Nilosyrtis Mensae – Abtragung im großen Stil
- Bilder der Mars-Kamera HRSC zeigen einen Teil der Region Nilosyrtis Mensae, die stark durch Wasser, Wind und Eis verändert wurde.
- Dieses "zerfressene" Gebiet ist von zahlreichen Tälern durchzogen – ein Hinweis auf das episodenhafte Auftreten von Wasser.
- Auch Blockgletscher hinterließen ihre Spuren, als sie sich die Täler hinabschoben.
- Raumfahrt, Planetenforschung
Bilder der Mars-Kamera HRSC zeigen eine Landschaft, die durch Wasser, Wind und Eis stark abgetragen wurde. Das belegen die vielen Taleinschnitte und abgeflachten Kraterränder. Die Stereokamera HRSC (High Resolution Stereo Camera) kartiert seit 2004 im Rahmen der ESA-Mission Mars Express den Roten Planeten. Sie wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und wird von dort betrieben.
Die Region Nilosyrtis Mensae wird im Englischen als "fretted terrain" (zerfressenes Gebiet) bezeichnet und ist charakteristisch für die Übergangszone von Hochland zu Tiefland auf dem Mars. Typisch für solche Gebiete sind die zahlreichen labyrinth-artigen Täler, wie sie auf diesen Bildern zu sehen sind.
Blockgletscher schoben sich einst die Täler hinab
Die Talböden insbesondere im nördlichen Teil der Bilder 1, 4 und 5 zeigen lineare Strukturen, die dem Talverlauf folgen. Diese "linierten" Talfüllungen (engl. lineated valley fill) legen nahe, dass eishaltiges Material die Talhänge langsam hinabfloss und sich schließlich in der Mitte der Täler traf. Solche schuttbedeckten Gletscher ähneln Blockgletschern, die man auch auf der Erde findet. Blockgletscher bestehen aus mit Schutt und Geröll durchsetztem Eis. Sie kommen vor allem in Permafrostregionen in Hochgebirgen oder polaren Breiten vor.
Die gletscherartigen Ablagerungen sind möglicherweise Reste einer sich zurückbildenden Eisdecke, die die Region während vergangener Eiszeiten bedeckt hat. Frühere Klimabedingungen auf dem Mars haben offenbar dazu geführt, dass größere Mengen von Schnee und Eis auf den Plateaus und in den Tälern abgelagert werden konnten.
Die Abtragung durch Wasser und Eis hinterließ in Nilosyrtis Mensae abgerundete Bergkuppen und Tafelberge. Viele im Bild gezeigte Geländeformen haben ein weiches Erscheinungsbild, das einer weitreichenden Überprägung durch Eis zugeschrieben wird. Der ehemalige Einschlagskrater (rechts in den Bildern 1, 4 und 5) wurde aufgrund der Erosion seines Kraterrandes der Ablagerung des abgetragenen Materials und des vom Wind eingebrachten Sediments mit der Zeit immer flacher. Das Kraterrelief verschwand nahezu. Die Kraterfüllung wurde ihrerseits wieder stark erodiert und zerschnitten, was ihr das heutige, zerklüftete Aussehen verlieh.
Wasser, Wind und Eis haben die Mars-Landschaft stark verändert
Im Gegensatz zu den typisch weichen Geländeformen dieser Region findet man im Südwesten (links oben) der Bilder 1, 4 und 5 eher scharfkantige Strukturen. Eine mehrere Kilometer lange, annähernd nord-süd-verlaufende, scharfkantige, lineare Struktur stellt wahrscheinlich einen sogenannten Dike dar. So bezeichnet man eine vertikale Spalte im Umgebungsgestein, in die magmatisches Gestein eingedrungen ist, das nun an der Oberfläche aufgrund seiner größeren Erosionswiderstandsfähigkeit hervortritt. Östlich davon (im Bild oberhalb) befindet sich ein Gewirr aus sich gegenseitig schneidenden Strukturen, die ebenso scharfkantige Rücken aufweisen. Hierbei handelt es sich höchstwahrscheinlich um verfestigte Füllungen von Rissen im Gestein, durch die einstmals Wasser durchsickerte und dabei verschiedene Minerale auswusch, die sich dann in den Rissen verfestigten.
Das ehemalige, ausgetrocknete Flusstal im Süden des Bildes (links) wurde durch beständig austretendes Grundwasser erodiert. Zu erkennen ist das anhand der breiten, halbkreisförmigen Talanfänge. Betrachten man den Talboden ein Stück flussabwärts (im Bild Mitte/links), erkennt man an breiteren Stellen, dass sich in die Talbodenfüllung wiederum kleinere Flussläufe eingeschnitten haben. Das deutet auf mehrmalige fluviale Aktivität, also einen episodischen Wasserfluss in dieser Region hin.
Nord- und Südhalbkugel des Mars unterscheiden sich grundlegend in Bezug auf Oberflächentopographie, Alter und Morphologie. Im Norden befindet sich ein ausgedehntes Tiefland, das relativ eben und deutlich jünger ist als das südliche Hochland, das sehr viele Krater aufweist. Die Übergangszone zwischen beiden ist durch einen Steilhang gekennzeichnet, der einen Höhenunterschied von einigen Kilometern aufweist. Aufgrund dieser Zweiteilung der Marsoberfläche spricht man hier von einer Dichotomiegrenze.
Weitere Bilder der HRSC finden Sie in der Mars Express-Bildergalerie auf flickr.
- Bildverarbeitung
Die Aufnahmen mit der HRSC (High Resolution Stereo Camera) entstanden am 29. September 2019 während Orbit 19.908 von Mars Express. Die Bildauflösung beträgt etwa 15 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Die Bildmitte liegt bei etwa 69 Grad östlicher Länge und 31 Grad nördlicher Breite. Die Farbaufsicht wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt. Die perspektivische Schrägansicht wurde aus den Geländemodelldaten sowie den Nadir- und Farbkanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild, das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und den Stereokanälen abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Aufsicht beruht auf einem digitalen Geländemodell (DTM) der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt. Der Referenzkörper für das HRSC-DTM ist eine Äquipotentialfläche des Mars (Areoid). Die systematische Prozessierung der Kameradaten erfolgte am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. Mitarbeiter der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung der Freien Universität Berlin erstellten daraus die hier gezeigten Bildprodukte.
- Das HRSC-Experiment auf Mars Express
Die High Resolution Stereo Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann besteht aus 50 Co-Investigatoren, die aus 34 Institutionen und 11 Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.