Der Mars im Großformat
Bisher gab es den Mars im Streifenformat, Bahn um Bahn sorgfältig mit der europäischen Sonde Mars Express abgeflogen und zu dreidimensionalen Höhenmodellen und Perspektivbildern verarbeitet - nun haben die Planetenforscher unter der Leitung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) erstmals diese unterschiedlichen 50 bis 100 Kilometer breiten Streifen zu einer großformatigen und einheitlichen Karte zusammengefügt. 2,3 Millionen Quadratkilometer Oberfläche deckt das erste Mosaik ab, das sich über die weitläufige, kraterübersäte Hochlandregion des Roten Planeten, Teile des Ausflusstals Ares Vallis, des chaotischen Gebiets Aram Chaos oder auch die Ebenen Meridiani Planum und Chryse Planitia erstreckt. "Gerhard Mercator und Carl Friedrich Gauß haben die Erde vermessen, wir folgen mit unserer Vermessung des Mars ihrer Tradition", sagt Prof. Ralf Jaumann, DLR-Planetenforscher und wissenschaftlicher Leiter der hochauflösenden Stereokamera HRSC auf der Mars-Express-Sonde. "In der Qualität, die wir jetzt mit den Aufnahmen der HRSC-Kamera erreichen, wurde dies vorher noch nicht umgesetzt."
Grenzenlos und einheitlich
Das Mosaik erstreckt sich über 1800 Kilometer von Nord nach Süd und 1300 Kilometer von Ost nach West. Für dieses Produkt wurden einzelne Stereo- und Farbbilder von insgesamt 89 Orbits um den Mars verwendet und zusammengefügt. "Die Streifen wurden in unterschiedlicher Auflösung, bei unterschiedlichen Sonnenständen und unterschiedlichem Wetter aufgenommen - die anspruchsvolle Herausforderung ist es, diese ohne sichtbare Grenzen und einheitlich miteinander zu einem großen Ganzen zu kombinieren", erläutert Prof. Ralf Jaumann. Dafür müssen die geometrischen Beziehungen der einzelnen Bilder zueinander und ihre geographische Lokalisierung mit hoher Präzision bestimmt werden, damit eine genaue und globale Vermessung des Mars entstehen kann.
Die Daten für diese flächendeckende Topographie des Mars wurden mit der HRSC-Kamera (High Resolution Stereo Camera) der ESA-Raumsonde Mars Express aufgenommen, die seit dem 25. Dezember 2003 um den Roten Planeten kreist. Neun Sensoren nehmen dabei die Oberfläche des Planeten aus verschiedenen Blickwinkeln auf und ermöglichen es so, dass der Mars in hoher Auflösung, in Farbe und mit der dritten Dimension - der Höhe - kartiert werden kann. Mittlerweile hat die HRSC-Kamera im Verlauf der insgesamt mehr als 14000 Orbits der Mars-Express-Sonde um den Planeten eine Datenmenge von insgesamt 293.34 Gigabyte aufgezeichnet und zur Erde übertragen. Damit liegt für rund 70 Prozent der Marsoberfläche eine Abdeckung mit Bildauflösungen von zehn bis 20 Meter vor, die für die 3D-Kartierung mit höchster Genauigkeit verwendet werden. Zusätzliche Datensätze werden weiterhin aufgenommen und analysiert. Die Abdeckung mit Bildauflösungen bis hundert Meter beträgt bereits 97 Prozent.
Der nächste Schritt ist mit der erfolgreichen Prozessierung von großformatigen Mosaiken durch eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des DLR-Planetenforschers Klaus Gwinner erreicht: "Die Vermessung des Planeten nimmt damit einen weiteren Meilenstein", sagt Klaus Gwinner. Bis voraussichtlich 2018 will das Team aus DLR, FU Berlin und Universität Hannover den gesamten Mars vollständig als zusammenhängendes Mosaik darstellen.
3D-Blick in Täler und Krater
Das erste fertiggestellte Mosaik ist Grundlage für die unterschiedlichsten Verwendungen: Farbkodierte digitale Geländemodelle zeigen eindrucksvoll die Höhenunterschiede der Region von Meridiani Planum auf 250 Metern unterhalb der nominellen Nullhöhe der Marsoberfläche bis hin zur 5000 Meter tiefer gelegenen Region Chryse Planitia. Perspektivische Ansichten blicken in das Ausflusstal Ares Vallis oder in einen von Mars-typischen Erosionsprozessen modifizierten Krater. "Ein besseres Bild von der Oberfläche des Mars, beispielsweise von Auswirkungen von Flut und Trockenheit, kann man sich derzeit nicht machen", betont DLR-Planetenforscher Prof. Ralf Jaumann. Und auch Landemissionen profitieren von den detaillierten Marskarten in 3D: Für Mars-Rover Curiosity arbeiteten DLR-Planetenforscher in mehreren Workshops mit und nutzten die regionalen 3D-Produkte der HRSC-Stereokamera, um den richtigen Landeplatz auszuwählen. Setzen die Landegeräte der InSight-Mission der NASA oder der ExoMars-Mission der ESA in Zukunft auf dem Roten Planeten auf, konnten sich die Ingenieure ebenfalls ein sehr genaues Bild von der Landestelle machen - nämlich eines in 3D der HRSC-Kamera.
Das HRSC-Experiment
Die High Resolution Stereo Kamera (HRSC) wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann besteht aus 52 Co-Investigatoren, die aus 34 Institutionen und elf Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.