Neue Forschungsbrennkammer ermöglicht gezieltere Entwicklung von Raketentriebwerken
- Eine neue Forschungsbrennkammer ermöglicht neue Einblicke in die Verbrennungsprozesse im Inneren eines Raketentriebwerks.
- Die größeren und gekrümmten Fenster bilden das Geschehen exakter ab.
- Besonders die Dynamik der Flamme ist wichtig: Sie beeinflusst die Leistung und Zuverlässigkeit der Brennkammer.
- So ist eine gezieltere und schnellere Entwicklung von Raketentriebwerken möglich.
- Schwerpunkt: Raumfahrt
Eine am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelte Forschungsbrennkammer mit großen Fenstern ermöglicht neue Einblicke in eine noch wenig entdeckte Welt: das Innere einer Raketenbrennkammer. Die dort ablaufenden Vorgänge sind grundlegend für erfolgreiche Missionen ins All. Denn verbrennt der Treibstoff nicht stabil, kann das Triebwerk innerhalb von Sekunden stark belastet und zerstört werden.
Optimaler optischer Zugang: größere Fenster mit Krümmung
Im Brennraum herrschen Temperaturen von über 3.200 Grad Celsius und Drücke über 100 Bar. Um dort einen Einblick zu bekommen, arbeiten die Forschenden am DLR-Institut für Raumfahrtantriebe in Lampoldshausen mit speziellen Versuchsbrennkammern. Diese besitzen gläserne Wände und spezielle Zugänge für Messinstrumente, wie Laser, Kameras oder Temperatursensoren. Bisher waren die Fenster allerdings eher klein. Die neue Forschungsbrennkammer verfügt über wesentlich größere Fenster. Sie umfassen fast die komplette Länge der Brennkammer. Neu sind auch die gekrümmten Oberflächen der Fenster. Sie bilden das Geschehen exakter ab, weil auch die Brennkammern in Raketentriebwerken die Form eines Zylinders haben. Das ermöglicht auch bessere Vergleiche mit Triebwerken, die derzeit für den Einsatz in der europäischen Trägerraketen-Familie Ariane entwickelt werden. „Wir haben jetzt die Möglichkeit, die Prozesse in der Brennkammer von einer ganz neuen Seite zu betrachten. Wir können uns in Grenzbereiche vorwagen, die uns bisher verschlossen waren“, beschreibt Dr. Justin Hardi, Leiter der Abteilung für Raketenantriebstechnologie.
Gezieltere und schnellere Entwicklungsarbeit für neue Raketentriebwerke
Besser zu verstehen, wie die Treibstoffe innerhalb weniger Millisekunden unter extrem hohen Temperaturen und Drücken miteinander reagieren, ist dabei mehr als Grundlagenforschung: „Wir können so die Risiken bei der Entwicklung senken. Denn bisher konnte häufig erst in praktischen Versuchen am Prüfstand festgestellt werden, ob neue Triebwerke zu Instabilitäten bei der Verbrennung neigen“, erklärt Justin Hardi den entscheidenden Vorteil der Forschungsbrennkammer.
Der Verbrennungsprozess im Inneren einer Brennkammer gibt der Rakete den Schub für ihren Weg ins All. Die Dynamik der Flamme spielt dabei eine wichtige Rolle: Sie beeinflusst die Leistung und Zuverlässigkeit der Brennkammer. Die Fenster in der Brennkammer aus speziellem Hightech-Glas – in der Forschung als optischer Zugang bezeichnet – machen es möglich, alle wichtigen physikalischen Prozesse zu analysieren: von der Treibstoffverteilung bei der Einspritzung bis zum Strömungsverhalten der heißen Gase kurz vor dem Eintritt in die Düse des Triebwerks. Weitere wichtige Faktoren, die das Team um Justin Hardi nun besser beobachten können, sind beispielsweise die Länge und Turbulenz der Flamme. Ihre Bewährungsprobe hat die Forschungsbrennkammer bei ersten Versuchen am Prüfstand P8 in Lampoldshausen erfolgreich gemeistert. An diesem Prüfstand können unter anderem Forschungs- und Technologiemodelle von Raketentriebwerken mit unterschiedlichen Treibstoffen getestet werden. Aktuell stehen vor allem Entwicklungen zum Einsatz von flüssigem Sauerstoff (LOX) mit Methan als Treibstoffgemisch im Vordergrund der Arbeiten. Diese Treibstoffkombination soll unter anderem beim Prometheus-Triebwerk Anwendung finden. Prometheus soll auf das aktuelle Ariane-Hauptstufentriebwerks Vulcain2.1 folgen.
Hand in Hand: Experiment und Simulation
Wie bei vielen Entwicklungsprozessen im Hightech-Bereich stehen die experimentellen Untersuchungen mit der neuen Forschungsbrennkammer in engem Zusammenhang mit der Simulation am Computer. Beide Prozesse sind wichtig – nur durch ihre Kombination lässt sich das volle Potenzial in der Triebwerksentwicklung ausschöpfen. Im Bereich der Digitalisierung setzt das DLR zum Beispiel auf einen eigens entwickelten Code. Dieser bildet die Strömungen in der Brennkammer sehr exakt ab. Gleichzeitig kommen auch Methoden der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens zum Einsatz. Das Ziel ist es, auf diese Weise die Leistungsfähigkeit weiter zu steigern, Ressourcen effizient einzusetzen und so die Entwicklungskosten in der Triebwerksentwicklung zu senken.