Mit dem Artemis-Programm unter Führung der US-Raumfahrtbehörde NASA soll der nächste große Sprung in der westlichen Raumfahrt gelingen: Nach der ohne Crew fliegenden Artemis I-Mission und einer bemannten Testmission um den Mond sollen mit Artemis III circa 2025 erstmals wieder Menschen auf der Mondoberfläche landen. Parallel dazu wird die Raumstation „Lunar Gateway“ in einem Mond-Orbit platziert werden. Sie soll zukünftig als Zwischenstation für astronautische Mondlandungen und für Flüge weiter hinaus ins Weltall, zum Beispiel zum Mars, dienen.
Dem Europäischen Servicemodul (ESM) kommt dabei eine unverzichtbare Schlüsselrolle zu und bringt die europäische sowie speziell die deutsche Raumfahrt weit nach vorne. Das Artemis-Raumtransportsystem besteht hauptsächlich aus zwei Teilen: dem US-amerikanischen Crewmodul, das Orion oder auch Multi Purpose Crew Vehicle (MPCV) genannt wird, und dem zylinderförmigen Servicemodul ESM. Hier sitzt das Haupttriebwerk für den Anflug zum Mond. Vier Solarpaneele liefern den Strom für das Raumschiff. Die ESM-Klimasysteme stellen sicher, dass die Temperatur für Astronauten und Fracht optimal reguliert wird. Außerdem lagern im ESM der Treibstoff sowie die Sauerstoff- und Wasservorräte für die Crew. Voll beladen wiegt es beim Start gut 13 Tonnen. ESM bringt die Orion-Kapsel in die Umlaufbahn um den Mond. Erst am Ende der Mission trennt es sich von Orion und verglüht in der Erdatmosphäre.
Bei der Entwicklung des Servicemoduls griffen europäische Raumfahrtingenieurinnen und -ingenieure auf die Erfahrungen aus dem erfolgreichen ATV-Programm zurück. ATV steht für Automated Transfer Vehicle. Dieses versorgte in insgesamt fünf Missionen zwischen 2008 und 2015 die ISS vollautomatisch und in regelmäßigen Abständen mit Nachschub für die ISS-Besatzungen. Die Basis-Technologie, die sich im ATV-Programm bewährt hat, lebt im ESM fort. Schon rein äußerlich ist dies erkennbar an den x-förmigen Solarmodulen zur Stromerzeugung: Sie waren bereits ein wichtiges Merkmal des ATV.
Deutschland führender Beitragszahler bei ESM
Mit der Artemis-Kooperation greift die NASA zum ersten Mal bei einer kritischen Komponente für astronautische Missionen auf Partner aus anderen Staaten zurück – ein enormer Vertrauensbeweis in die Leistungsfähigkeit der europäischen Raumfahrtnationen. Unter industrieller Führung von Airbus Defence and Space in Bremen hat ein europäisches Industriekonsortium in zehn Staaten die erste Flugeinheit ESM-1 realisiert. Passend trägt ESM-1den Namen der Hansestadt. Ein weiteres ESM für die zweite Mondmission des 21. Jahrhunderts, bei der erstmals eine Crew an Bord sein soll, wurde bereits von Bremen ans Kennedy Space Center transportiert. Das ESM für Artemis III befindet sich aktuell bei Airbus in Bremen in der Endmontage. Die NASA hat im Rahmen ihres Artemis-Programms bisher sechs europäische Servicemodule bestellt.
Bei internationalen Kooperationsprojekten in der Raumfahrt unter Führung der NASA – wie zum Beispiel der ISS – hat sich etabliert, dass die NASA-Partner Kanada, Japan und Europa ihre Beiträge zu Versorgung und Betrieb nicht als Devisen, sondern in Form von Technologien liefern – sogenannte „Barter-Elemente“. Diese bestanden seitens der ESA bisher in der Entwicklung des Raumtransporters ATV und dessen Frachtlieferungen zur ISS. Deutschland als größter ESA-Beitragszahler schulterte im Rahmen des ATV-Programms rund 40 Prozent der Entwicklungs-, Produktions- und Missionskosten. Die ESM-Beistellung deckt Europas derzeitigen Anteil an den ISS-Betriebskosten sowie die Nutzung des Lunar Gateways ab.
Unter den europäischen Mitgliedsstaaten ist Deutschland der wichtigste Partner für die anderen an der ISS beteiligten Raumfahrtnationen (USA, Russland, Japan und Kanada) und war maßgeblicher Unterstützer der Entscheidung für den Bau des ESM auf der ESA-Ministerratskonferenz 2012 in Neapel. Der deutsche Anteil am ESM-Programm beträgt rund 50 Prozent und wird von der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR gesteuert.
Technische Daten ESM
Maße und Gewicht
Das Orion ESM hat eine zylindrische Form mit einem Durchmesser und einer Höhe von etwa vier Metern. Beim Start wiegt es gut 13 Tonnen (davon 8,6 Tonnen Treibstoff) und macht damit über die Hälfte der Gesamtmasse des Orion-Raumschiffs aus.
Material
Die Außenseite des ESM ist mit einem Schutzsystem für Mikrometeoriten und Weltraummüll (Micrometeoroids and Debris Protection System, MDPS) aus Kevlar und Nextel überzogen. Wichtige Systeme wie die elektronischen Flugsysteme sind doppelt vorhanden und auf gegenüberliegenden Seiten des Moduls angeordnet.
Triebwerke
Das ESM ist das Hauptantriebssystem für das Orion-Raumschiff. Zusätzlich ist es auch für das Manövrieren im Orbit und die Positionskontrolle zuständig. Der in Titantanks gelagerte Treibstoff – ein Gemisch aus Monomethylhydrazin (MMH) und Stickstoff-Mischoxiden – liefert Energie für das Haupttriebwerk, acht Hilfstriebwerke und 24 kleinere Triebwerke für die Lageregelung.
Flügelspannweite
Die ESM verfügt über vier Sonnensegel. Jedes Segel besteht aus drei separaten Paneelen, die sich nach dem Start auf eine Länge von sieben Metern entfalten. Dadurch erreicht das Raumfahrzeug eine Flügelspannweite von 19 Metern.
Energieversorgung
Die vier Solarpaneele erzeugen mit 15.000 Solarzellen genug Energie, um zwei Haushalte zu versorgen. Jedes Segel dreht sich um zwei Achsen, um sich für eine maximale Stromerzeugung nach der Sonne ausrichten zu können.
Innenausstattung
In jedem ESM sind mehr als 20.000 Teile und Komponenten verbaut, von der elektrischen Ausrüstung über Triebwerke, Solarzellen, Treibstofftanks und Lebenserhaltungssysteme bis hin zu etwa 12 Kilometern Kabeln.