Experimente der Mission

Matthias Maurer wird während seiner „Cosmic Kiss“-Mission auf der Internationalen Raumstation ISS insgesamt über 100 Experimente durchführen, davon 36 mit deutscher Beteiligung. Ihr Spektrum reicht von Grundlagenforschung bis hin zur Anwendung in Bereichen wie Lebenswissenschaften, Materialwissenschaft, Physik, Biologie, Medizin, Technologieentwicklung und Künstliche Intelligenz sowie Erdbeobachtung.

Hier ein kurzer Überblick über einige der deutschen Experimente:

Biomedizinische Experimente

EMS: Ein neuer Anzug unterstützt Astronautinnen und Astronauten beim Training

Wir können uns nur fortbewegen, weil Muskeln in Rumpf und Gliedmaßen unserem Körper Stabilität verleihen. Dabei arbeiten sie auf der Erde gegen die Schwerkraft und trainieren sich so selbst. Um Muskelschwund und den dadurch bedingten Knochenabbau in Schwerelosigkeit zu verhindern, trainieren Astronautinnen und Astronauten täglich rund zweieinhalb Stunden an Bord der ISS. Elektro Muskel Stimulation (EMS) ist eine moderne Trainingsmethode, bei der Muskelpartien durch schwache Stromimpulse angespannt werden. Wird diese erhöhte Grundspannung mit einem gezielten Muskeltraining kombiniert, kann das den Erfolg deutlich erhöhen. An Bord der ISS wird Matthias Maurer erstmals mit einem speziellen EMS-Anzug sein Trainingsprogramm verbessern, das aus Laufen, Radfahren und Krafttraining besteht.

Die Technologie-Demonstration EasyMotion (EMS-TECH) wird im Auftrag der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR in Bonn durchgeführt und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) finanziert. Wissenschaftlich geleitet wird das EMS-Projekt vom Zentrum für Weltraummedizin an der Berliner Charité und vom Europäischen Astronautenzentrum EAC der europäischen Weltraumorganisation ESA technisch begleitet. Das Trainingssystem EasyMotionSkin und die dazugehörige App wurde von der EMS GmbH entwickelt und für die Nutzung im Weltraum angepasst. Der deutsche Raumfahrtkonzern OHB System AG hat das System für die Mission qualifiziert.

Bioprint: Schnelle Wundversorgung durch „Biotinte“

Auf längeren Explorationsmissionen müssen Hautverletzungen, Muskelverletzungen und Knochenfrakturen schnell und wirkungsvoll versorgt werden. Im Experiment Bioprint First Aid wird Matthias zum ersten Mal auf der ISS einen innovativen 3D-Biodrucker zunächst mit fluoreszierenden Mikropartikeln in der „Tinte“ testen. In naher Zukunft sollen dann oberflächliche Wunden durch direktes, flächiges Auftragen einer gewebebildenden „Biotinte“ mit körpereigenen Hautzellen behandelt werden. Durch dieses sogenannte Bioprinting wird die betroffene Stelle wie mit einem Pflaster abgedeckt und so die Wundheilung beschleunigt. Zukünftig soll diese Technologie für Weltraum- und Explorationsmissionen ebenso wie für den Menschen auf der Erde angewendet werden.

Die Technologie-Demonstration Bioprint First Aid wird im Auftrag der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR in Bonn durchgeführt und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) finanziert. Der deutsche Raumfahrtkonzern OHB System AG hat das System entwickelt, gebaut und für die Mission qualifiziert. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von der Technischen Universität Dresden.

