9. Industrial Days beim DLR Lampoldshausen
- Auf der zweitägigen Fachkonferenz tauschten sich Industrie, Forschung und Politik über Zukunftstechnologien im europäischen Raumtransport aus. Im Mittelpunkt standen dabei die Anforderungen an die Test- und Startanlagen.
- Die Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Trägerraketen hat hohe Priorität.
- Das DLR bietet am Standort Lampoldshausen eine europaweit einmalige Testinfrastruktur für alle flüssigen chemischen Raumfahrtantriebe.
- Schwerpunkte: Raumfahrt, Raumtransport, Trägersysteme, New Space
Steigender Bedarf, neue Akteure mit innovativen Trägerkonzepten und die Forderung nach wesentlich mehr Flexibilität und Kosteneffizienz – der Raumtransport steht vor großen Herausforderungen. Welchen Beitrag große Testinfrastrukturen leisten können, um den Raumtransport fit für die Zukunft zu machen und wie Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) Entwicklungs- und Testprozesse schneller und wirtschaftlicher gestalten können, darüber tauschten sich Expertinnen und Experten bei den 9. Industrial Days des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) aus. Rund 80 Teilnehmende aus Raumfahrtagenturen, Politik, Industrie und Forschung kamen dazu am 20. und 21. April 2022 am DLR-Standort Lampoldshausen zusammen.
Europas Raumtransport: steigende Anforderungen, neue Chancen
Der Blick auf den weltweiten Raumfahrtmarkt zeigt ein Technologiefeld im Umbruch. Der kommerzielle Trägermarkt in Europa steht vor großen Aufgaben. Um Schritt zu halten, gilt es, etablierte Trägerkonzepte mit innovativen Antriebstechnologien zusammenzubringen. In Kombination damit wächst auch die Bedeutung von hochkomplexen digitalen Prüf- und Validierungsprozessen. „Die Arbeiten, das Know-how und die einmalige Prüfstandsinfrastruktur des DLR Lampoldshausen sind ein unverzichtbarer Bestandteil für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Raumfahrtindustrie im Trägerbereich“, betont Dr. Anke Pagels-Kerp, DLR-Bereichsvorständin Raumfahrt. „Die große Herausforderung liegt darin, die Chancen neuer Technologien auszuloten und gleichzeitig die strategischen Ziele des europäischen Raumtransports fest im Blick zu behalten, um den eigenständigen Zugang zum Weltraum zu sichern.“
Microlauncher als Innovationstreiber und Kostensenker
Erstmals fand im Rahmen der 9. Industrial Days am 21. April 2022 auf Initiative der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR ein „Microlauncher-Panel“ mit Vertreterinnen und Vertretern von Start-ups, öffentlichen Einrichtungen und der Finanzindustrie statt: „Die Kommerzialisierung der Raumfahrt, die Erschließung zahlreicher neuer Anwendungsfelder und die dadurch steigende Nachfrage nach Startdienstleistungen gehen einher mit der Erwartung der Kunden, dass die Startkosten sinken. Als Ankerkunde kann die öffentliche Hand den jungen Unternehmen die notwendige Perspektive bieten, die sie in ihrer weiteren Entwicklung benötigen. Deshalb haben wir unter anderem den Microlauncher-Wettbewerb initiiert und ich freue mich, dass wir am 25. April 2022 den Gewinner der letzten Wettbewerbsrunde bekannt geben können“, sagt Dr. Walther Pelzer, DLR-Vorstandsmitglied und Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur.
Die weltweite Anzahl kommerzieller Start-ups im Kleinträgerbereich wächst seit einigen Jahren rasant. Auch in Europa planen mehrere Unternehmen in den kommenden Jahren ihren Jungfernflug. Walther Pelzer: „Sie komplementieren mit einer Nutzlastklasse von bis zu einer Tonne und mehr das bisherige europäische Raumtransport-Portfolio. Dabei haben sie den Anspruch, den Trägermarkt zu modernisieren, die Kosten signifikant zu senken und somit die Wettbewerbsfähigkeit Europas insgesamt zu erhöhen. Private Investitionen sind zentrales Element dieser Unternehmungen und institutionelle Förderung der Entwicklung spielt lediglich eine untergeordnete Rolle.“ Dabei seien die staatlichen Institutionen wie die Deutsche Raumfahrtagentur in der Verantwortung, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen das Ökosystem aus Investoren, Startdienstleistern und Kunden erfolgreich zusammenarbeiten kann.
Testanlagen für Zukunftstechnologien im Raumtransport
Um sich im Wettbewerb behaupten zu können, braucht Europa die besten Bedingungen für die Entwicklung von zukunftsweisenden und kostensenkenden Technologien. Hinzu kommen eine noch bessere Vernetzung und Kooperation von Raumfahrtunternehmen, Start-ups und Forschung sowie die Stärkung der Infrastruktur für Tests und Starts von Raketen. „Die in der nahen Vergangenheit getätigten Investitionen in moderne Testinfrastruktur beim DLR Lampoldshausen ermöglichen es uns, die dynamischen Veränderungen der europäischen Trägerlandschaft zielstrebig zu begleiten“, erläutert Prof. Stefan Schlechtriem, Direktor des DLR-Instituts für Raumfahrtantriebe. „Die Anwendung von Methoden aus dem Bereich der KI wird dabei die Entwicklungsgeschwindigkeit der komplexen Systeme beschleunigen.“
Technischer Generationenwechsel für mehr Effizienz bei den Prüfständen
Mit dem Projekt FLAME (Future LAMpoldshausen Exploitation) erarbeitet das DLR im Rahmen eines von der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR initiierten ESA-Programms die Grundlagen für die umfassende Modernisierung und Digitalisierung der Triebwerksprüfstände. So baut es die strategische Bedeutung des Standorts Lampoldshausen für den europäischen Raumtransport weiter aus. Im Fokus von Anja Frank, Leiterin der Versuchsanlagen am Institut für Raumfahrtantriebe, stehen vor allem die verstärkte Standardisierung von Schnittstellen, der Einsatz von KI für Prüfstandsanwendungen sowie digital adaptierte Strukturen und Prozesse. Die Voraussetzungen dafür sind am DLR Lampoldshausen einzigartig: „Wir greifen auf eine umfangreiche und qualitativ hochwertige Datenbasis aus jahrzehntelangem Prüfstandsbetrieb zurück“, fasst Anja Frank das Potenzial der DLR-Infrastruktur in Lampoldshausen zusammen.