DLRmagazin 166: Träger und Sammler
Neue Marsmissionen und der faszinierende Plan, Proben des Roten Planeten zur Erde zu transportieren. Ein Artikel aus dem DLRmagazin-166 von Falk Dambowsky.
Am Donnerstag, dem 18. Februar 2021, um circa 21:55 Uhr mitteleuropäischer Zeit, wird im Kontrollzentrum der NASA in Pasadena hoffentlich das Funksignal eintreffen, dass der Marsrover „Perseverance“ (Beharrlichkeit) der NASA-Mission Mars 2020 von einem Himmelskran sanft auf der Marsoberfläche abgesetzt wurde. Seine neue Heimat wird der Boden eines ehemaligen Sees im Einschlagskrater Jezero sein. Dort beginnt das rollende Labor von der Größe eines Kleinwagens mit seiner Suche nach Spuren früheren Lebens und sammelt Proben für einen späteren Transport zur Erde ein.
Seit 2004 fotografiert die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebene High Resolution Stereo Camera auf der ESA-Mission Mars Express den Mars in hoher Auflösung, in Farbe und in 3D. Diese Daten ermöglichen es, Ansichten großräumiger Gebiete der Marsoberfläche zu erstellen – und das nicht nur als farbige Bildmosaike, sondern auch als digitale Geländemodelle. Diese liefern den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wichtige Aufschlüsse über Geländeformen und Höheninformationen - die Topographie der Region. Die hochauflösenden digitalen Geländemodelle der HRSC haben einen wichtigen Beitrag bei der Auswahl mehrerer Landestellen auf dem Mars geleistet – und so auch für Mars 2020. Denn für eine sichere Landung ist es entscheidend, die Topographie der Landestelle exakt zu kennen.
Die neuesten Kartenblätter, die jeweils eine Fläche von über drei Millionen Quadratkilometern abdecken, können von den Webseiten des HRSC-Teams am DLR und vom Kartenserver der Freien Universität Berlin heruntergeladen werden. Eines dieser Kartenblätter (MC-13 Ost) wurde für die hier gezeigten Bildprodukte verwendet. Dieser Ausschnitt zeigt den weiteren geographischen Kontext um die Landestelle, die etwa bei 18 Grad nördlicher Breite und 77 Grad östlicher Länge liegt. Das dargestellte Gebiet deckt dabei mehr als 1,5 Millionen Quadratkilometer ab (1330 km x 1195 km – das ist mehr als das Doppelte der Iberischen Halbinsel) und gibt einen guten Überblick über die Lage des Einschlagskraters und dessen geologischen Kontext. Die hier gezeigten Karten bieten aber nicht nur einen großräumigen Überblick über die geographische Lage, sie ermöglichen dabei auch einen herausragenden Blick auf Details, der für derartig großflächige Ansichten außergewöhnlich ist. Die hohe Auflösung der hier gezeigten Bildprodukte ermöglichst es, sie stark zu vergrößern, um individuelle Details der Landschaft genauer zu betrachten.
Die außergewöhnliche geologische Vielfalt dieser Region verhalf Jezero bei der fünf Jahre dauernden intensiven, akribischen Auswahl der Landestelle am Ende das Rennen zu gewinnen. Der Krater liegt genau an der Grenze zwischen der uralten Hochlandregion Terra Sabaea, in der noch Gesteine aus dem Marsaltertum (dem Noachium: 4,1 – 3,7 Mrd. Jahre vor heute) zu finden sind, und dem ähnlich alten Isidis-Einschlagsbecken, das vor 3,9 Mrd. Jahren entstanden ist. Dessen heutige Ebene Isidis Planitia wurde aber vor allem von deutlich jüngeren Ablagerungen gebildet, die im Marsmittelalter (dem Hesperium: 3,7 – 3,0 Mrd. Jahre vor heute) und der Marsneuzeit (dem Amazonium: 3 Mrd. Jahre bis heute) entstanden. Das nahegelegene Grabensystem Nili Fossae, das durch seine Biegung in etwa die Form des Beckenrands von Isidis nachzeichnet, ist genau durch diesen Einschlag als Folge von tektonischen Brüchen entstanden. Im Südwesten von Jezero schließt sich die Vulkanregion Syrtis Major an, deren jüngste Lavaströme ebenfalls dem Hesperium zugeordnet werden. Somit entstammen die Gesteine und Ablagerungen in und um den Krater allen drei geologischen Epochen des Mars.
Neben dem unterschiedlichen Alter der Gesteine in der Umgebung von Jezero ist vor allem ihre vielfältige mineralogische Zusammensetzung interessant, da Wissenschaftler anhand der Minerale auf die Umweltbedingungen zur Zeit ihrer Entstehung schließen können. Und mit deren Untersuchung kann der Perseverance-Rover direkt im Krater beginnen. Auf der Detailkarte von Jezero (oben rechts) sieht man, dass der Kraterrand von drei Tälern – ehemaligen Flusstälern – durchschnitten wurde. Neretva Vallis und Sava Vallis stellen dabei Zuflüsse dar, die am westlichen und nordwestlichen Kraterrand zwei Deltas entstehen lassen haben, die auch als Beleg für den ehemaligen See gelten.
Das größere der beiden Deltas im Westen wird Perseverance genauer untersuchen. Pliva Vallis im Osten von Jezero war ein Abflusstal, durch das Wasser aus dem Krater hinausfloss. Daher wird der ehemalige Kratersee auf als „open basin lake“, also als offener See, bezeichnet. Solche Seen gab es auf dem Mars zahlreich. Sie sind im Gegensatz zu geschlossenen Becken (mit Zufluss aber ohne Abfluss) insofern interessant, als sie Frischwasserseen mit einem stabilen Wasserspiegel repräsentieren. Seen in geschlossenen Becken dagegen unterliegen häufiger Austrocknungsperioden, wodurch sie zu Salzseen werden und somit bei der Suche nach lebensfreundlichen Bedingungen weniger vielversprechend sind.
