzuwandeln, sondern behielt seinen porösen und primitiven Charakter, wie er typisch ist für die äußeren Eisplaneten in großer Sonnenentfernung“, erläutert Dr. Wladimir Neumann, der die thermische Entwicklung der Kleinkörper in dieser Studie rechnerisch modellierte.
Als größter, fast kugelförmiger Körper im Asteroidengürtel kommt der 2006 zum Zwergplaneten „aufgestiegenen“ Ceres als Referenzobjekt eine große Bedeutung zu. Ceres wurde zwischen 2015 und 2018 von der NASA-Raumsonde Dawn aus der Umlaufbahn untersucht. Neben Bahnlagedaten zur Schwerefeldmessung zeigten auch hoch aufgelöste Bilder der deutschen Kameras an Bord von Dawn, dass es auf dem Zwergplaneten einen großen Anteil an Wassereis in den Mineralstrukturen und in Hohlräumen unter der Oberfläche geben muss.
Die Eigenschaften der Ceres-ähnlichen Objekte und ihr Vorkommen in einer relativ engen Zone im äußeren Asteroidengürtel lassen vermuten, dass diese Körper zunächst in einer kalten Region am Rand unseres Sonnensystems jenseits der Umlaufbahn von Pluto gebildet wurden. Gravitationsbedingte Störungen der Bahnen großer Planeten wie Jupiter und Saturn – die „giant planet instability“ (Instabilität der Gasriesen Jupiter und Saturn in der Frühphase des Sonnensystems) – änderten die Flugbahn anderer wasserreicher Asteroiden mit einem etwas kleineren Wasseranteil als die neue Klasse so, dass sie aus ihrem ursprünglichen Bereich zwischen Jupiter und Pluto in Richtung der Sonne in den heutigen Asteroidengürtel „geschoben“ wurden. Die neue Klasse der Ceres-ähnlichen Asteroiden wurde hingegen wenige Millionen Jahre später durch die Instabilität der Eisriesen (Uranus und Neptun) aus ihren transplutonischen Umlaufbahnen in den äußeren Teil des Asteroidengürtels implantiert. Dies zeigen numerische Berechnungen von Dr. Sean Raymond (Université de Bordeaux) zu den Bahnentwicklungen im frühen Sonnensystem. „Diese Studie zeigt, dass viele der größten Objekte des Asteroidengürtels gemeinsamen Ursprung mit dem Zwergplaneten Ceres haben könnten. Die Verallgemeinerung unseres Wissens über Ceres auf eine größere Population trägt wesentlich zu unserem Verständnis über die globale Entwicklung des Asteroidengürtels und des Sonnensystems bei“, erläutert Prof. Jürgen Oberst, der Leiter der Abteilung Planetengeodäsie an der Technischen Universität Berlin.
Originalpublikation:
D. Takir, W. Neumann, S. N. Raymond, J. P. Emery, M. Trieloff (2023): Late Accretion of Ceres-like Asteroids and Their Implantation into the Outer Main Belt, Nature Astronomy
Gefördert wurden die Forschungsarbeiten von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Klaus Tschira Stiftung.