Erwin Schrödinger-Preis 2015: Quantenkryptographie hebt ab
Ein weltweit schneller, effizienter und sicherer Informationsaustausch ist in der heutigen Zeit unverzichtbar, vollkommene Abhörsicherheit aber bisher eher Wunschtraum als Realität, denn mit ausreichend Rechenzeit sind selbst die ausgefeiltesten Verschlüsselungen knackbar. Einem Team von Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der LMU München (LMU) gelang es, dem Traum der Abhörsicherheit ein Stück näher zu kommen: Sie konnten erstmals eine Verbindung per Quantenkryptographie mit einer fliegenden Plattform herstellen. Der aktuellste Forschungsstand quantenkryptographischer Systeme und aeronautischer Kommunikationstechnik bildete die Basis für ein einzigartiges Experiment, für das das Team nun mit dem Erwin Schrödinger-Preis ausgezeichnet wurde. Der Preis wird jedes Jahr abwechselnd von der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft verliehen. Die beiderseitige Expertise und enge Zusammenarbeit der LMU mit ihren Experten für die Quantenkryptographie und des DLR mit seinen Spezialisten im Bereich der optischen Freiraumkommunikation ermöglichte diesen Erfolg.
Quantenschlüssel - Absolut abhörsicher
Geheime Schlüssel sind die Basis für jedes kryptographische Verfahren. Ein unbemerkt abgehörter Schlüssel ist der schlimmste Vorfall in einer als sicher geltenden Datenübertragung. Die Quantenschlüsselverteilung bietet durch Ausnutzung quantenmechanischer Gesetze die Möglichkeit der nachweislich sicheren Bereitstellung geheimer Schlüssel. "Ein mögliches Abhören würde das Verhalten der verwendeten Quantenteilchen stören und damit sofort bemerkt werden", erläutert LMU-Professor Harald Weinfurter. Schon 1984 wurde von Ch. Bennet und G. Brassard ein Verfahren vorgeschlagen, in welchem die Polarisation von Photonen (Lichtquanten) ausgenutzt wird. Dazu ist es wichtig, dass die gesendeten Lichtpulse nur einzelne Photonen enthalten, was dazu führt, dass das gesendete Signal extrem schwach ist. Das Verfahren wurde bereits erfolgreich in der Glasfaser und über ortsfeste Freistrahlverbindungen demonstriert. Der Nachweis der Funktionalität mit beweglichen Partnern stand bisher noch aus. "Unser Experiment zeigt erstmals, dass Quantendaten auch von einem sich schnell bewegenden Objekt übertragen werden können", sagt Weinfurter.
Ein Experiment für die Vision
"Die Vision hinter unserem Experiment ist die globale, sichere Kommunikation mit hohen Datenraten und dafür ist der abhörsichere Austausch des Schlüssels zwischen Satellit und Bodenstation essenziell", erklärt Florian Moll, der das Projekt seitens des DLR leitete.
Flugträger für die Experimente war das DLR-Forschungsflugzeug Do 228-212und ein spezielles Laserterminal, das die Forscher kurz zuvor erstmals für optische Luft-Boden-Kommunikation im DLR-Projekt Projekt VABENE ++ erfolgreich eingesetzt hatten. Ein von der LMU entwickelter Quantentransmitter wurde in dieses Laserterminal integriert, wobei extreme Sorgfalt auf die Polarisationsintegrität gelegt wurde. Diese fliegende Sendestation übertrug die Polarisationszustände der einzelnen Lichtquanten auf eine stationäre Empfangsstation, die sie mit einem Teleskop einfing. Der integrierte Quantenempfänger konnte den Polarisationszustand der einzelnen Photonen feststellen.
Das interdisziplinäre Team meisterte nicht nur die Entwicklung und Implementierung des Algorithmus für den Quantenschlüsselaustausch bei Sender und Empfänger: "Weil wir die Signalstärke des Laserstrahls nicht einfach erhöhen konnten, ohne die abhörsichere Verbindung zu gefährden, musste die Ausrichtung von Sender und Empfänger äußerst präzise sein, bis zu einem tausendstel Grad genau – das ist für die Optomechanik natürlich eine große Herausforderung", erklärt DLR-Ingenieur Florian Moll vom Institut für Kommunikation und Navigation. "Ein ausgeklügeltes System aus beweglichen Spiegeln und Linsen sorgte dafür, dass die wenigen Lichtquanten präzise den Photodetektor erreichten."
Dieses Luft-Boden-Experiment ist ein Meilenstein in der Realisierung quantenkryptografischer Systeme. Für die Zukunft hoffen die Preisträger, die Ergebnisse auf Satelliten übertragen zu können und so den weltweiten Austausch sicherer Schlüssel zu ermöglichen.
Der Erwin Schrödinger-Preis
Mit dem Erwin Schrödinger-Preis zeichnen der Stifterverband und die Helmholtz-Gemeinschaft wissenschaftlich oder technisch innovative Forschung aus, die in interdisziplinärer Zusammenarbeit erzielt worden ist. Der Namensgeber Schrödinger ist einer der Begründer der Quantentheorie und hat sich intensiv mit dem quantenmechanischen Messprozess auseinander gesetzt. Sein Gedankenexperiment "Schrödingers Katze" gelangte zu großer Bekanntheit weit über die Fachwelt hinaus. In ihm spielt die kohärente Überlagerung von Quantenzuständen eine zentrale Rolle. Dieselbe Eigenschaft ist auch die Grundlage für die sichere Schlüsselgenerierung im Experiment der Preisträger.