Auf der großen Karte ist das Wassereinzugsgebiet der beiden Zuflüsse eingezeichnet, aus dem Material der Umgebung durch die Flüsse in den Krater transportiert und in den beiden Deltas abgelagert wurde. In diesem Einzugsgebiet hat man mit verschiedenen Spektrometern auf Raumsonden in der Marsumlaufbahn vielfältige Minerale detektiert. Vor allem Silikate aus der Gruppe der Olivine und Pyroxene, beides ursprüngliche Minerale, die von Magma aus dem Marsmantel stammen und auf basaltische Vulkanablagerungen hindeuten, die keiner langen Verwitterung durch Wasser unterworfen waren. Noch spannender sind aber die am inneren Kraterrand von Jezero identifizierten Karbonate, die bisher auf dem Mars relativ selten gefunden wurden, und die gemeinsam mit den auf dem Mars öfter anzutreffenden Tonmineralen die Verwitterung von vulkanischem Ausgangsgestein durch Wasser bezeugen.
Vulkanische Minerale, Karbonate, Tonminerale: Diese drei Mineraltypen wurden sowohl in dem Delta als auch an anderen Stellen innerhalb des Kraters gefunden. Vor allem von einigen Karbonaten (Kalksteine) vermutet man, dass sie direkt im See gebildet wurden. Solche Seekarbonate und vor allem auch die Tonminerale sprechen vermutlich für lebensfreundliche Frischwasserbedingungen und haben zudem das Potential, Spuren von Leben, die Biosignaturen, in ihrem Inneren ganz besonders gut zu konservieren. Man hat dort aber auch andere Mineraltypen entdeckt, und zwar solche, die noch ein anderes Bild des Kratersees zeichnen. Dazu gehören eisenhaltige Sulfatminerale, amorphe Siliziumoxide und Hydroxide, die eher in sauren Gewässern entstehen, die nach und nach austrockneten. Diese Minerale deuten an, dass die Umweltbedingungen in Jezero in einer späteren Phase trockener und weniger lebensfreundlich wurden. Aber auch unter ihnen sind einige, in denen Biosignaturen sehr gut konserviert werden können.
Besonders wichtig wäre zudem auch die Untersuchung von Materialien magmatischen Ursprungs, die ebenfalls auf dem Kraterboden zu finden sind. Wenn man eine möglichst unveränderte Probe von Lava oder anderen vulkanischen Gesteinen vor Ort untersuchen oder sogar auch zur Erde brächte, würde dies Einblicke in die innere Entwicklung des Planeten ermöglichen.
Wenn alles klappt und der Rover nach der nominellen Missionsdauer von einem Marsjahr (zwei Erdenjahren) noch funktioniert, könnte man damit beginnen, auch die nähere Umgebung außerhalb des Kraters zu untersuchen. Dann wäre es möglich einige der ältesten Gesteine, die beim Isidis-Einschlag entstanden sind, sogenannte Megabrekzien, zu untersuchen: zusammengebackenes Trümmergestein, das wertvolle Informationen über die frühe Geschichte des Mars liefern könnte. Man würde dazu eine Route gen Westen aus dem Krater heraus planen, wo man noachisches Grundgebirge, magmatische Gesteine und Lavaströme von Syrtis Major erreichen könnte. Damit würde man vor Ort umfassende Erkenntnisse der Lithologie über die gesamte Marsgeschichte hinweg gewinnen, verfeinern und untermauern können. Ganz zu schweigen davon, dass man auch Proben dieser Gesteine für den Transport zur Erde einsammeln könnte, was einen außerordentlichen wissenschaftlichen Mehrgewinn darstellen würde.
Neben der Suche nach molekularen Überresten möglicher ehemaliger Lebensformen ist das Hauptziel der Mission Mars 2020 die Probengewinnung für den späteren Transport zur Erde Anfang der 2030er Jahre. Dabei sollen möglichst vielversprechende und verschiedenartige Proben gewonnen und für die spätere Transfermission zur Erde auf der Marsoberfläche deponiert werden. Die Untersuchungen von Proben in Laboren auf der Erde wird genauere Ergebnisse liefern, als dies mit Instrumenten auf Marsrovern möglich ist. Perseverance kann Proben aus nur relativ geringer Tiefe von wenigen Zentimetern nehmen. Man vermutet allerdings, dass Spuren ehemaligen Lebens am ehesten in größerer Tiefe zu finden sind, wo sie vor der zersetzenden UV-Strahlung an der Oberfläche und der kosmischen Strahlung, die auch tiefer in den Boden eindringt, geschützt und über die Marsgeschichte ehrhalten geblieben sein könnten. Schließlich geht man davon aus, dass die besten Umweltbedingungen für die Existenz von Leben (Habitabilität) vor etwa 3,7 bis 3,4 Milliarden Jahren vor heute herrschten. Übrigens ist auch das Leben auf der Erde nach allem, was man heute weiß, in diesem Zeitraum entstanden.
Größere Tiefen kann der nächste Marsrover der ESA-Mission ExoMars 2022 „Rosalind Franklin“ erreichen, der am 10. Juni 2023 in Oxia Planum landen soll. Mit ihm können Bohrproben aus einer Tiefe von bis zu 2 Metern an die Oberfläche gebracht werden und direkt vor Ort im Inneren des Rovers mit hochspezialisieren Instrumenten auf Biosignaturen untersucht werden.