21. Mai 2015

Siloe Patera – ein Supervulkan auf dem Mars?

Die aktuellen Bilder der vom DLR betriebenen, hochauflösenden Stereokamera HRSC an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express zeigen einen Teil der Region Arabia Terra auf dem Mars, etwa 35 Grad nördlich des Marsäquators und wenige Grad östlich des Nullmeridians. Hier befindet sich eine geologische Formation, die in der Fachwelt für einige Diskussionen sorgt. Sie trägt den Namen Siloe Patera. Als Paterae bezeichnet man die Gipfelregionen von sehr flachen Schildvulkanen auf dem Mars mit einer in der Regel großen Caldera, dem Einsturzkessel über einer geleerten Magmakammer.

In der Mitte der Bilder (1, 3, 4) ist die nahezu kreisrunde Vertiefung von Siloe Patera zu erkennen. Sie ist etwa 40 Kilometer lang und 30 Kilometer breit. Benannt ist die Struktur nach dem kastilischen Bildhauer und Architekten Diego de Siloé (1495 bis 1563). In der Vertiefung befindet sich eine weitere, ebenfalls runde Senke. Einige Wissenschaftler halten diese geologische Struktur sowie einige ihr ähnliche Formen in dieser Marsregion für Calderen von sehr flachen Vulkankomplexen - in ihrer Form ähneln diese Vulkane den wenigen Supervulkanen auf der Erde. Ein Beispiel für einen solchen Supervulkan ist der Yellowstone-Vulkan, dessen Caldera 60 Kilometer lang und 40 Kilometer breit ist.

Über tausend Kubikkilometer Lava in der Magmakammer

Supervulkane bilden bei ihren extrem explosiven Ausbrüchen keinen Vulkankegel, sondern große Calderen (Einsturzkessel). Die Magmakammer, die sich unter dem Vulkangebiet befindet, ist im Vergleich zu normalen Vulkanen sehr groß und hat ein Volumen von mindestens 1000 Kubikkilometern. Ausbrüche von Supervulkanen auf der Erde sind selten und wurden in historischer Zeit noch nicht beobachtet. Doch weiß man, dass ihre Auswirkungen katastrophal und regional weiträumig sind. Durch die Anreicherung von Gas in der Magmakammer über lange Zeiträume hebt sich das Vulkangebiet an und Magma tritt an weit voneinander entfernen Stellen aus dem Untergrund hervor. Durch das Anheben des Bodens entsteht um die Magmakammer ein ringförmiger Riss. Der innenliegende Teil dieses "Deckels" sinkt dann in die entleerte Magmakammer ab. Zurück bleibt die typische Caldera (Kessel) eines Supervulkans.

Siloe Patera zeigt einige dieser Merkmale: Es gibt Spuren von Rissen im Boden, das Gebiet ist relativ flach und es finden sich zerfetzte, geschichtete Ablagerungen. Außerdem fehlen Siloe Patera einige der typischen Merkmale eines Einschlagskraters wie ein Zentralberg. Auch das Fehlen eines hohen Kraterrands wurde als Argument herangeführt, doch auf dem Mars gibt es zahlreiche Beispiele von Impaktkratern, deren Rand längst von der Erosion beseitigt wurde. Was bei Siloe Patera wie Lavadecken aussieht - und die Theorie eines Supervulkans stützen würde - könnte, wie im Nordwesten (links oberhalb in den Bildern 1, 3, 4) des Kraters auch als Auswurfdecke interpretiert werden.

Was für den Supervulkan spricht - und was dagegen

Die größte Vertiefung von Siloe Patera reicht 1750 Meter unter die den Krater umgebenden Ebenen, die etwas flachere Vertiefung führt etwa weitere 700 Meter in die Tiefe. Die Flanken der innenliegenden, kleineren Vertiefung sind sehr steil. Das ist zwar untypisch für eine Einschlagsstruktur, könnte andererseits aber durch einen späteren, kleineren Einschlag in den schon vorhandenen größeren Krater verursacht worden sein.

