Naher Osten und Nordafrika: riesiges Potenzial für Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien
- Der Nahe Osten und Nordafrika verfügen über großes Potenzial, Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe aus erneuerbaren Ressourcen herzustellen.
- Gemeinsam mit Partnern hat das DLR in der MENA-Fuels-Studie dazu eine umfassende technische und ökonomische Analyse vorgelegt.
- Synthetische Kraftstoffe spielen eine wichtige Rolle, um den CO2-Ausstoß im Mobilitätsbereich zu senken und ambitionierte Klimaschutzziele zu erreichen.
- Schwerpunkte: Energie, Energiewende, Klimawandel, Wasserstoff
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das Wuppertal Institut und das Institut für ZukunftsEnergie und Stoffstromsysteme (IZES) haben in einer Studie untersucht, welche Rolle der Nahe Osten und Nordafrika spielen könnten, um Deutschland und Europa mit Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen aus erneuerbaren Ressourcen zu versorgen. Die Ergebnisse zeigen, dass die MENA-Region (Englisch: Middle East and North Africa) ein enormes Potenzial besitzt und eine kostengünstige Produktion ermöglicht. Die Herstellungskosten (Gestehungskosten) sind neben den erneuerbaren Ressourcen auch signifikant abhängig von Investitionsrisiken – und damit von vielfältigen Randbedingungen in möglichen Exportländern. Synthetische Kraftstoffe spielen eine wichtige Rolle, um den CO2-Ausstoß im Mobilitätsbereich zu senken und ambitionierte Klimaschutzziele zu erreichen. Um sie herzustellen, kommen Strom und Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen sowie auch Kohlenstoff aus der Luft zum Einsatz.
Erstmals regional hochaufgelöste Daten zu technischen Potenzialen, Produktionskosten und Investitionsumfeld vereint
Für die Studie haben die Forschenden erstmals die ganze MENA-Region hochaufgelöst untersucht. Dazu haben sie das Gebiet in viele kleine Flächen unterteilt und einzeln ausgewertet. Ebenfalls neu: Die Autorinnen und Autoren haben die gesamte Produktionskette für synthetische Kraftstoffe modelliert und in ihre Berechnungen integriert. Auch Energie- und Wasserstoffspeicher waren Teil der Betrachtung. Sie sind notwendig und sinnvoll, um das ganze System mit erneuerbaren und damit fluktuierenden Ressourcen stabil und wirtschaftlich optimal zu betreiben. Im Gegensatz zu anderen Studien kombiniert MENA-Fuels technologische und ökonomische Aspekte mit der Bewertung individueller Länderrisiken für alle 17 betrachteten Länder dieser Region. Dazu flossen Analysen der Ressourcen, der politischen Rahmenbedingungen sowie der Rahmenbedingungen für Investitionen ein. „Zum ersten Mal liegt uns damit eine umfangreiche Analyse vor – als Grundlage für weitere Forschungsarbeiten, aber auch als Informationsquelle und Basis für Entscheiderinnen und Entscheider in Industrie und Politik“, fasst Jürgen Kern, Projektleiter für die Studie beim DLR-Institut für Vernetzte Energiesysteme zusammen.
Technische Potenzialanalyse: Fuels-Produktion könnte Bedarf Deutschlands um ein Vielfaches übersteigen
Die MENA-Region hat mit insgesamt mehr als 400.000 Terrawattstunden pro Jahr sehr große Erzeugungspotenziale an erneuerbaren Energien. Dies trifft vor allem auf die Nutzung von Solarenergie in Form von Fotovoltaik und konzentrierender Solarthermie (Englisch: Concentrated Solar Power, kurz CSP) zu. Entsprechend groß sind ebenfalls die Potenziale, um Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe herzustellen. Dies gilt selbst, wenn man den langfristigen Eigenbedarf der MENA-Länder für die komplette Umstellung auf erneuerbare Energie abzieht. Abhängig vom angenommenen Entwicklungsszenario – negativ, konservativ, positiv – könnte das Exportpotenzial den deutschen Bedarf an synthetischen Kraftstoffen um das 60- bis 1.200-Fache übersteigen.
Kostenanalyse: Erhebliches Potenzial für synthetische Kraftstoffe für unter zwei Euro pro Liter in der Herstellung
Nahezu alle MENA-Länder weisen bedeutende Potenziale auf, um synthetische Kraftstoffe zu geringen Gestehungskosten herzustellen. An den günstigsten Standorten könnten die Herstellungskosten im Jahr 2030 zwischen 1,92 und 2,65 Euro pro Liter liegen – und im Jahr 2050 zwischen 1,22 und 1,65 Euro pro Liter. Für diese Zahlen haben die Forschenden Investitionskosten im mittleren Bereich angenommen und eine positive Entwicklung der Investitionsbedingungen vorausgesetzt. Das Exportpotenzial von synthetischen Kraftstoffen, die unter zwei Euro pro Liter hergestellt werden könnten, beträgt selbst bei negativen Investitionsbedingungen im Jahr 2050 rund 28.000 Terrawattstunden. Es würde in diesem Fall vorwiegend aus Ländern mit guten technischen Potenzialen und stabilen Verhältnissen stammen. Entwickeln sich die Investitionsbedingungen positiv, beliefe sich das Exportpotenzial auf mehr als 50.000 Terrawattstunden pro Jahr.
Investitionsumfeld entscheidet über potenzielle Exportregionen
Für die Bewertung der Export-Potenziale sind allerdings nicht nur die Herstellungskosten, sondern auch das Investitionsumfeld entscheidend. Berücksichtigt man mögliche Investitionsrisiken, hat dies einen signifikanten Einfluss auf die Gesamtkosten und damit die mögliche Auswahl der Exportländer.
Voraussetzung für den Export synthetischer Kraftstoffe ist zudem in jedem Szenario der umfassende Ausbau der erneuerbaren Energien in der MENA-Region selbst. Die Szenarien für die Erzeugungskapazitäten für Solar- und Windstrom zur eigenen, vollständig erneuerbaren Versorgung bis 2050 liegen zwischen 4.500 und 9.000 Gigawatt. Aktuell sind solche Größenordnungen und die dafür erforderliche Ausbaudynamik noch nicht in den Ausbauzielen der meisten MENA-Länder abgebildet. Zusätzlich zum Aufbau der Produktionskapazitäten für synthetische Kraftstoffe in industriellem Maßstab müsste auch der Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich intensiviert werden. Idealerweise ergänzen und verstärken sich inländische Versorgung und Export gegenseitig.