27. Juni 2019 | Mission Mars Express

Aurorae Chaos - kollabierte Landschaft als Folge von Wasserabfluss?

  • Die Bilder der HRSC-Kamera auf Mars Express zeigen den südlichen Teil von Aurorae Chaos - ein Gebiet, dessen Oberfläche nach dem Schmelzen großer Mengen Bodeneises in sich zusammengebrochen ist.
  • Es gibt zahlreiche mineralogische Hinweise auf das frühe Vorhandensein von Wasser in und um die zahlreichen Chaosgebiete auf dem Mars.
  • Die Aufnahmen entstanden am 31. Oktober 2018 während Orbit 18.765 von Mars Express. Die Bildauflösung beträgt 14 Meter pro Bildpunkt (Pixel).
  • Schwerpunkt(e): Raumfahrt, Planetenforschung

Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine aus nächster Nähe fotografierte braune Krokodilhaut - aber auf diesen Bildern ist das raue und zerfurchte Gelände von Aurorae Chaos zu sehen. Aufgenommen wurden sie von der vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebenen High Resolution Stereo Camera (HRSC): einem Kamerasystem, das sich an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express befindet. Diese umkreist den Mars seit 2003.

Aurorae Chaos ist eines von zahlreichen sogenannten chaotischen Gebieten auf dem Mars. Charakteristisch für diese Geländeform ist eine regellose, eben "chaotische" Anordnung von Tafelbergen und isolierten Gesteinsblöcken unterschiedlichster Größe. Aurorae Chaos befindet sich in der Hochlandregion Margaritifer Terra, wenige hundert Kilometer von der östlichen Öffnung des Grabenbruchsystems der Valles Marineris entfernt. Hier, in Äquatornähe und am Übergang des südlichen Hochlandes zum nördlichen Tiefland, entstanden zahlreiche dieser chaotischen Gebiete, für die auf der Erde keine vergleichbaren Geländeformen existieren.

Auf dem Merkur gibt es ein morphologisch vergleichbares Gebiet, und auch auf dem Jupitermond Europa hat man einige chaotische Gebiete identifiziert, die allerdings in beiden Fällen einen ganz anderen geologischen Ursprung als die chaotischen Gebiete auf dem Mars haben. Bei Europa wird die Kruste aufgrund von Gezeitenkräften auseinandergezogen und wieder zusammengepresst, wodurch komplexe Anordnungen von zerbrochenen Schollen, Rissen und Bergrücken entstanden. Bei Merkur sind die chaotischen Gebiete durch seismische Bewegungen in der Planetenkruste nach einem riesigen Asteroideneinschlag entstanden.

Ein gewaltiges Chaos

Aurorae Chaos ist Teil eines ausgedehnten Systems von Furchen, Gräben und Hügeln nordöstlich des gewaltigen Canyons Valles Marineris. Die bis zu 600 Kilometer breite unregelmäßig geformte Senke hat eine Tiefe von ungefähr vier Kilometern in Bezug auf die umliegenden Ebenen. Die Ausdehnung der gesamten Chaosregion in Margaritifer Terra umfasst etwa 1,6 Millionen Quadratkilometer, was sie zu einer überaus imposanten Landschaftsform macht. Anderenorts auf dem Mars gibt es sonst nur deutlich kleinere chaotische Gebiete, die kaum über die Größe eines Einschlagskraters hinausgehen.

Ein markanter Steilhang verläuft von Nordosten nach Südwesten durch die Mitte (Bilder 1, 4 und 5) und verbindet das südlich gelegene Hochplateau mit den tiefer gelegenen Gebieten von Aurorae Chaos im Norden. Die Übergangszone zeigt Brüche und Gräben, die parallel oder schräg zum Steilhang verlaufen. Sie wurden durch tektonische Kräfte erzeugt, die die spröde Marskruste in dieser Region gedehnt und aufgerissen haben. Außerdem sind kleinere Chaosgebiete südlich des Steilhangs zu erkennen (links in den Bildern 1,4 und 5).

Zeugen einer komplexen Geschichte des Wassers auf dem Mars

Solche chaotischen Gebiete sind Zeugen einer komplexen Geschichte von Transport, Speicherung und Freisetzung großer Mengen von Wassereis und flüssigem Wasser in der Vergangenheit des Mars.

Die unter Wissenschaftlern am meisten geteilte Theorie geht davon aus, dass chaotische Gebiete entstehen, wenn unterirdische Eisreservoirs durch Wärme schmelzen und plötzlich große Mengen Wasser freigesetzt werden. Die Wärme könnte von Vulkanen in der Nähe abgestrahlt oder durch große Asteroideneinschläge entstanden sein. Ist das Wasser abgeflossen, kollabiert die Oberfläche über den neu entstandenen Hohlräumen und die Landschaft stürzt in sich zusammen.

Für Aurorae Chaos wurde mittels Kratergrößen-Häufigkeitsmessungen ein Modellalter von 3,5 Milliarden Jahren für den Boden der riesigen Senke abgeleitet. Die Kollapsprozesse spielten sich also bereits vor sehr langer Zeit ab. Während des Einsturzes hier traten möglicherweise auch Grundwasser und Magma zusätzlich zum Schmelzwasser aus.

Es gibt zahlreiche mineralogische Hinweise auf das frühe Vorhandensein von Wasser, das in den Chaosgebieten und in ihrer Umgebung auf dem Mars geflossen ist. Sulfathaltige Sedimentschichten, die in einigen der Becken mit chaotischen Strukturen identifiziert wurden, weisen auf Bildung und Anreicherung dieser Minerale infolge der Verdunstung relativ sauren Wassers hin. Tonmineralhaltige Ablagerungen auf den Plateaueinheiten von Margaritifer Terra, die den sulfathaltigen Ablagerungen zeitlich vorausgehen, stehen möglicherweise im Zusammenhang mit Brüchen und abfließendem Grundwasser. Die Tonmineralbildung erforderte sogar das Vorhandensein von stehenden, pH-neutralen Gewässern.

  • Bildverarbeitung
    Die Aufnahmen mit der HRSC (High Resolution Stereo Camera) entstanden am 31. Oktober 2018 während Orbit 18.765 von Mars Express. Die Bildauflösung beträgt 14 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Die Bildmitte liegt bei etwa 327 Grad östlicher Länge und 11 Grad südlicher Breite. Die Farbaufsicht wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt, die perspektivische Schrägansicht wurde aus den Geländemodell-Daten, den Nadir- und Farbkanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild, das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und den Stereokanälen abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Aufsicht beruht auf einem digitalen Geländemodell (DTM) der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt. Der Referenzkörper für das HRSC-DTM ist eine Äquipotentialfläche des Mars (Areoid). Die systematische Prozessierung der Kameradaten erfolgte am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. Mitarbeiter der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung der Freien Universität Berlin erstellten daraus die hier gezeigten Bildprodukte.
  • Das HRSC-Experiment auf Mars Express
    Die High Resolution Stereo Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann besteht aus 52 Co-Investigatoren, die aus 34 Institutionen und 11 Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.

Verwandte Links

Kontakt

Elke Heinemann

Leitung Digitale Kommunikation
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation
Linder Höhe, 51147 Köln
Tel: +49 2203 601-1852

Prof. Dr. Ralf Jaumann

Freie Universität Berlin
Institut für Geologische Wissenschaften
Planetologie und Fernerkundung
Malteserstr. 74-100, 12249 Berlin

Ulrich Köhler

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin

Dr. Daniela Tirsch

Principal Investigator HRSC
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin