Der DLR-Wildretter: High-Tech für den Tierschutz

Rettung vor dem Mähwerk

Jährlich werden in Deutschland mehrere hunderttausend Wildtiere bei der Frühjahrmahd von Mähwerken erfasst, verstümmelt oder getötet - Rehkitze, Junghasen, Fasane, Rebhühner und andere Bodenbrüter gleichermaßen (Abb. 1). Lange Zeit waren alle Versuche gescheitert, den Tieren dieses Leid zu ersparen.

Zwischen 1990 und 2020 hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen eine Vielzahl von Verfahren und Prototypen entwickelt und getestet, um Rehkitze und Bodenbrüter mit Methoden der Fernerkundung in der Wiese zu erkennen und anschließend sichern zu können. Die Systeme nutzen dabei generell die Wärme- bzw. Infrarotstrahlung der Tiere, die bei entsprechenden Beobachtungsbedingungen höher ist als die der umgebenden Wiese.

Konzepte und Plattformen

  • Tragbarer Infrarot-Wildretter: Die erste Generation des Wildretters besteht aus einer Reihe nach unten gerichteter Infrarotsensoren, die an einer Teleskopstange montiert sind und von einer Person über die Wiese bewegt werden (Abb. 2). Dabei erfasst das Gerät einen sechs Meter breiten Bodenstreifen und meldet warme Objekte optisch und akustisch. Seit 1999 vertreibt die Firma isa industrieelektronik GmbH in Weiden den Infrarot-Wildretter.

Der Infrarot-Wildretter ist als tragbare Variante äußerst hilfreich bei der Suche von Rehkitzen. Für den Einsatz am Traktor ist er allerdings nur bedingt geeignet. Denn gemäht wird meist bei warmem, sonnigem Wetter. Dann aber hat sich die Wiese bereits an manchen Stellen stark erwärmt. Da der Infrarot-Wildretter auf Temperaturunterschiede reagiert, werden diese warmen Stellen im Gras ebenfalls gemeldet. Für den Landwirt bei der Arbeit sind häufige Fehlalarme aber nicht zumutbar.

  • Traktorgetragene Version: Aus diesem Grund entwickelte das DLR zwischen 2008 und 2011 gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Hochschulbereich einen am Mähwerk montierten Wildretter, der während der Mahd sehr zuverlässig nur Wild detektiert. Neben den bewährten Infrarotdetektoren wurde u.a. ein Radarsystem und verschiedene intelligente Kamerasysteme (im sichtbaren Spektrum und im thermischen Infrarotbereich) untersucht (Abb. 3). Die Kombination mehrerer Sensortechnologien ermöglicht eine deutlich höhere Erkennungswahrscheinlichkeit. Die Zusammenfassung der Projektergebnisse findet sich unten im Download-Bereich.

Der rasante technologische Fortschritt im Bereich kleiner unbemannter Fluggeräte macht diese auch als Plattform für Wildrettungssysteme attraktiv.

  • „Fliegender Wildretter“: Zwischen 2012 und 2015 entwickelte das DLR-Institut für Methodik der Fernerkundung im Projekt „System und Verfahren zur Rehkitzrettung während der Grünlandmahd“ den weltweit ersten praxistauglichen Fliegenden Wildretter (Abb. 4). Das System wurde erfolgreich auf die Designkriterien „schnelle Einsatzfähigkeit“, „hohe Detektionssicherheit auch bei schlechten Randbedingungen (Umgebungstemperatur, Sonneneinstrahlung)“ und „hohe Flächenleistung“ optimiert. Bei einer effektiven Suchleistung von 20 ha/Std. erkennt und verortet der Fliegende Wildretter automatisch die Kitze nicht nur bei Dämmerung oder bedecktem Himmel (Anteil übersehener Kitze: 0 %), sondern auch bei Sonnenschein (Anteil übersehener Kitze < 10 %). Die Ergebnisse dieser Arbeiten sind im Projektabschluss sowie in der parallel durchgeführten Doktorarbeit von Dr. M. Israel dokumentiert (siehe Download-Bereich unten).

Technologietransfer, Ausgründung

Mit Unterstützung des DLR-Technologie-Marketings und der Helmholtz-Gemeinschaft gründete der DLR-Mitarbeiter Dr. Martin Israel gemeinsam mit einem Partner im Jahr 2020 das Start-Up-Unternehmen thermal DRONES GmbH, um u.a. den Fliegenden Wildretter in den Markt einzuführen. Mit dieser Ausgründung fand die über 30-jährige Technologielinie zur fernerkundungsbasierten Wildrettung im DLR ihren erfolgreichen Abschluss.

Eine Vielzahl von Presseberichten und TV-Beiträgen über die DLR-Arbeiten zum effizienten Tierschutz zeigt deren gesellschaftliche Relevanz, die hohe Innovationskraft belegen mehr als 10 Patente und eine Reihe von Auszeichnungen:

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