Die Arda-Täler auf dem Mars: Ein uraltes Entwässerungssystem
Betrachtet man die großräumige Topographie entlang des Marsäquators, so fallen mehrere extrem breite Abflusskanäle auf, die ohne viele seitliche Zuflüsse nach Norden führen. Weniger auffällig sind die auf diesen Bildern zu sehenden kleineren Talsysteme. Sie sind vielfach verzweigt und schlängeln sich mit vielen Windungen durch das Gelände. Solche Talsysteme kennen wir typischerweise von der Erde. Die Arda Valles im Marshochland sind ein sehr anschauliches Beispiel für ein derartiges Entwässerungssystem.
Die Arda-Täler, benannt nach einem Fluss im antiken Thrakien, der heute nördlich der Grenze zwischen Bulgarien und Nordostgriechenland in die Mariza mündet, befinden sich auf dem Mars etwa 260 Kilometer nördlich des Kraters Holden. Der Krater Holden wurde von Süden über einen Zulauf von Wasser durchströmt und entwässerte über die Ladon Valles nach Norden, in Richtung eines namenlosen großen, schon sehr stark verwitterten Einschlagbeckens. Auch das Wasser, das durch die Arda-Täler floss, strömte durch den südöstlichen Beckenrand in dieses große, von Sedimenten verfüllte Basin (siehe Übersichtskarte Bild 3). Die hier gezeigten Aufnahmen vom westlichen Abschnitt der Arda Valles wurden am 20. Juli 2015 mit der vom DLR betriebenen Stereokamera HRSC an Bord der europäischen Raumsonde Mars Express aufgenommen. Mars Express befindet sich seit dem 25. Dezember 2002 in einer Umlaufbahn um unseren Nachbarplaneten.
Ein eng verzweigtes Entwässerungsnetz
In der linken (südlichen) Bildhälfte der Bilder 1, 4 und 5 wird offensichtlich, dass auf einer Länge von etwa 175 Kilometern ein etwa 50 bis 80 Kilometer breites Gebiet von Flussläufen durchzogen war. Vor mehr als drei Milliarden Jahren floss Wasser durch dieses Netzwerk, die Region wurde in Richtung der Niederung des alten Einschlagsbeckens entwässert. In der Hydrogeologie wird ein solches Muster von Flussläufen nach dem griechischen Wort für Baum, déndron, als "dendritisch" bezeichnet. Die Haupttäler haben eine Breite von bis zu zwei Kilometern, was für Täler in einem dendritischen Netzwerk auf dem Mars ungewöhnlich breit ist. Möglicherweise flossen früher auf diesem relativ eng begrenzten Gebiet große Mengen an Wasser, was aber anhand der Bilder nicht zweifelsfrei belegbar ist. Ein Beispiel für ein feiner verästeltes, dendritisches Netzwerk hat Mars Express am Rand des weiter östlich gelegenen Kraters Huygens fotografiert.
Oberhalb der Bildmitte fällt ein massiver Bergrücken auf. Er ist etwa 20 Kilometer breit und etwas mehr als zweitausend Meter hoch. Möglicherweise handelt es sich um die Reste eines Kraterrandes einer sehr alten Einschlagsstruktur. Unterhalb des östlichen Abhangs dieses Bergrückens befindet sich ein kleiner, etwa 8,5 Kilometer breiter Krater mit einer auffallend glatten Ebene in seinem Inneren. Der Krater wurde von Sedimenten angefüllt, die vom Bergrücken stammen. Das lässt sich an der fächerartigen Form der Ablagerungen ablesen.
Rechts der Bildmitte ist ein Krater von 25 Kilometern Durchmesser zu sehen, dessen Vertiefung ebenfalls von Sedimenten angefüllt wurde. Die ursprünglich glatte Oberfläche hat jedoch infolge von Setzungsbewegungen tiefe Risse bekommen, so dass sich dadurch ein so genanntes "chaotisches Gebiet" gebildet hat. Eine ganz ähnliche Struktur wurde nur wenige Kilometer weiter östlich in dieser Region von der HRSC im Jahr 2012 in den Kratern Sigli und Chambe entdeckt. Auf den hier vorgestellten Bildern fällt auf, dass die Abhänge in das Kraterinnere ungewöhnlich viele "Knubbel" aufweisen, anstelle der an Kratern dieser Größe meistens auftretenden, eher terrassenartigen und bogenförmigen Geländemerkmale. Diese Strukturen deuten möglicherweise das ursprüngliche Höhenniveau der Sedimentschichten im Kraterinneren an.
Tonminerale in den Arda Valles
Zwischen diesem Krater und den Unterläufen der dendritischen Täler sind bei genauer Betrachtung einige Stellen mit geschichteten, deutlich helleren Ablagerungen sichtbar. Untersuchungen mit Spektrometern deuten darauf hin, dass es sich dabei um Tonminerale handelt. Tonminerale treten auf dem Mars an zahlreichen Stellen auf, sie sind ein typisches Verwitterungsprodukt von dunklem, eisen- und magnesiumreichen vulkanischen Gestein, das von Wasser umspült wird. Auch dies deutet darauf hin, dass das Wasser vor sehr langer Zeit, vermutlich vor mehr als dreieinhalb Milliarden Jahren, durch das dendritische Tälernetzwerk geflossen ist: Auf dem Mars identifizierte Tonminerale finden sich nahezu ausschließlich in Landschaften aus der Frühzeit des Mars. Die wasserhaltigen Tonminerale stehen im Kontrast zu Salzablagerungen an anderen Orten, die ein jüngeres Alter haben.
Das Gebiet im Norden der Aufnahmen (rechts in den Bildern 1, 4 und 5) ist von der Ebene des etwa 350 Kilometer großen, namenlosen Kraters beherrscht. Dies Fläche wird auch von Sedimenten gebildet, die zum einen von den dendritischen Tälern im Kraterrand ins Innere des Beckens transportiert wurden, zum anderen von größeren Zuflüssen aus dem Süden wie den Ladon Valles. Die markanten linearen Strukturen deuten darauf hin, dass die Oberfläche durch Setzungsbewegungen unter Spannung geriet und es zu tektonischen Brüchen kam, deren struktureller Verlauf leicht nachvollziehbar ist. Die Ursache für die Setzungsbewegungen könnte in der Verdunstung des Wassers und der Bodenfeuchte zu suchen sein, so dass es zur Bildung von Hohlräumen kam, die in sich zusammensackten, das Volumen reduzierten und dadurch tektonische Brüche auslösten.
Bildverarbeitung
Die Aufnahmen mit der HRSC (High Resolution Stereo Camera) entstanden am 20. Juli 2015 während Orbit 14.649 von Mars Express. Der Bildmittelpunkt liegt bei 327 Grad östlicher Länge und 19 Grad südlicher Breite. Die Farbdraufsicht (Bild 1) wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt; die perspektivische Schrägansicht (Bild 2) wurde aus den Stereokanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild (Bild 4), das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Draufsicht (Bild 5) beruht auf einem digitalen Geländemodell der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt.
Das HRSC-Experiment
Die High Resolution Stereo Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann besteht aus 52 Co-Investigatoren, die aus 34 Institutionen und elf Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die hier gezeigten Darstellungen wurden von der Planetary Sciences Group an der Freien Universität Berlin erstellt.