Cellbox-3: Was wir im Weltraum über Zellen in unserem Körper lernen können

Auch Zellen und die Prozesse, die in ihnen ablaufen, unterliegen der Schwerkraft. Doch was passiert, wenn diese Kraft im Weltraum plötzlich wegfällt und was können wir über auftretende Veränderungen für Zellprozesse auf der Erde lernen? Um diese und weitere Fragen zu beantworten, werden in der Experimentserie Cellbox-3 dreidimensionale Zellmodelle des Knochenmarks und Co-Kulturen von Skelettmuskelzellen mit neuronalen Zellen der Schwerelosigkeit ausgesetzt. Die Untersuchungen sollen uns dabei helfen, sowohl die Blutbildung im Knochenmark als auch die molekularen Abläufe bei der Versorgung der Muskeln über Nervenbahnen besser zu verstehen. Die Ergebnisse sollen die Entwicklung von effektiven Therapien gegen Immunerkrankungen und Muskelschwäche vorantreiben.

Cellbox-3 wird im Auftrag der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR in Bonn durchgeführt und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) finanziert. Sie besteht einerseits aus dem Experiment NEMUCO, für das die Charité in Berlin wissenschaftlich verantwortlich ist, und dem Experiment SHAPE andererseits, für das die Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main die wissenschaftliche Verantwortung trägt. Cellbox-3 wird auf der ISS in den vollautomatischen Mikrolaboren der yuri GmbH aus Meckenbeuren durchgeführt.

Thermo Mini: Veränderung der Körpertemperatur bei Langzeitaufenthalten im Weltall

Ein längerer Aufenthalt im Weltall führt zu einem dauerhaften Anstieg der Körperkerntemperatur. Dieses „Space Fever“ ist eine potentielle Gefahr für die Gesundheit der Astronautinnen und Astronauten – vor allem bei Sport und Außenbordeinsätzen. Mit Thermo-Mini werden bei Matthias Maurer die Körperkerntemperatur und zirkadiane Rhythmik durch einen miniaturisierten Thermosensor nicht-invasiv an der Stirn aufgezeichnet. Die gewonnen Daten sollen Erkenntnislücken schließen und vor allem beweisen, dass der Mini-Thermosensor für den Langzeiteinsatz im Weltraum geeignet ist. Eine künftige Version könnte bei Menschen im extremen Arbeitsumfeld auf der Erde eingesetzt und in das Standardmonitoring der Astronautengesundheit aufgenommen werden. Auf der Erde kann der Minisensor in extremen Umgebungen wie in Bergwerken und bei Feuerwehreinsätzen aber auch im Krankenhaus angewendet werden.

Thermo-Mini wird im Auftrag der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR in Bonn durchgeführt und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) finanziert. Wissenschaftlich geleitet wird das Projekt vom Zentrum für Weltraummedizin an der Berliner Charité. Der miniaturisierte Sensor, kommerziell von Dräger GmbH erhältlich, wurde von der KORA Industrie-Elektronik GmbH für die Nutzung im Weltraum angepasst.

MetabolicSpace: Atemgas-Analyse zeigt Leistungsfähigkeit

Ziel von MetabolicSpace, einem industriemotivierten Experiment, ist die Entwicklung eines persönlichen, smarten, am Körper tragbaren Atemgas-Analyse-Systems, das die Beweglichkeit nicht einschränkt. Es soll einfach bedienbar sein, Daten automatisch auswerten und die körperliche Leistungsfähigkeit feststellen. Hierzu wird ein kardiovaskuläres Belastungsprofil entwickelt, sodass Astronautinnen und Astronauten nicht an ihrer Belastungsgrenze trainieren müssen. Die bisherigen Systeme bestehen aus einem Maskensystem, das am Kopf oder an einem Gestänge befestigt ist. Über Schläuche werden die Gase zu einer externen Einheit abgesaugt und in dieser durch verschiedene Sensoren analysiert. Die Schläuche zwischen Maske und externer Einheit erlauben dabei kein frei bewegliches Training und das Leistungsverhalten wird verfälscht. Verfahren zur automatischen Datenauswertung mit Selbstdiagnosefunktion und einfach verständlicher Anzeige, insbesondere für den nicht medizinischen Sportbereich, werden am Markt bisher nicht angeboten. Die Erkenntnisse können auch für Leistungssportlerinnen und Leistungssportler genutzt werden.

