8. Oktober 2019 | DLR errichtet im Nordwesten Deutschlands einzigartiges meteorologisches Messnetzwerk „Eye2Sky“ zur Stabilisierung zukünftiger Stromnetze

Vernetzte Wolkenkameras prognostizieren Licht und Schatten

  • 34 Wolkenkameras sollen ab 2020 dafür sorgen, dass die Solarleistung in weiten Teilen der Weser-Ems-Region im Minutentakt für jeden Straßenzug vorhersagbar wird.
  • Im Vergleich zu Satellitenaufnahmen erfassen die Kameras die Wolken zeitlich wie räumlich in einer viel höheren Auflösung.
  • Das Eye2Sky-Messnetz kann damit maßgeblich zur weiteren Verbesserung der Netzstabilität beitragen.
  • Schwerpunkte: Energie, Klimawandel, Energiemeteorologie

Die Intensität der Sonneneinstrahlung wirkt sich zunehmend auf unser Energieangebot aus. Stromnetzbetreiber müssen künftig mehr und mehr auf den Durchzug einzelner Wolkenfelder reagieren, weil diese in kürzester Zeit den Energieertrag zahlloser Solaranlagen in einer ganzen Region beeinflussen. Somit kann eine präzise Wolkenvorhersage im künftigen, aus erneuerbaren Energien gespeisten Energiesystem einen Beitrag für ein stabileres Stromnetz leisten. Um das Geschehen am Himmel hierfür noch genauer im Blick zu haben, errichtet das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) derzeit im Nordwesten Deutschlands das Messnetzwerk „Eye2Sky“, das Kurzfristvorhersagen zur Sonneneinstrahlung mit einzigartiger Auflösung ermöglichen soll. Läuft alles nach Plan, dann ließe sich bereits ab dem Jahr 2020 die Solarleistung in weiten Teilen der Weser-Ems-Region im Minutentakt für jeden Straßenzug vorhersagen. Damit wäre das Eye2Sky-Messnetz europaweit ein Pionierprojekt zur weiteren Verbesserung der Netzstabilität.

34 Wolkenkameras senden 360-Grad-Aufnahmen im Halbminutentakt

Installiert wird das System derzeit zwischen Oldenburg, der Nordseeküste und der niederländischen Grenze. Das Messnetz soll 34 mit Wolkenkameras ausgestattete Stationen umfassen. Sie beobachten den Himmel über ihrem Standort in einem Radius von durchschnittlich vier Kilometern mit einem Fischaugenobjektiv im 360-Grad-Blick. Jede Kamera sendet alle 30 Sekunden ein Foto des Himmels an einen Großrechner, der aus allen Daten eine Vorhersage über Licht und Schatten am Boden erzeugt, die sich im Maßstab von Metern und Sekunden auf jede einzelne Solaranlage in der Region projizieren lässt. Zusätzlich zu den Wolkenkameras sind einige ausgewählte Standorte mit weiteren meteorologischen Instrumenten ausgestattet, die unter anderem die direkte und diffuse Sonneneinstrahlung und die Lufttemperatur messen.

Wertvolle Informationen für das Einspeise- und Speichermanagement

„Mit Eye2Sky können wir präzise vorhersagen, an welchem Ort, zu welcher Zeit und in welchem Umfang Solarenergie erzeugt werden wird. Damit generieren wir wertvolle Informationen für Netzbetreiber, zum Beispiel für das Einspeise- und Speichermanagement“, erklärt Projektleiter Dr. Thomas Schmidt vom Oldenburger Institut für Vernetzte Energiesysteme. Weitere Anwendungsmöglichkeiten für das Eye2Sky-Konzept sieht der Energiemeteorologe darüber hinaus beim Betrieb von größeren Solaranlagen: „Hier erlauben die Wolkenkameras hochaufgelöste Simulationen, um so die Produktion zum Beispiel mittels Fehlerdiagnose oder Verschattungsanalyse zu optimieren.“ Attraktiv dürften die Daten aufgrund der Präzision der Kurzfristvorhersagen zudem für Stromhändler und für private Anlagenbetreiber, die ihren Eigenverbrauch auf Basis der Vorhersagen optimieren können, sein.

Künftige Anforderungen benötigen bessere Kurzfristprognosen   

Durch den weiteren Zubau von Solaranlagen könnten insbesondere kurzfristige Fluktuationen in der Einspeisung für das Stromnetz problematisch werden. „Die bislang verwendeten Prognosetools, die auf Satellitenbildern oder den klassischen Wettermodellen basieren, werden hier perspektivisch nicht mehr ausreichen“, erklärt der Projektleiter. „Deshalb sehen wir in der Entwicklung von Methoden für schnellere und präzisere Prognosen eine Notwendigkeit.“ Auch wenn die Vorhersage des Wolkenzuges zunächst trivial erscheint: Die Einflüsse auf die Wolkenbildung sind so komplex, dass Kurzfristprognosen für eine ganze Region bislang kaum präziser erstellt werden konnten, als durch individuelle Beobachtungen des Menschen. Das gilt selbst im Raumfahrt-Zeitalter, wie Schmidt betont: „Im Vergleich zu Satellitenaufnahmen sehen wir mit den Kameras die Wolken zeitlich wie räumlich in einer viel höheren Auflösung. Allerdings ist nicht deren Position, sondern ihr Schattenwurf für unsere Anwendungen entscheidend.“  

Neuartige Methode zur Messung der Wolkenhöhen

Vor diesem Hintergrund ist insbesondere die Wolkenhöhe für die genaue Ortsbestimmung der Wolkenschatten am Boden eine zentrale Information. Diese lässt sich allerdings nicht so einfach bestimmen oder messen. Deshalb hat das Eye2Sky-Projektteam in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Solarforschung eine neuartige Methode zur Höhenmessung erprobt. „Wir haben das Messnetz im Oldenburger Stadtgebiet deutlich engmaschiger geplant, um eine Überlappung der Kamerabilder zu erreichen“, erklärt Schmidt. „Dadurch erfassen wir die Bewölkung zum gleichen Zeitpunkt aus unterschiedlichen Perspektiven und können die Wolkenhöhen somit geometrisch bestimmen. Dabei gilt: Je präziser die Messung der Wolkenposition, desto besser können wir die Genauigkeit des Wolkenschattens am Boden ermitteln. Das ist entscheidend für eine gute örtliche und zeitliche Vorhersage der Verschattung sowie der Verteilung der eingespeisten Solarenergie im Stromnetz.“ 

Robuster Betrieb von Stromnetzen 

Begleitend zum Eye2Sky-Projekt konnte in einer weiteren Veröffentlichung der Vorteil des Netzwerkcharakters gegenüber einzelnen Kameras herausgearbeitet werden. Demnach lassen sich die Ungenauigkeiten einzelner Systeme durch den Einsatz mehrerer sich überschneidender Systeme besser beschreiben und reduzieren. „Diese projektbegleitenden Arbeiten zu Eye2Sky stehen in engem Zusammenhang mit weiteren Forschungsaktivitäten unseres Instituts. Sie alle dienen dem übergeordneten Ziel, neue Netztechnologien und -architekturen für einen robusten Betrieb von Stromnetzen mit hohen Anteilen erneuerbarer Energien zu entwickeln“, betont Dr. Thomas Vogt, Abteilungsleiter Energiesystemanalyse am Institut für Vernetzte Energiesysteme. „Für die erfolgreiche Gestaltung der Energiewende stehen wir mit der Ausgestaltung innovativer Einzeltechnologien sowie deren Kopplung vor allem im urbanen Umfeld vor einer großen Herausforderung.“

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