Artikel zum DLR-Podcast: Im Gespräch mit DLR-Forschungspilot Jens Heider
Fliegender Allrounder
Fliegen im Abgasstrahl eines Flugzeugs, in engen Schleifen über einem Flugplatz kreisen, um den Flugzeuglärm zu messen, oder immer wieder starten und landen, um Assistenzsysteme zu testen ... was für Menschen mit Flugangst nach einem Albtraum klingt, ist Jens Heiders Leidenschaft. Er ist Testpilot in der DLR-Einrichtung Flugexperimente in Braunschweig und steuert die Forschungsflugzeuge bei ihren Missionen. Hier spricht er darüber, wie er zu diesem außergewöhnlichen Job gekommen ist, welche Herausforderungen dieser bereithält und ob er ein Klischeepilot ist.
Wie wird man eigentlich Testpilot?
: Den einen Weg zu dieser Qualifikation gibt es nicht. Die Mehrzahl derer, die als Testpiloten oder -pilotinnen arbeiten, kommen aus dem Militär. Es gibt aber durchaus einige, die einen zivilfliegerischen Hintergrund haben, wie in meinem Fall. Es hat mit viel Glück zu tun, muss man ehrlicherweise sagen. Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Sicherlich hat es aber auch damit zu tun, dass man eine Idee im Kopf hat, was man machen möchte, und dass man in diesen Bereich gehen möchte. Das ist am Ende keine Garantie dafür, dass es auch funktioniert.
Und wie bist Du letztendlich zum DLR gekommen? War der Einstieg dort einfacher als die Auswahl zum Testpiloten?
: Auch das hatte mit dem Zufall zu tun. 2003/2004 beendete ich mein Studium in Bremen und meine Pilotenausbildung. Zu dieser Zeit wollte ich bei der Regionalsparte einer namhaften deutschen Fluggesellschaft anfangen. Damals war der Arbeitsmarkt allerdings am Boden, es gab konzernweit Einstellungsstopps. Der Betreuer meiner Diplomarbeit vermittelte mir den Kontakt zum DLR. Dort war eine Stelle am Institut für Flugsystemtechnik offen, die gut passte und sehr interessant klang. Ich habe mich darauf beworben und kam 2004 ins DLR. Ich habe aber schon dort festgestellt, dass ich mich eher in der Fliegerei sehe, und habe mich 2006 auf eine Ausschreibung des Flugbetriebs beworben. Ich hatte das Glück, übernommen zu werden.
Kennst Du eigentlich ein Pilotenklischee, das Du erfüllst?
: Also, ich trage beim Fliegen eine Sonnenbrille, wenn die Sonne scheint. Aber das hat wenig mit Klischee zu tun, viel mehr damit, dass es ansonsten zu hell ist.
Du bist studierter Flugsystemtechniker und sitzt nicht nur im Cockpit, sondern betreust auch den fliegerischen Betrieb. Im DLR werden regelmäßig Modifikationen an den Flugzeugen vorgenommen. Auch die Zulassung der Systeme läuft über das DLR. Womit beschäftigst Du Dich sonst noch?
: Meine Aufgaben sind sehr vielfältig. Neben dem, was Du genannt hast, gehe ich auch frühzeitig mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in die Diskussion zu ihren Erwartungen und Wünschen an die Versuche. Wir überlegen gemeinsam, was um- oder eingebaut werden muss am Flugzeug oder Hubschrauber und wie die Flugversuche geplant werden müssen. Die meisten Pilotinnen und Piloten oder Flugversuchsingenieure und -ingenieurinnen haben mehrere Funktionen und sind auch im Entwicklungsbetrieb oder in der Prüfung tätig. Deshalb ist für unsere Pilotinnen und Piloten ein abgeschlossenes Studium Einstellungsvoraussetzung, denn wir müssen alles unter einen Hut bringen.
Welches Studium sollten die Leute denn mitbringen?
: Wünschenswert ist ein technisches Studium, optimalerweise Luft- und Raumfahrttechnik oder Luftfahrtsystemtechnik. Aber bei uns arbeiten auch Menschen, die Informatik oder etwas anderes Naturwissenschaftliches studiert haben.
Du sitzt seit 2006 für das DLR im Cockpit. Da hast Du sicherlich schon einiges erlebt. Was ist Dein Highlight?
: Das lässt sich nicht einfach beantworten, es gab so viele schöne Momente. Ein eindrucksvolles Beispiel war sicherlich die Flugmesskampagne 2007 unter der Leitung des Alfred-Wegener-Instituts. Da waren wir für sechs Wochen auf Spitzbergen. Es war beeindruckend, über das Eis und das umgebende Meer zu fliegen, macht mich aber auch traurig, wenn ich daran denke, wie wenig die Gewässer in dieser Gegend nun zufrieren.
Mit Blick auf die Zukunft. Welche Themen hast Du gerade auf dem Tisch? Worauf freust Du Dich besonders?
: Ein großes Thema ist der ISTAR in Braunschweig. Im DLR ist dieses Flugzeug seit Anfang 2021. Wir haben es schon so weit umgebaut, dass wir die Flugdaten unmittelbar aufzeichnen können. Aktuell montieren wir einen Nasenmast, also eine Messsonde, die direkt an der Flugzeugspitze angebracht ist, um dort die Parameter der Luftanströmung möglichst ungestört zu messen. In unsere Dornier 228 haben wir gerade einen experimentellen Autopiloten eingebaut. Dieser wird unter anderem dazu genutzt, Funktionalitäten von unbemannten Luftfahrzeugen zu erproben. Ein übergreifendes Thema, das auch den Standort in Oberpfaffenhofen betrifft, ist das elektrische Fliegen. Das DLR hat vor Kurzem eine weitere Dornier 228 gekauft mit dem Ziel, eins der Triebwerke gegen einen Elektromotor auszuwechseln und diesen in einigen Jahren mit einer Brennstoffzelle versorgen zu können. Bei solchen langfristigen Projekten reden wir allerdings von einem Zeithorizont von mindestens fünf Jahren.
Vielen Dank für diese Einblicke in Deinen Alltag und für den Blick in die Zukunft!
Die DLR-Einrichtung Flugexperimente
Mit zehn Flugzeugen und Hubschraubern betreibt die Einrichtung Flugexperimente des DLR die größte zivile Flotte von Forschungsflugzeugen in Europa. Sie unterstützt interne und externe Nutzerinnen und Nutzer bei der Planung und Durchführung ihrer Versuche. Diese untersuchen entweder das Luftfahrzeug als Forschungsobjekt oder nutzen es als Träger für die wissenschaftlichen Instrumente.
Das Gespräch führte Daniel Beckmann. Er arbeitet in der DLR-Kommunikation und moderiert den Podcast „DLR-FORSCHtellungsgespräch“. Der Podcast ist zu hören auf DLR.de/Podcast und allen gängigen Streaming-Plattformen. Der Artikel erschien im DLRmagazin 172.