Strombasierte Kraftstoffe – Wir kennen den Weg und müssen jetzt loslegen
- Strombasierte Kraftstoffe sind notwendig, um den CO2-Ausstoß zu senken und ambitionierte Klimaschutzziele zu erreichen.
- Für die Herstellung dieser flüssigen Kraftstoffe kommen Kohlenstoff aus der Luft und grüner Wasserstoff zum Einsatz.
- Im Interview beschreibt DLR-Experte Prof. Manfred Aigner, welche Entwicklungsschritte noch notwendig sind, um strombasierte Kraftstoffe industriell herstellen zu können.
- Schwerpunkte: Luftfahrt, Energie, emissionsfreies Fliegen, Wasserstoff, Energiespeicher, Klimawandel
DLR schlägt Entwicklungsplattform für Power-to-Liquid-Kraftstoffe (EPP) vor
Strombasierte Kraftstoffe sind zusätzlich zu alternativen Antrieben und allen anderen Verbesserungsmöglichkeiten notwendig, um die ambitionierten Klimaschutzziele im Straßenverkehr und in der Schifffahrt zu erreichen. Im Luftverkehr sind sie alternativlos, vor allem für die Langstrecke. Denn bis zum Jahr 2030 soll der CO2-Ausstoß in Deutschland um 65 Prozent gesenkt und bis 2045 Klimaneutralität erreicht werden. Im Interview beschreibt Prof. Manfred Aigner, langjähriger Direktor des DLR-Instituts für Verbrennungstechnik und Experte auf dem Bereich der alternativen Kraftstoffe, was es mit strombasierten Kraftstoffen auf sich hat, welche Chancen sie bieten und welche Schritte notwendig sind, um die Technologie fit für den industriellen Einsatz zu machen und große Mengen produzieren zu können.
Was sind strombasierte Kraftstoffe und warum sind sie eine gute Idee?
Prof. Manfred Aigner: Strombasierte Kraftstoffe – auch E-Fuels oder Power-to-Liquid-Kraftstoffe genannt – sind flüssige Kraftstoffe. Um sie herzustellen, kommen Kohlenstoff aus der Luft und Wasserstoff, der mittels Elektrolyse aus erneuerbarem Strom gewonnen wird, zum Einsatz. In vielen Bereichen der Mobilität, insbesondere in der Luftfahrt, werden wir langfristig auf große Mengen an flüssigen Energieträgern angewiesen sein. Deshalb benötigen wir strombasierte Kraftstoffe, um unsere Mobilität nachhaltiger zu gestalten und ehrgeizige Klimaschutzziele zu erreichen.
Deutschland wird in Zukunft weiterhin einen bedeutenden Anteil seiner Energie importieren müssen. Strombasierte Kraftstoffe sind dafür ideal: Denn sie lassen sich mit nur geringen Änderungen an der bestehenden Infrastruktur und über weite Distanzen transportieren und verteilen. Neben der Klimawirkung können sie auch eine bessere Umweltwirkung erzielen. Denn ihre chemische Zusammensetzung lässt sich so optimieren, dass beim Verbrennungsprozess beispielsweise kein Feinstaub mehr entsteht.
Wo können strombasierte Kraftstoffe zum Einsatz kommen?
Aigner: Allgemein in der Mobilität, vor allem in der Luftfahrt, aber auch in der Schifffahrt oder für Fahrzeuge, die schwer sind und weite Distanzen überbrücken müssen. Strombasierte Kraftstoffe eignen sich auch als Reserve, mit der zum Beispiel bei einer „Dunkelflaute“ zuverlässig Strom und Wärme bereitgestellt werden kann. Also dann, wenn Wind und Sonne als Lieferanten für erneuerbare Energie längere Zeit ausfallen.
Ein weiterer Vorteil beim Einsatz strombasierter Kraftstoffe: Für Transport, Verteilung und Speicherung können wir weitgehend auf bereits vorhanden Infrastruktur und Fahr- beziehungsweise Flugzeuge zurückgreifen. Auch im Automobilbereich macht der Einsatz von strombasierten Kraftstoffen Sinn: Aktuell sind in Deutschland fast 50 Millionen Autos zugelassen. Bis die ganze Pkw-Flotte auf Batterie- oder Brennstoffzellenfahrzeuge umgestellt ist, werden wir Jahrzehnte benötigen. Um die Klimaziele in der gesetzten Frist zu erreichen, brauchen wir deshalb beides: strombasierte Kraftstoffe und alternative Antriebe.
Welche Nachteile gibt es bei den strombasierten Kraftstoffen?