Die Struktur ist von mehreren kleineren Kanälen und Rinnen umgeben, die teilweise in die Vertiefung münden. An der Südspitze der Vertiefung ist eine Talstruktur zu erkennen, die an sogenannte "sapping valleys" (engl.) erinnert, die entstehen, wenn unter der Geländekante Grundwasser austritt, die dadurch hervorgerufenen Hohlräume einstürzen und das erodierte Material durch das fließende Wasser entlang des Talverlaufs abtransportiert wird. Hier taucht ebenfalls ein scharfer Rand auf, der allerdings an manchen Stellen etwas angehoben ist.

Direkt darüber befindet sich ein Gebiet, etwa 20 Kilometer mal 20 Kilometer groß, das eine Vielzahl kleinerer, verzweigter Abflusskanäle beherbergt. Dieses könnte eine erkaltete Lavadecke sein - oder eben die Auswurfdecke eines Einschlagskraters: Diese Ablagerung wurde einerseits in der Fachliteratur als Überrest eines möglichen gasreichen, extrem heißen "pyroklastischen" Lavastroms beschrieben. Die lobenförmigen Ränder zeigen andererseits aber auch Ähnlichkeit mit Auswurfdecken, die bei kleineren Einschlagskratern entstehen. Asymmetrisch geformte Auswurfdecken bilden sich bei Einschlägen mit schrägem Einschlagswinkel von 15 Grad oder weniger.

Einfluss von Vulkanen auch auf das frühe Marsklima?

Nach Ansicht der Verfechter der Supervulkan-These finden sich für diese genügend Anzeichen, die sie stützen: Neben den erwähnten Argumenten könnten auch die in der Äquatorregion weit verbreitet auftretenden zerfetzten Ablagerungen von feinkörnigem, geschichteten sulfathaltigem Gestein und Tonmineralen angeführt werden, die durch die Gewalt der Explosion vielleicht über ganz Arabia Terra verteilt wurden; ihr Vorkommen konnte noch nicht schlüssig erklärt werden. Trotzdem könnte die Idee enormer vulkanischer Zentren die Entstehung solcher Ablagerungen und gleichzeitig die Perioden globaler Erwärmung auf dem Mars erklären.

An Siloe Patera zeigt der Mars wieder einmal eine seiner geheimnisvollen Seiten. Sehen wir auf diesen Bildern die Überreste eines über die Zeit verwitterten Einschlagskraters oder haben wie eine neue Kategorie marsianischer Vulkane vor uns? Wie dem auch sei, um die Geheimnisse unseres Nachbarplaneten zu entschlüsseln sind noch weitere Daten in hochaufgelöster Qualität und auch Landemissionen nötig.

  • Bildverarbeitung

    Die Aufnahmen mit der HRSC (High Resolution Stereo Camera) entstanden am 26. November 2014 während Orbit 13.837 von Mars Express bei 6 Grad östlicher Länge und 36 Grad nördlicher Breite. Die Bildauflösung beträgt etwa 24 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Die Farbdraufsicht (Bild 1) wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt; die perspektivische Schrägansicht (Bild 3) wurde aus den Stereokanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild (Bild 2), das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Draufsicht (Bild 4) beruht auf einem digitalen Geländemodell der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt.

  • Das HRSC-Experiment

    Die High Resolution Stereo Kamera (HRSC) wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann besteht aus 52 Co-Investigatoren, die aus 34 Institutionen und elf Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.

Verwandte Links

Verwandte Nachrichten

Kontakt

Elke Heinemann

Leitung Digitale Kommunikation
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation
Linder Höhe, 51147 Köln
Tel: +49 2203 601-1852

Prof. Dr. Ralf Jaumann

Freie Universität Berlin
Institut für Geologische Wissenschaften
Planetologie und Fernerkundung
Malteserstr. 74-100, 12249 Berlin

Ulrich Köhler

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin