Infrastruktur und Transformation (InTra)
Der Rahmen dieses Umbruchs ist mittlerweile recht deutlich abgesteckt: ausgehend von Klimazielen auf europäischer und Bundesebene gibt es einen gesellschaftlich-politischen Willen zu einer Verkehrswende, die den Modal Split deutlich zugunsten des Bahnverkehrs verschieben soll. Bahninfrastrukturmanager haben seit Jahren erkannt, dass Digitalisierung und Automatisierung eine ökonomische Notwendigkeit sind und Beschaffung, Nutzung und Wartung der Infrastrukturen optimieren können. Neue Technologien für die Steuerung und Sicherung des Bahnbetriebs werden auf europäischer Ebene spezifiziert und standardisierte Systemarchitekturen entworfen. Die Einführung des Deutschlandtakts ist beschlossene Sache.
Wie dieser Umbruch jedoch bewältigt werden soll, ist an vielen Punkten noch nicht deutlich erkennbar – schließlich birgt er gewaltige Herausforderungen: Welche durch Digitalisierung ermöglichten neuen/flexiblen Betriebskonzepte soll die Infrastruktur unterstützen? Wie kann eine Transformation in der Fläche „unter rollendem Rad“ gelingen? Wie sieht eine zeitgemäße Infrastrukturplanung aus? Wie können die vielen anfallenden Daten für optimale Wartungsstrategien genutzt werden? Wie lässt sich das hohe Sicherheitsniveau angesichts immer komplexerer Software in den Infrastrukturkomponenten erhalten und lassen sich gleichzeitig Zulassungsverfahren effizienter gestalten? Wie können Infrastrukturen neben der Ermöglichung von Mobilität helfen, weitere Anforderungen wie z.B. einen ressourcenschonenden, verlässlichen und komfortablen Betrieb zu realisieren? Ohne überzeugende Antworten auf diese Fragen besteht das Risiko, dass Kosten und Zeithorizont für diesen Umbruch sich inakzeptabel vergrößern und die Bahn weit hinter andere Mobilitätsdienstleistungen zurückfällt. Erschwerend kommt hinzu, dass an vielen Stellen der konservative Bahninfrastruktursektor mit veralteten Grundlagen und Verfahren arbeitet und digitale Kompetenzen erst langsam aufbaut.
In InTra sollen daher die betriebliche Nutzung der Schienenwege an neue Nutzungsformen angepasst und Planungswerkzeuge geschaffen werden, die eine reibungsarme Umsetzung innovativer Konzepte während des Betriebes ermöglichen. Von der Erforschung der bahnbetrieblichen Optimierung erwarten wir einen entscheidenden Beitrag zur erfolgreichen Einführung von neuartigen Bahnkonzepten wie zum Beispiel dem NGT TAXI. Aus systemischer Perspektive ist neben der Existenz des Vehikels auch ein nachhaltig funktionierendes und nachgefragtes Betriebskonzept erforderlich, um das NGT TAXI erfolgreich am Markt einführen zu können. Weiterhin gehört hierzu auch die Adaption der Gleisinfrastrukturen für eine effiziente, flexible und nachhaltige Nutzung des Bahnsystems.
Ebenso gehört ein integriertes Wartungs- und Instandhaltungsmanagement zu den durch die Digitalisierung ermöglichten Anwendungen, die im Projekt InTra erforscht werden sollen. Mithilfe neuartiger Bewertungsfunktionen soll ein Instrument geschaffen werden, welches die Wirkungen neuartiger Technologien auf die Bahn-Stakeholder messbar macht und hierüber einen wichtigen Beitrag zur Sicherstellung erfolgreicher Transformationsprozesse leistet. InTra möchte Transformationspfade anbieten, die zu einer tatsächlichen Verkehrsverlagerung auf die Bahn führen können.
Hochautomation, autonome Technologien und Digitalisierung werden einen disruptiven Wandel im gesamten Entwicklungs-, Betriebs- und Zulassungsprozess von Bahnsystemen erfordern. Systeme mit diesen Technologien können einer neuen Systemklasse zugeordnet werden, deren Verhalten sich aufgrund ihrer eigenständigen Interaktion mit benachbarten Systemen sowie ihrer Umwelt nicht mehr vollständig beschreiben lässt. Daher werden diese Systeme zukünftig in einem iterativen Prozess kontinuierlich weiterentwickelt, in dem Entwicklungs-, Zulassungs- und Betriebsphase der Systeme vollständig integriert werden und betrachtet werden (müssen). Sofern es sich um sicherheitskritische Systeme wie in der Leit- und Sicherungstechnik handelt, sind hingegen Sicherheitsfunktionen zu isolieren und die Interaktion mit ihrer Umgebung zu kontrollieren; dies erfordert seit je her belastbare, möglichst erschöpfende Verifikationsmethoden, die nun jedoch auf deutlich komplexere (Software)Systeme anwendbar sein müssen und von denen ein hoher Automationsgrad verlangt wird. InTra betrachtet mit szenarienbasierter Absicherung, formalen Methoden, Testautomation, verlässlichen Simulationen, Risikoanalysen und Standardisierung die notwendigen verschiedenen Zutaten, um den Herausforderungen der Verifikation und Zulassung moderner Bahnsysteme mit methodischen und technischen Lösungen begegnen zu können.