Hubschrauber sind tolle Fluggeräte – wenn da nicht der Lärm wäre: das typische Knattergeräusch, das die Rotorblätter machen. Es entsteht im Prinzip so: Wenn das erste Rotorblatt die Luft durchschneidet, bildet sich dahinter ein unsichtbarer Wirbel. Das folgende Blatt trifft dann auf diese aufgewirbelte Luft. Und das knallt jedes Mal. Wie könnte man dieses Problem lösen? Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des DLR sind da auf eine verblüffend klingende Lösung gekommen: Hubschrauber mit Muskeln …
Die Sache klingt eigentlich ganz logisch: Die Rotorblätter müssten ihre Wirbel einfach an einer anderen Stelle erzeugen – also nicht gerade da, wo schon das nächste Rotorblatt im „Anflug“ ist. Dann würden die nachfolgenden Blätter durch ruhigere Luft streichen und so weniger Krach machen. Bis auf die Hälfte könnte man dadurch den Lärm senken, der am Boden wahrgenommen wird. Und das wäre schon eine ganze Menge!
Wie kann man Luftwirbel umlenken?
Nur: Wie kann man die Luftwirbel „überreden“, sich an einer anderen Stelle zu bilden? Einfach mal freundlich fragen – nach dem Motto: „Äh … würde es Ihnen vielleicht etwas ausmachen, sich woanders hinzusetzen? Das hier ist nämlich eigentlich mein Platz …“ – hilft da nicht. Wie leider so oft im Leben. „Na gut, wir können auch anders …“, dachten sich da wohl die Ingenieurinnen und Ingenieure des DLR – und wollen die Wirbel nun einfach zwingen, sich an anderen Orten zu bilden: Jedes Rotorblatt müsste dazu nur für einen Sekundenbruchteil einen etwas anderen Winkel einschlagen. Schon würde die Luft anders als sonst strömen – und der Wirbel würde gewissermaßen „umgelenkt“.
Das alles kann natürlich nur automatisch klappen. Aber wie? Die Lösung klingt absolut verblüffend: Die Rotorblätter bekommen dafür „Muskeln“, mit denen sie ihre Form blitzschnell für einen kurzen Moment verändern. Muskeln? Nun ja, natürlich nicht wirklich Muskeln wie in der „Muckibude“ um die Ecke. Aber immerhin doch Fasern, die so ähnlich wie Muskeln wirken. Man nennt sie „piezokeramische Fasern”. Sie können sich – eben ähnlich wie unsere Muskeln – ausdehnen und zusammenziehen.
Dahinter steckt eine Menge Elektronik – und die ersparen wir uns hier einfach mal, weil’s sonst zu kompliziert wird. Nur so viel: Piezokeramische Werkstoffe sind wahre Wunderwerke der Technik. Sie können Druck und andere Reize aus der Umwelt „wahrnehmen“ und darauf reagieren. Zum Beispiel gibt es da Fensterscheiben, die die Schallwellen „spüren“, die von draußen – etwa von der Straße – ans Glas dringen. Und dann aktiv Gegenschwingungen auslösen, so dass weniger Verkehrslärm im Zimmer ankommt. Schlaue Dinger also, diese Piezokeramiken …
Bleibt beim Hubschrauber nur noch die Frage: Wie bekommt man nun die Fasern in die Rotorblätter hinein? Das geht so: Moderne Rotorblätter bestehen aus sogenannten „Faserverbund-Werkstoffen”. Diese Materialien sind leicht und stabil. Sie werden aus Glas- oder Kohlenstoff-Fasern hergestellt, die mit Kunstharz verklebt werden. Und bei dieser Bauweise ist es möglich, die „elektrischen” Fasern mit den anderen Fasern zu verarbeiten. Gut, wir haben das hier ganz stark vereinfacht dargestellt – mancher Wissenschaftler und manche Wissenschaftlerin würde das deutlich komplizierter formulieren. Aber das Verfahren ist machbar.
Nach ersten Tests wird das neue Rotorblatt demnächst auch noch in einem Windkanal erprobt. Wenn auch diese Versuche und die Zulassung erfolgreich verlaufen sollten, steht der Produktion eigentlich nichts mehr im Weg. Und wenn ihr dann eines Tages einen Hubschrauber am Himmel entdeckt, ohne dass ihr ihn schon lange vorher am Lärm bemerkt habt – dann wisst ihr: Jetzt müssen die neuen Rotoren wirklich schon im Einsatz sein …