Sicher am Ziel
- Spektakulärer Schwertransport auf der letzten Etappe: Container mit der Oberstufe fährt in der Nacht zum DLR-Standort.
- Im Hafen von Bad Wimpfen hoben zwei Kräne die wertvolle Fracht zuvor von einem Binnenschiff an Land.
- Reise des Raketenteils von Bremen nach Lampoldshausen verzögerte sich wegen Hochwasser um mehrere Tage.
- Schwerpunkt: Raumfahrt
Der Weg ist geschafft. Am Sonntagmorgen um 1.05 Uhr öffnet sich das Tor. Die Oberstufe der Ariane 6 ist – verpackt in ihrem Container – sicher beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Lampoldshausen angekommen. Dort stehen jetzt Tests an, bevor die Ariane 6 im kommenden Jahr in den Weltraum abheben soll. In zehn Minuten kann die europäische Trägerrakete dann ihre Umlaufbahn in bis zu 200 Kilometer Höhe erreichen. Der irdische Transport von Bremen nach Lampoldshausen in Baden-Württemberg dauerte zwei Wochen – für etwa 400 Kilometer.
Der Beginn der Reise
Zum ersten Mal wird für die Anlieferung eines Raketenteils nach Lampoldshausen ein Weg über Wasserstraßen gewählt. Der Grund: Die Ausmaße des Containers. Er ist sechs Meter hoch, fast sieben Meter breit und 14 Meter lang. „Die Größe des Containers war in dem gesamten Projekt eine Herausforderung“, erklärt Frank Sailer von ArianeGroup. Er ist verantwortlich für den Transport. Weil der Container nicht unter allen Straßenbrücken durchpasst, nimmt das Binnenschiff MS Eemstrans ihn schon in Bremen an Bord. Doch auch der Wasserweg hat noch Überraschungen parat: Dauerregen, Schneefall, Hochwasser. Die Eemstrans schafft die Stecke über Weser, Hunte, Ems und IJssel. Am 2. Februar muss das Frachtschiff kurz vor der niederländisch-deutschen Grenze eine Zwangspause einlegen. Wegen der hohen Pegel wird die Schifffahrt auf dem Rhein eingestellt. Erst am 8. Februar ist eine Weiterfahrt möglich. Die Eemstrans bekommt ein eigenes Schubschiff als Unterstützung, fährt Tag und Nacht.
Der Container wiegt 57 Tonnen, aber das Schiff braucht mehr Gewicht, um auch auf dem Wasserweg sicher unter allen Brücken fahren zu können. 500 Tonnen Sand werden geladen. „Der Ballast bringt etwa 1,70 Meter Tiefgang“, sagt Sebastiaan van Vliet von der Dettmer-Reederei, der das Schiff gehört. Ist der Ariane-Transport normales Geschäft? „Faktisch fährt man wie immer. Aber man passt vielleicht doch unbewusst etwas mehr auf als sonst. Eine Rakete fährt man ja nicht jeden Tag.“
Die Ankunft in Bad Wimpfen
Freitag, 12. Februar, klirrende Kälte am Hafen von Bad Wimpfen. Die Eemstrans hat am Ufer des Neckar festgemacht. Die etwa 25 Kilometer nach Lampoldshausen soll die Ariane-Oberstufe auf einem Lkw zurücklegen. Zwei Kräne stehen bereit, um den Container an Land zu heben. Kranführer Günter Hilber ist die Ruhe selbst und macht seinen Job schon seit 33 Jahren. Er bewege diese Fracht „wie jede andere“: „Die Koordination muss stimmen“, erklärt er. Mit besonderen Fluggeräten kennt er sich aus. Für die Technik-Museen in Speyer und Sinsheim hat Günter Hilber mit seinem Kran auch schon eine Concorde, eine Boeing und eine Antonow „gelupft“, wie er erzählt. Noch können sich die beiden Kranführer in ihren Kabinen zurücklehnen. Auf der Eemstrans werden zunächst die verschweißten Transportsicherungen gelöst.
Unterdessen rückt im Hafen ein weiterer, kleiner Kran an, dazu Arbeiter mit Schaufeln und einem Presslufthammer. Denn parallel laufen die Vorbereitungen für den letzten Streckenabschnitt. Direkt am Hafen steht eine Laterne samt Verkehrsschildern im Weg – auch die vermeintlichen Kleinigkeiten müssen bedacht werden. Die Arbeiter graben die Laterne aus. Einige Meter weiter bedecken bereits Hölzer und Platten unebenen Untergrund.