Aigner: Der bedeutendste Nachteil sind die Kosten. Strombasierte Kraftstoffe werden in der Produktion immer teurer bleiben als die fossilen. Durch regulative Maßnahmen, wie eine CO2-Steuer, lassen sich diese Mehrkosten der strombasierten Kraftstoffe zumindest teilweise ausgleichen. Außerdem kann man bei der Herstellung noch viele Effizienzgewinne rausholen. Auch bessere und größere Anlagen tragen dazu bei, die Produktion wirtschaftlicher zu machen und so die Kosten der strombasierten Kraftstoffe zu senken.
Wie weit ist die Technologie?
Aigner: Forschung und Entwicklung zu strombasierten Kraftstoffen laufen seit einigen Jahren. Es gibt eine Vielzahl an Technologien und unterschiedliche strombasierten Kraftstoffe, die im Labor ihre Funktionalität bewiesen haben. Viele Komponenten sind relativ weit entwickelt. Aktuell steht die weltweit größte Anlage in Werlte in Niedersachsen. Sie hat eine Kapazität von rund 350 Tonnen pro Jahr. In dieser Anlage wird ein synthetisches Rohöl hergestellt. Der abschließende Schritt, daraus einen einsatzfähigen Kraftstoff herzustellen, ist allerdings noch nicht erfolgt.
Generell kann der für strombasierte Kraftstoffe benötigte Kohlenstoff auch aus Biomasse stammen. Hier ist die Entwicklung schon weiter. Jährlich werden rund 10 Millionen Tonnen Bio-Kraftstoffe hergestellt. Allerdings wird Biomasse als Quelle für Kohlenstoff nicht ausreichen. Gleichzeitig darf der Anbau von Biomasse für Kraftstoffe nicht in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln stehen.
Welchen Schritt müssen wir als nächstes gehen?
Aigner: Der nächste wichtige Schritt ist, die Verfahren aus dem Labor- in einen industriellen Maßstab zu übertragen – sprich Demonstrations- und Pilotanlagen zu bauen. Diese Anlagen braucht man, um die Produktion auf ein industrielles Maß hochzufahren. Denn nicht alles, was in kleinem Maßstab funktioniert, lässt sich eins zu eins hochskalieren. Das müssen wir jetzt sehr zeitnah umsetzen. Sonst schaffen wir es nicht, strombasierte Kraftstoffe bis 2030 effizient und in großtechnischem Maßstab herzustellen – so dass diese auch ihren Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten können.
Für die Luftfahrt müssen wir darüber hinaus strombasierte Kraftstoffe entwickeln, die zu 100 Prozent getankt werden können. Bislang ist der Anteil auf 50 Prozent beschränkt. Das würde nicht nur größere Mengen an CO2 einsparen, sondern auch die sogenannten nicht-CO2-Effekte der Luftfahrt auf das Klima erheblich reduzieren. Derzeit sind die nicht-CO2-Effekte mindestens genauso hoch wie die Klimawirkung des ausgestoßenen CO2. Mit 100 Prozent strombasierten Kraftstoffen wäre eine weitgehend klimaneutrale Luftfahrt möglich.
Welche Kompetenzen bringt das DLR im Bereich der strombasierten Kraftstoffe mit?
Aigner: Mit der Entwicklungsplattform für Power-to-Liquid-Kraftstoffe (EPP) hat das DLR einen Vorschlag entwickelt, um gemeinsam mit Partnern aus Forschung und Industrie den gesamten Herstellungsprozess von strombasierten Kraftstoffen umfassend zu erproben und weiterzuentwickeln. Das reicht von den erneuerbaren Energien als Quelle bis hin zur Zertifizierung und zum Einsatz dieser Kraftstoffe. Das DLR verfügt über umfassendes Know-how und Erfahrung entlang der gesamten Prozesskette, um bei diesem Thema schnell loszulegen: Das reicht vom Fuel Design, also der Entwicklung von Kraftstoffen mit maximaler Leistung und minimaler Klimawirkung, über die techno-ökonomische Untersuchung und Entwicklung von Herstellungspfaden, die Integration ins gesamte Energiesystem bis hin zur Bewertung der Zertifizierungsfähigkeit, der Anwendung und Emissionsmessung, beispielsweise mit Hilfe spezieller Forschungsflugzeuge des DLR. Bei Entscheidungen in Wirtschaft und Politik können wir beraten hinsichtlich der technologischen Optionen, deren technischer Leistungsfähigkeit und den Umweltwirkungen. So zeigen wir einen Weg auf, wie man strombasierte Kraftstoffe großflächig zum Einsatz bringen und so Klima und Umwelt schützen kann.