Komet Churyumov-Gerasimenko unterwegs zum sonnennächsten Punkt
Schon seit Wochen wird Komet Churyumov-Gerasimenko aktiver und schleudert Gas und Staub ins All - doch den tatsächlich sonnennächsten Punkt auf seiner Bahn, das Perihel, erreicht er am 13. August 2015 exakt um 4.03 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Anschließend wird er 6,5 Jahre benötigen, bis er auf seiner nächsten Runde um die Sonne erneut dort ankommt. "Aber selbst wenn der Komet der Sonne am nächsten ist, hat er noch einen Abstand von über 185 Millionen Kilometer zu ihr, befindet sich also zwischen den Bahnen von Erde und Mars", erläutert Kometenforscher Dr. Ekkehard Kührt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die Erde ist beispielsweise nur rund 150 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt. Trotzdem wird es auf dem Kometen wegen der fehlenden Atmosphäre heißer werden als auf der Erde: "Die maximale Temperatur von Churyumov-Gerasimenko, die jahreszeitlich bedingt zurzeit in den südlichen Breiten auftritt, wird bei rund 80 Grad Celsius liegen." Da bringt es die Erde im amerikanischen Death Valley auf einen Hitzerekord von gerade einmal 56,7 Grad Celsius. Und auch wenn Churyumov-Gerasimenko kräftig an Masse verliert - die Gezeitenkräfte der Sonne sind in dieser Entfernung viel zu schwach, als dass es den Kometen zerreißen würde, wie es schon oft bei anderen Kometen in unmittelbarer Nähe zur Sonne oder zu Jupiter passiert ist.
Weniger Masse und gewaltige Gasausströme
Immerhin: Einige hundert Kilogramm Kometenmasse verschwinden jetzt pro Sekunde im All. Mit der Annäherung an die Sonne in den vergangenen Monaten verdampfen die gefrorenen Bestandteile und reißen einigen Kometenstaub mit sich. Am 29. Juli 2015 gelang es, mit den Instrumenten auf dem Orbiter Rosetta den bisher gewaltigsten Gasausstrom aus 186 Kilometern Entfernung zu fotografieren und zu analysieren. Bei Bildern der OSIRIS-Kamera, aufgenommen in einem zeitlichen Abstand von jeweils 18 Minuten, zeigt sich ein sogenannter "Jet", ein Gasausbruch, der Kometenmaterial mit hoher Geschwindigkeit in den Weltraum schleudert.
Das Instrument ROSINA verzeichnete dabei eine Änderung in der Zusammensetzung der Koma, der Hülle aus Staub und Gas rund um den Kometen: Im Vergleich zu Messungen zwei Tage zuvor stellten die Wissenschaftler kurz nach der Gasausströmung die zweifache Menge Kohlendioxid, die vierfache Menge Methan und die siebenfache Menge Schwefelwasserstoff fest, während die Wasserdampfproduktion annähernd konstant blieb. 14 Stunden nach dem Ausbruch prasselten auf das Messgerät GIADA rund 30 Staubteilchen am Tag ein - die zehnfache Menge an Teilchen im Vergleich zu Messungen Anfang Juli 2015. Die Menge steigerte sich noch auf 70 Staubteilchen innerhalb von vier Stunden am 1. August 2015. Sogar das Magnetfeld des Sonnenwindes wurde durch diesen gewaltigen "Jet" für einige Minuten zurückgedrängt.
Im sicheren Abstand von Churyumov-Gerasimenko
"Vermutlich wird die Aktivität des Kometen in den Tagen nach dem Perihel noch etwas zunehmen", sagt DLR-Kometenforscher Ekkehard Kührt. Zumindest wurde dies bei früheren Periheldurchgängen von Churyumov-Gerasimenko und auch oft bei anderen Kometen so beobachtet. "Es ist jetzt spannend zu sehen, wie sie sich in den nächsten Tagen und Wochen entwickeln wird. Das hängt vor allem von der Verteilung der Aktivitätsgebiete auf der Oberfläche im Zusammenhang mit den Jahreszeiten ab." Als Rosetta vor einem Jahr im August 2014 am Kometen Churyumov-Gerasimenko anlangte, war der noch über 500 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt und kaum aktiv. "Mit der Mission begleiten wir erstmals einen Kometen und seine Entwicklung über so einen langen Zeitraum."
Der aktive Komet macht es als Staubschleuder derzeit aber auch der Raumsonde Rosetta schwer, dicht an ihn heranzufliegen. Die Staubpartikel irritieren die Sternsensoren des Orbiters und verursachen Probleme bei der Navigation. Zum Perihel fliegt Rosetta daher in einer sicheren Entfernung von rund 300 Kilometern von Churyumov-Gerasimenko. "Für manche Instrumente auf dem Orbiter ist das ganz gut - zum Beispiel für das Plasma-Messinstrument, bei manchen wie der Kamera OSIRIS wäre es schön, wenn man dichter heranfliegen könnte." Doch in diesem Fall geben der ausgasende Komet und das damit verbundene Risiko für Orbiter Rosetta den Abstand vor.
Warten auf Kontaktmöglichkeiten zu Philae
Lander Philae reist auf der Kometenoberfläche natürlich mit zum sonnennächsten Punkt, doch war die bisherige Flugbahn des Orbiters nicht günstig für eine mögliche Kommunikation. "Der Orbiter, der für uns eine Art Relaisstation zu Philae ist, ist über der südlichen Hemisphäre geflogen, die besonders aktiv ist", erläutert DLR-Ingenieur Dr. Koen Geurts, Technischer Manager für Lander Philae. "Ab dem 11. August befindet sich Rosetta dann zumindest wieder in den Breiten, in denen eine Kommunikation mit Philae möglich wäre." Allerdings könnte die große Entfernung des Orbiters vom Kometen die Kommunikation mit dem Lander erschweren. Philae hatte zuletzt am 9. Juli 2015 Kontakt mit dem Team im DLR-Kontrollzentrum in Köln.
Damit Philae gegebenenfalls auch ohne Kontakt zu seinem Bodenteam mit der Arbeit beginnt, haben die DLR-Ingenieure an ihrem Lander-Bodenmodell in Köln Kommandos getestet und "blind" - ohne eine Empfangsbestätigung - an Philae geschickt. Hat der Lander diese Kommandos empfangen und führt sie aus, misst er mit verschiedenen Instrumenten und soll diese Daten dann bis zum nächsten Kontakt speichern.
Während des Perihels wird ihm dabei zumindest nicht zu warm: An seinem Standort Abydos steht Philae schattig und kühl. "Lander und Instrumente können mindestens 50 Grad Celsius aushalten", betont Koen Geurts vom DLR. "Und diese Temperatur wird an Abydos nicht überschritten werden."
Die Mission
Rosetta ist eine Mission der ESA mit Beiträgen von ihren Mitgliedsstaaten und der der NASA. Rosettas Lander Philae wird von einem Konsortium unter der Leitung von DLR, MPS, CNES und ASI beigesteuert.
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