MetabolicSpace wird im Auftrag der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR in Bonn durchgeführt und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) finanziert. Wissenschaftlich geleitet wird das Projekt vom Institut für Luft- und Raumfahrttechnik der Technischen Universität Dresden. Von der Firma CORTEX Biophysik GmbH stammt das für den terrestrischen Einsatz entwickelte, mobile MetaMax3b-System, das von den beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gemeinsam mit Doktorandinnen und Doktoranden für den astronautischen Weltraumeinsatz als Experiment weiterentwickelt wurde.

DOSIS 3D MINI: Messung der Strahlenbelastung auf der gesamten Raumstation

Das Experiment DOSIS 3D MINI soll unser Verständnis der Strahlungsumgebung an Bord der Internationalen Raumstation ISS erweitern. Bereits seit 2012 führt das DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin gemeinsam mit internationalen Partnern das Experiment im europäischen Columbus-Modul der ISS durch. Dabei wird dort die Verteilung der Strahlenbelastung mit passiven und aktiven Strahlungsdetektoren bestimmt. Für diese Messungen werden halbjährlich elf passive Strahlungsdetektorpakete (sogenannte PDPs) zur ISS gebracht, die dann ein halbes Jahr lang die Strahlungsbelastung an diesen speziellen Positionen im Columbus-Labor messen. Die Mission Cosmic Kiss bietet nun die Möglichkeit, DOSIS 3D auf weitere Bereiche der ISS auszuweiten. Matthias Maurer nimmt weitere Detektoren zur ISS mit, die er an zehn verschiedenen Orten außerhalb des europäischen Labors installieren wird. Diese frischen Daten werden dann mit dem im Rahmen des DOSIS-3D-Vorgängerexperiments in Columbus erzeugten Langzeitdatensatz kombiniert, um eine 3D-Dosiskarte der gesamten ISS zu erstellen. Das Strahlenfeld auf der ISS dient auch als Testumgebung für Detektoren mit Anwendungen in der Strahlentherapie.

IMMUNO-2: Was schwächt unser Immunsystem?

Das Experiment IMMUNO-2 untersucht die stressbedingte Schwächung des Immunsystems von Astronautinnen und Astronauten und Menschen auf der Erde, um wirksame Gegenmaßnahmen zu entwickeln. IMMUNO-2 setzt Untersuchungen fort, die sich seit 2015 mit der Funktion des Immunsystems während längerer Aufenthalte von Menschen im All beschäftigen. Neben Schwerelosigkeit und Strahlung gehören vielfältige Stressfaktoren wie Isolation, hohe Arbeitsbelastung und Störungen des Schlafrhythmus zu den Auslösern der Schwächung des Immunsystems bei Astronautinnen und Astronauten. Mit vergleichbaren Problemen unseres Abwehrsystems, teilweise ausgelöst durch dieselben Stressfaktoren, haben Gesunde und insbesondere auch Schwerkranke auf der Erde zu kämpfen. Immuno-2 ist ein ganzheitlicher Ansatz, der biochemische Analysen mit psychologischen Tests kombiniert, um Veränderungen des Immunsystems und den Hormonspiegel von Astronautinnen und Astronauten an Bord der ISS mit deren Stressbelastung korrelieren zu können. Durch Vergleiche mit Isolations- und Bettruhestudien werden Erkenntnisse über die Rolle der einzelnen Faktoren gewonnen, die das Immunsystem in ein Ungleichgewicht bringen und über den Mechanismus der zellulären Immunabwehr allgemein. Diese Kenntnisse sind die Voraussetzung für die Entwicklung neuer vorbeugender und therapeutischer Maßnahmen für den Einsatz bei Astronautinnen und Astronauten ebenso wie bei Schwerkranken in der Intensivmedizin.

