Es ist Montag, Mittagspause am Gymnasium Stift Keppel. Vor der fast 800 Jahre alten Kapelle der Schule bereiten Sarah, Nick, Julian, Thomas, Nils und Matthias gerade alles für den Höhepunkt ihrer wochenlangen Arbeit vor: einen Stratosphärenflug mit einem Wetterballon. Langsam füllt sich der braune Gummiball, der später die kleine Kamerasonde „Stratos 2“ in den sonnigen Himmel über dem Sieger- und Sauerland tragen soll.
Vier Wochen zuvor: Im Physikraum des Gymnasiums treffen die sechs Jugendlichen aus den Jahrgangsstufen 6 bis 10 auf ihre Lehrer Herrn Diehl und Herrn Funk. Die erste Besprechung der Wetterballon-AG. Das Ziel: Eine Ballonfahrt in die Stratosphäre, die von Kameras dokumentiert wird. Das Team kann auf Erfahrungen bauen. 2013 startete ebenfalls ein Wetterballon vom Gymnasium Stift Keppel in die Stratosphäre. Doch die Mission endete in einer wochenlangen Suche. Damals hatte man sich allein auf die Kameras und GPS-Sender zweier Smartphones verlassen. Doch leider verlor sich die Spur der Handys. Erst sechs Wochen nach dem Start wurde der Ballon in einem Feld in Hessen gefunden. Die Smartphones waren intakt, jedoch wurden beim Start versehentlich die Kameralinsen verklebt. Damals war die Enttäuschung groß, aber die Schüler haben nicht aufgegeben.
Jetzt, 2015, wird alles etwas professioneller. Ein externer GPS-Sender wird in die Kapsel geklebt und beim Zukleben der Styropor-Box wird intensiv darauf geachtet, dass die Kameras freie Sicht haben. Neu ist, dass das Projekt altersübergreifend ist. Die jüngeren Schüler bauen die Kapsel. Mit kleinen Händen geht das auch besser. Die Großen kümmern sich dafür um einen Sponsor für Ballongas und schaffen es sogar, dass ein Elektronikmarkt eine hochmoderne Action-Kamera für den Flug zur Verfügung stellt. Insgesamt filmen nun vier Kameras den Flug.
Aber es gibt noch eine Besonderheit. Seit Januar ist das Gymnasium Stift Keppel eine Kooperationsschule des DLR_School_Labs Köln. Deshalb darf auch er mit: der beliebte Leucht-Kugelschreiber von DLR_next. Der Stift bekommt sogar seine eigene Kamera und wird so den gesamten Flug über gefilmt werden. Der blau leuchtende Kuli ist somit das Maskottchen des Projektes. Darauf sind die Schüler stolz.
In den vergangenen Wochen haben die Schüler viel gelernt. Sie haben sich mit der Konstruktion der Kapsel beschäftigt, die robust und leicht sein muss. Sie haben Fallgeschwindigkeiten berechnet und Fallschirme getestet: Schließlich sollen die Kameras nach dem Aufstieg wieder heil auf der Erde ankommen.
Und wo geht die Reise hin? Hier hilft ein Kontakt zur Luftwaffe der Bundeswehr. So kommt es, dass Matthias am Morgen des Starttages genaueste Daten zur den verschiedenen Höhenwinden einholen kann. Damit berechnet die Gruppe den Flugverlauf: Heute geht es ins Sauerland. Irgendwo bei Arnsberg wird der Ballon voraussichtlich landen. Die Spannung steigt.
Nick und Sarah füllen den Ballon mit Gas, Julian und Nils überprüfen die Kameras und Matthias und Thomas gehen die Checkliste für den Start noch einmal durch. Dann ist es soweit: Nach einem Countdown lassen die Schüler ihr Projekt in die Luft aufsteigen und erleben eine Überraschung. Der Ballon sinkt wieder zu Boden, bleibt im Dach der Schulaula hängen! Zu wenig Gas? Schnell wird der Ballon wieder zum Startplatz gezogen, weiteres Gas eingefüllt. Jetzt oder nie! Wieder ein Countdown, diesmal ein Bilderbuchstart. Schnell, mit 6 Metern pro Sekunde, steigt der Ballon mit seiner Kamerasonde in den Himmel. Der GPS-Sender gibt letzte Positionsdaten, bevor der Ballon aus dem Bereich des GSM-Netzes schwebt.
Am Montagabend sitzt das Team wieder im Physikraum und wartet. Bisher noch kein Signal vom GPS-Sender! Dabei müsste der Ballon längst wieder gelandet sein. Das Suchgebiet wird eingegrenzt, Wetterdaten werden ausgewertet. Wo könnte er sein? Am Dienstagmorgen dann die Erleichterung: Auf einem Feld in der Nähe von Menden im Sauerland wurde der Fallschirm samt Kamerakapsel gefunden. Noch am selben Tag haben die Schüler ihre Kameras in den Händen und noch am Fundort werden die Videos gesichtet. Die Filme sind beeindruckend. Der Ballon hat eine Höhe von 25 Kilometern erreicht – nicht ganz so hoch wie erhofft, aber alle sind glücklich und freuen sich. Auch die Medien sind begeistert. Die Schüler geben Radio- und Fernsehinterviews, posten auf Facebook, Instagram und Twitter erste Bilder.
Nun geht es in die Osterferien. Jedoch ist das Projekt danach noch nicht vorbei. Mit Hilfe der Kameraaufnahmen wollen die Schüler Unterrichtsmaterial für den Physik- und Erdkundeunterricht erstellen. Wo entstehen Wolken? Was sieht man noch von einer Stadt, wenn man in der Stratosphäre ist? Das sind nur einige Fragen, die in Zukunft zu interaktiven Unterrichtsmaterialen zusammengestellt werden. Schüler lernen dann von Schülern, beleben so den Unterricht: spannend!
Und nun? Was kommt jetzt? Das wissen die Schüler noch nicht. „Vielleicht geht es ja mal in die Tiefsee“, sagt Sarah. „Der Mond wäre doch auch ein spannendes Ziel“, schmunzelt Matthias.