Um kurz nach 14 Uhr wird es für Günter Hilber und seinen Kollegen ernst. Die Eemstrans fährt 50 Zentimeter zurück in die perfekte Position. Dann höchste Konzentration bei den Kranführern: Die Transportketten rund um den Container straffen sich. Kurz besteht die Sorge, die wertvolle Fracht könnte am Boden des Binnenschiffes festgefroren sein – die Temperaturen liegen deutlich unter null Grad. Doch dann hebt sich der Container problemlos Zentimeter für Zentimeter aus dem Schiff. Die Beschriftung an den Seitenwänden wird sichtbar: „Ariane 6. European Launcher Programme. Upper Stage. Developed and manufactured in Bremen, Germany. Operated by: ArianeGroup“. Es braucht fast eine halbe Stunde, bis die Oberstufe in ihrer schützenden Verpackung an Land ist. Um 15 Uhr legt die Eemstrans ab. Ein paar Kilometer weiter bei Heilbronn wartet ein Betonwerk auf 500 Tonnen Sand.
Auf der Straße nach Lampoldshausen
Samstag, 13. Februar. Am späten Nachmittag ist das Fahrwerk montiert, alles ist bereit für die letzten 25 Kilometer. In den nächsten Tagen soll die Oberstufe in den Prüfstand 5.2 beim DLR in Lampoldshausen integriert werden. „Wir können mit unserer Infrastruktur alles testen, was Europa benötigt, um ins All zu fliegen“, erklärt Prof. Stefan Schlechtriem, Direktor des Instituts für Raumfahrtantriebe. Seit etwa zwei Jahren laufen die Vorbereitungen, der neue
Wie lange wird es jetzt noch dauern, bis der Schwertransport das Tor des DLR in Lampoldshausen erreicht? Die Schätzungen gehen weit auseinander. Sechs Stunden vielleicht, vermutet Fahrer Olaf Wilke. Es könnten aber auch bis zu zwölf werden, sagt der Sprecher der zuständigen Polizei Heilbronn, die den Transport begleitet. Um kurz nach 20 Uhr setzt sich die Zugmaschine in Bewegung. Eine scharfe Kurve, über die Neckarbrücke, dann auf die Bundesstraße 27. Eigentlich ist hier Tempo 70 erlaubt. Der Schwertransport rollt mit schnellen 20 km/h über die breite Straße.
Nach etwas mehr als einer Stunde sind die ersten zehn Kilometer schon geschafft. Der Zugverband ist mittlerweile von der B27 auf die Landstraße abgebogen – er passt haarscharf an den Leitpfosten vorbei. Verkehrsschilder liegen am Straßenrand. Aber nicht mehr lange: Sobald der Transport die Stellen passiert hat, werden die Schilder sofort wieder montiert.
Eine Ampel in Neuenstadt am Kocher entpuppt sich als ernstzunehmendes Hindernis. Eigentlich sollten alle Ampeln auf der Strecke zur Seite geklappt sein. Aber diese ist noch da und ihr Arm ragt wie eine Schranke vor den Lkw. Nach einer halben Stunde ist das Problem gelöst, die Ampel gedreht. Dann ein Kreisverkehr: Die Bepflanzung in der Mitte wurde entfernt, die Höhe reduziert. Der Anhänger bleibt am Verkehrsteiler hängen, vorne drehen die Räder der Zugmaschine durch. Große Matten werden untergelegt. Als nächstes die Kocherbrücke, zwischen den Geländern sind 6,94 Meter Platz. „Langsam weiter, langsam weiter!“, „Und zurück!“, „Weiter rüber!“: Zentimeter für Zentimeter bringen die Transport-Spezialisten das Fahrzeug in die richtige Position. Es passt kaum eine Handbreit zwischen Container und Brückengeländer. Eine ganze Stunde vergeht, es ist fast Mitternacht, die Temperaturen fallen auf minus 9 Grad. Der Container erreicht das Örtchen Bürg mit seinen engen Gassen. Auch hier sind noch Anwohner an der Straße, haben ihre Handys gezückt. Selbst die Freiwillige Feuerwehr steht bereit, falls Hilfe notwendig ist. Eine scharfe Linkskurve, dann läuft es zwischenzeitlich wieder mit fast 20 km/h Richtung Lampoldshausen. Ein letzter Kreisverkehr, andere Autos müssen warten. Manche Fahrer steigen aus, nutzen die Gelegenheit für Fotos.
Um 1.05 Uhr rollt der Transporter mit der Ariane-Oberstufe auf das Gelände des DLR und weiter Richtung Prüfstand 5.2. Um 1.37 Uhr ist das Ziel endgültig erreicht. Nach nicht einmal sechs Stunden steigt Olaf Wilke aus seiner Zugmaschine.