Auf Schnuppertour am Flughafen
Die Luftfahrt setzt große Hoffnungen in nachhaltige Kraft stoffe, genannt SAF Sustainable Aviation Fuels). Studienzufolge könnten diese Treibstoffe sowohl die CO2- als auch die Nicht-CO2-Effekte von Flugzeugen mindern. Aber welchen Einfluss haben sie auf die Luftqualität an Flughäfen? Ein Team des DLR-Instituts für Verbrennungstechnik war in Kopenhagen, um das herauszufinden.
Es ist kalt und windig auf dem Vorfeld des Flughafens an diesem Januarmorgen. Ein Flugzeug nach dem anderen rollt vorbei, es riecht nach Kerosin. Mitten in dem Treiben steht ein blauer Transporter mit einer Handvoll Messgeräte auf dem Dach. Dr. Tobias Schripp, Tobias Grein und Nina Gaiser untersuchen mit diesem mobilen Luftmesslabor des DLR-Instituts für Verbrennungstechnik vier Wochen lang die Abgase, die über das Vorfeld wehen. Vor allem auf ein Flugzeug haben sie es abgesehen: eine Maschine von Scandinavian Airlines, die täglich zwischen Kopenhagen und Stockholm pendelt und für die Studie eine Mischung aus 65 Prozent Kerosin und 35 Prozent synthetischem Treibstoff oder SAF (Sustainable Aviation Fuel) tankt.
Die Messungen sind Teil des EU-Projekts ALIGHT, das Lösungen für eine smarte, klimaneutrale Energieversorgung von Flughäfen entwickelt. Wenn die drei Forschenden erzählen, was sie genau messen, ernten sie allerdings immer wieder ungläubige Blicke. Plane-Spotter ist man am Flughafen gewöhnt. Aber Plane-Sniffer? Das findet nicht nur das Flughafenpersonal ungewöhnlich, wie Projektleiter Tobias Schripp eines Tages feststellt, als er Messungen außerhalb des Flughafengeländes machen will. Da schüttelt selbst der Plane-Spotter, mit dem er sich unterhält, belustigt den Kopf.
Doch der Unglaube hat sich bisher noch jedes Mal in Faszination verwandelt. Denn wenn der Chemiker seinem Gegenüber genauer erklärt, wie er die Feinstaubteilchen analysiert, dann wird auch Laien klar: Hier ist Ungewöhnliches im Gange. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler studieren die Auswirkungen von Treibstoffen auf die Atmosphäre in Simulationen. Nur eine Handvoll weltweit vollzieht in Echtzeit nach, was bei Verbrennungsprozessen tatsächlich passiert.
Wie bestimmt man die Herkunft eines Rußteilchens?
Entscheidend ist, dass das Labor nicht nur alle Teilchen zwischen 5 und 1.000 Nanometern in Echtzeit zählen und bestimmen kann, sondern diese auch mit den Daten der Wetterstation auf dem Dach des Busses kombiniert – also Windrichtung, Temperatur und Luftfeuchte. Nebenbei nehmen die Forschenden auch die Konzentration von Kohlendioxid und anderen Emissionen unter die Lupe. „Wir gehen davon aus, dass sich die Zusammensetzung der Abgaswolke auf den 200 Metern vom Triebwerk bis zu uns nicht wesentlich ändert“, sagt Schripp. „Sie ist dann erst wenige Sekunden alt, das Verhältnis von Kohlendioxid und Partikeln also noch gleich – unabhängig von einer Verdünnung durch Wind. Wenn wir beides kennen, können wir die Abgase also gut charakterisieren und vergleichen.“ Dass die gemessenen Teilchen tatsächlich von einem Flugzeug stammen, erkennen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an ihrer Größe – sie sind viel kleiner als die von Dieselfahrzeugen. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar hat einen Durchmesser von 40.000 Nanometern oder mehr, ist also vierzigmal dicker als das größte vermessene Teilchen.
Zunächst hat das DLR-Team das Verhältnis von Kohlendioxid und Partikeln in den Abgaswolken mehrerer Flugzeuge verglichen – sowohl bei solchen, die mit herkömmlichem Kerosin fliegen, als auch bei Flugzeugen, die teilweise SAF tanken. Dann haben sie sich auf „ihre“ Maschine konzentriert. Stickoxide gaben zusätzlich Aufschluss über die Verbrennung in den Triebwerken. „Wir schauen uns die Spitzen der Abgasfahnen an, die wir im Bodenbetrieb unserer Zielflugzeuge in unseren Messgeräten finden. Außerdem ordnen wir die Spitzen einer Windrichtung zu, die wir auch direkt am Auto messen“, sagt Tobias Schripp. Dabei verwendeten die Fachleute das GPS des Zielflugzeugs, die Windrichtung sowie das Spitzenereignis, um die Abgase zuzuordnen. Auch für die Projektpartner war die Kampagne ein Erfolg. „Für mich war einer der aufregendsten Momente im Rahmen des ALIGHT-Projekts, als nach monatelanger Planung der Kampagne das Flugzeug von Scandinavian Airlines auf dem Kopenhagener Flughafen mit einer 35-prozentigen SAF-Mischung herumrollte, während das DLR die Auswirkungen auf die lokale Luftqualität maß“, sagt Sabrina Jensen, Senior Project Manager für Nachhaltigkeit am Flughafen Kopenhagen und ALIGHT-Projektleiterin.
Mit den Emissionen von nachhaltigen Treibstoffen beschäftigt sich das Stuttgarter DLR-Team nicht zum ersten Mal. In den Jahren 2015, 2018 und 2021 untersuchte es bei den wegweisenden ECLIF-Kampagnen (Emission and CLimate Impact of alternative Fuels) Triebwerksemissionen genauer. Allerdings geschah das unter vergleichsweise kontrollierten Bedingungen. „Die Realität im Flugbetrieb sieht ganz anders aus – und wir wollen sehen, ob sich die Erwartungen an solche Fuels unter diesen Bedingungen tatsächlich erfüllen“, sagt Schripp. Er hält es für möglich, dass die Minderung der Schadstoffe sich ganz anders auswirkt als erwartet. Da die verwendeten Treibstoffe in ihrem Rußbildungspotenzial recht ähnlich sind, wird wahrscheinlich noch eine detaillierte, weitere Auswertung fällig.
ALIGHT
In dem EU-Projekt arbeiten unter anderem der Flughafen Kopenhagen, die Fluggesellschaft Scandinavian Airlines und das Unternehmen BP an der Umsetzung von klimaneutralen Lösungen für Flughäfen – es geht zum einen um die Versorgung der Infrastruktur am Boden mit erneuerbarer Energie, zum anderen um die Einführung von Sustainable Aviation Fuels (SAF). Bis 2025 wird ein ALIGHT-Konzept entwickelt, das auch von anderen Flughäfen angewandt werden kann.
Ein Beitrag von Anja Tröster aus dem DLRmagazin 172