Industrie, Politik und Forschung visieren die Klimaneutralität des Luftverkehrs bis zum Jahr 2050 an. Dafür sollen die CO2-Emissionen der Luftfahrt trotz des erwarteten Wachstums zunächst konstant auf dem Niveau zu Beginn des 21. Jahrhunderts gehalten werden. Darüber hinaus sind weitere Anstrengungen zur kontinuierlichen Reduzierung der CO2-Emissionen notwendig. Eine Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) kommt nun zu dem Schluss: Lediglich die Nutzung nachhaltiger Kraftstoffe (SAF) mit einer flottenweiten Beimischungsrate von 80 Prozent bis 2050 ermöglicht überhaupt eine Trendumkehr bei den CO2-Emissionen der Luftfahrt ab 2035.
„Dieses progressive Szenario rechnet bereits kontinuierlich verbesserte Flugzeugtechnologien und zusätzliche Effizienzsteigerungen im Flugverkehrsmanagement der Strecken mit ein“, erläutert Dr. Markus Fischer, Bereichsvorstand Luftfahrtforschung im DLR. „Die emissionsbezogenen Analysen der Studie zeigen, dass die Klimaziele für den Luftverkehr bis 2050 nach gegenwärtigem Forschungsstand nicht zu erreichen sind. Eine beschleunigte Entwicklung alternativer Antriebskonzepte in Verbindung mit Beimischungsraten nachhaltiger Kraftstoffe von 80 Prozent sind für eine deutliche Trendumkehr bis 2050 nötig.“
„In der Studie DEPA 2050 (Development Pathways for Aviation up to 2050) haben wir in einem interdisziplinären Team zwei besonders wahrscheinliche Szenarien für den Luftverkehr bis 2050 analysiert“, erläutert Projektleiterin Alexandra Leipold vom DLR-Institut für Flughafenwesen und Luftverkehr in Köln. „Unser konservatives Szenario nimmt eine anhaltende moderate technologische Entwicklung bei Flugzeugen und Flugführung an. Dabei steigen im Ergebnis die klimarelevanten Emissionen bedingt durch das prognostizierte Wachstum des Luftverkehrs trotz Effizienzsteigerungen weiter an. Daneben weist ein progressives Szenario mit neuen Technologien, Verfahren und umfassendem Einsatz nachhaltiger Kraftstoffe zumindest einen Weg zur Trendumkehr bei den weltweiten Luftfahrtemissionen trotz Wachstums aus.“ Im Einzelnen untersuchte die DLR-Studie in beiden Szenarien die zukünftig zu erwartenden Emissionsentwicklungen und die daraus resultierende Klimawirkung mit Blick auf Flugzeugtechnologie, Luftverkehrsmanagement und nachhaltige Kraftstoffe.
Auf Grund der langen Entwicklungszyklen in der Luftfahrt ist es bisher wenig wahrscheinlich, dass es bis 2050 zu einer umfassenden Marktdurchdringung emissionsfreier alternativer Antriebskonzepte auf Basis von Wasserstoff kommt. Deshalb sind diese nicht in der Studie berücksichtigt. Wenn Entwicklungsprogramme und Markteinführung klimafreundlicher Antriebe insbesondere mit dem Energieträger Wasserstoff deutlich beschleunigt werden, könnten diese Technologien jedoch bereits vor 2050 eine deutlich größere Entlastung bei den CO2-Emissionen des weltweiten Luftverkehrs ermöglichen. Zukünftig ist dabei genauer zu untersuchen, wie die Klimawirkung der Nicht-CO2-Emissionen dieser Antriebe beispielsweise durch Kondensstreifen-Bildung ausfällt und welche Anforderungen auch im Hinblick auf die notwendige Infrastruktur etwa bei der Einführung von elektrifizierten und wasserstoffbetriebenen Flugzeugen entstehen.
Die Trendumkehr bei den klimarelevanten Emissionen des Luftverkehrs bleibt jedoch eine besondere Herausforderung angesichts des langfristig weiter zu erwartenden Wachstums der Luftfahrtbranche, wobei die bleibenden Auswirkungen der Corona-Pandemie noch schwer abzuschätzen sind. Vor der Pandemie erwarteten die Forschenden in etwa eine Verdopplung der weltweiten Passagierflüge von 31 Millionen Flügen in 2014 auf 61 Millionen Flüge in 2050. Zusätzliche Änderungen im Bereich der Konnektivität und der Netzwerkgestaltung werden sich voraussichtlich durch den Markteintritt von Überschallflugzeugen und unbemannten Fluggeräten im Air-Taxi-Bereich ab etwa 2030 ergeben. Das mögliche Wachstum dieser neuen Marktteilnehmer wurde ebenfalls im Rahmen der Studie auf Basis von Prognosen zu künftigen Flugbewegungen und zur Flottenentwicklung untersucht.
Zudem kamen die Forschenden in der DLR-Studie DEPA 2050 zu dem Schluss, dass der Luftverkehr auch künftig einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Wohlstand und zum allgemeinen Wirtschaftswachstum leisten wird. Mit Blick auf die Situation vor der Pandemie ist bis zum Jahr 2050 mit einem Wachstum der weltweiten, durch den Luftverkehr generierten Arbeitsplätze von rund 19 auf 39 Millionen zu rechnen. EU-weit würde demnach die Zahl der zugehörigen Arbeitsplätze von etwa 2,4 Millionen auf mehr als 3,7 Millionen steigen.
DLR – Forschung für einen klimaneutralen Luftverkehr
Die Folgen des Klimawandels fordern unser Handeln für einen klimaneutralen Luftverkehr. Dabei geht es um neue Technologien die auch in Zukunft eine globale Mobilität gewährleisten. Mit 25 Instituten und Einrichtungen in der Luftfahrtforschung treibt das DLR diesen Wandel mit nachhaltigen Technologien für eine zukunftsfähige umweltverträgliche Luftfahrt voran. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch unsere Kompetenzen aus den Forschungsprogrammen Raumfahrt, Energie und Verkehr.
Das DLR verfügt über eine Systemkompetenz in der Luftfahrtforschung und sieht sich in der Funktion eines Architekten. Das Ziel des DLR ist eine „emissionsfreie Luftfahrt“ um die gesetzten Klimaziele zu erreichen. Dabei müssen die Forschungsergebnisse direkt in die Entwicklung neuer Produkte einfließen.
Auf dem Weg zum klimaverträglichen Luftverkehr besteht ein erheblicher Forschungs- und Entwicklungsbedarf, der einer kontinuierlichen Förderung und Unterstützung bedarf. Vieles davon muss in den Grundlagen erforscht, praktisch erprobt und zugelassen werden. Das DLR kann das mit Großanlagen wie seinen Forschungsflugzeugen, Antriebsdemonstratoren und Großrechnern. Im Jahr 2020 hat das DLR gemeinsam mit dem BDLI das Whitepaper ZERO EMISSION AVIATION veröffentlicht. Aktuell arbeitet das DLR an einer ZEROEMISSION-Strategie.