Immuno2 wird im Auftrag der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR in Bonn durchgeführt und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) finanziert. Wissenschaftlich geleitet wird das Projekt von der Ludwig-Maximilians-Universität München und gemeinsam mit der Universität Mannheim, dem Institut für Biomedizinische Probleme (IBMP/Moskau/Russland), dem Belgian Nuclear Research Centre (SCK-CEN/Mol/Belgien), der Universität Mailand (Italien), der Universität Basel (Schweiz) und der Universität Nijmegen (Niederlande) durchgeführt.

Myotones: Rehabilitation bei Muskel- und Knochenschwund verbessern

Im Myotones-Projekt werden nicht-invasiv die grundlegenden biomechanischen Eigenschaften der Skelettmuskeln mit Hilfe eines kleinen handgehaltenen Geräts analysiert. Mit MyotonPRO werden an Bord der ISS durch fehlende Schwerkraft bewirkte Veränderungen im ruhenden menschlichen Muskel (Tonus, Elastizität und Steifigkeit) bei den Astronautinnen und Astronauten gemessen und bewertet. Das Gerät misst die passiven Eigenschaften der oberflächennahen Skelettmuskulatur in ähnlicher Weise wie der Arzt durch Abtasten der entspannten Muskeln Verspannungen und Verhärtungen untersucht. Hierzu wird ein kurzer mechanischer Impuls auf die Hautoberfläche gesetzt und die Oszillation des darunter liegenden Muskels digital gemessen. Die Daten geben präzise Auskunft über die Elastizität, die Steifigkeit und den Tonus des untersuchten Muskels im Ruhezustand. Mit dieser Methode lässt sich auch der Erfolg von Gegenmaßnahmen gegen Muskel- und Knochenschwund in Form von Sportprogrammen vor, während und nach Aufenthalt auf der ISS überwachen und besser bewerten. Auf der Erde werden die Erkenntnisse für die Optimierung von Rehabilitations- und Trainingsprogrammen sowie für eine objektive Bewerten des Trainingserfolgs im Fitness- und Leistungssport genutzt.

Myotones wird im Auftrag der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR in Bonn durchgeführt und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) finanziert. Wissenschaftlich geleitet wird das Projekt vom Zentrum für Weltraummedizin an der Berliner Charité und von der Universität Southampton (Großbritannien) begleitet. Der miniaturisierte Sensor wurde von der estnischen Firma Myoton AS entwickelt und für die Nutzung im Weltraum angepasst.

Materialwissenschaftliche Experimente

EML, TRANSPARENT-1 und MSL: Moderne Werkstoffe nach Maß

Technologischen Fortschritt in industriellen Gießprozessen von maßgeschneiderten Hightech-Materialien auf der Erde – beispielsweise von neuartigen und leichteren Flugzeugturbinenschaufeln und Motorgehäusen – sollen Schmelzversuche auf der ISS erzeugen. Diese Forschung macht unter anderem Flugzeuge und Autos leichter und hilft so, Treibstoff und Energie einzusparen. Dafür werden in unterschiedlichen ISS-Schmelzöfen wie dem Elektromagnetischen Levitator (EML), der TRANSPARENT-1-Anlage oder dem Material Science Laboratory (MSL) Proben aufgeschmolzen und wieder erstarrt. Denn unter Schwerelosigkeit gelingt das wegen verminderter Strömungen präziser als im Labor auf der Erde. Die daraus gewonnenen Daten zu den Eigenschaften von Metall- und Legierungsschmelzen wie Viskosität, Oberflächenspannung oder Kristallwachstum unter Schwerelosigkeit sind für die Optimierung von Computermodellen für industrielle Gießprozesse äußerst gefragt.

Die Schmelzexperimente werden im Auftrag der Deutsche Raumfahrtagentur im DLR und der Europäischen Weltrauorganisation ESA durchgeführt. Beteiligt sind unter anderem das DLR-Institut Materialphysik im Weltraum und ACCESS Aachen e.V.

Concrete Hardening: Betonmischungen für die Exploration

Historisch gehört Zement nach Holz zu den ältesten Baumaterialien der Menschheit. Neben Wasser und einer Gesteinskörnung ist er als Bindemittel das wichtigste Element im Baustoff Beton. Im dickflüssigen Zustand ist Beton ein sehr vielschichtiges Gemisch. Härtet dieser „Brei“ aus, dann bindet sich das Wasser chemisch an den Zement. Diese Erstarrung steht auf der Erde stark unter dem Einfluss der Schwerkraft, die dafür sorgt, dass sich die Anteile mit hoher Dichte am Boden ablagern. Bisherige Untersuchungen an Bord der ISS haben sich nur auf die Erstarrung von reinem Zement beschränkt. Im Projekt Concrete-Hardening soll Matthias Maurer erstmals untersuchen, wie verschiedene Betonmischungen – bestehend aus Zement, Sand beziehungsweise dem „Mondstaub“ Regolith zusammen mit verschiedenen Zusätzen wie Luftporenbildnern und Wasser in Schwerelosigkeit aushärten. So sollen in Zukunft neue, verbesserte „Betonmischungen“ entstehen, die sowohl als Baumaterial für Habitate bei Mond und Mars-Missionen als auch zum nachhaltigen Hausbau auf der Erde eingesetzt werden können.

Concrete Hardening wird wissenschaftlich vom DLR-Institut für Materialphysik im Weltraum geleitet. Die Entwicklung der Experimentbehälter erfolgte als Kooperation zwischen den Universitäten Köln und Duisburg-Essen sowie BioTESC im schweizerischen Luzern.

Cold Atoms Lab: Ultrakalte Atome für Zukunftstechnologie

Dank des Cold Atoms Lab (CAL) können erstmals über einen langen Zeitraum ultrakalte Atome und sogenannte Bose-Einstein-Kondensate (BEC) in Schwerelosigkeit untersucht werden. In diesem einzigartigen ISS-Labor werden Wolken aus Rubidium- und Kalium-Atomen mit einem Laser extrem stark nahe dem absoluten Temperaturnullpunkt heruntergekühlt und mit einem Magnetfeld eingefangen, um ein solches Bose-Einstein-Kondensat zu erzeugen. Dieses verhält sich wie ein einziges „riesiges Atom“, an dem Quanteneffekte auf makroskopischer Ebene beobachtet werden können. Experimente mit diesen ultrakalten Atomen werden wichtige Prognosen der Quantenphysik sowie andere grundlegende Theorien, wie zum Beispiel Einsteins allgemeine Relativitätstheorie, überprüfen. Darüber hinaus sollen diese Langzeitversuche die Entwicklung von modernster Chip-Technologie, miniaturisierten Lasermodulen und hochpräzisen Uhren und Sensoren weiter vorantreiben. Mit diesen Entwicklungen kann zum Beispiel die Satellitennavigation in Zukunft noch präziser erfolgen.

CAL ist eine Experimentanlage der NASA im US- amerikanischen ISS Modul Destiny. Sie wurde vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) entwickelt und gebaut. Aufgrund einer Kooperation zwischen der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR und der NASA wird die Anlage von deutschen und US-amerikanischen Forschern gemeinsam genutzt. Wissenschaftlich beteiligt sind unter anderem die Universitäten Hannover, Ulm und Rochester (USA).

PK-4: Plasmen in Schwerelosigkeit erforschen

Mit dem Plasmakristallexperiment PK-4 lassen sich Prozesse, die eigentlich auf atomarer Ebene ablaufen, für das menschliche Auge sichtbar machen. Plasma ist ein ionisiertes – also ein elektrisch leitendes – Gas. Wenn es zusätzlich Staubteilchen oder andere Mikropartikel enthält, werden diese aufgeladen und es entsteht ein „komplexes Plasma“. In der Schwerelosigkeit können sich die Teilchen frei ausbreiten und geordnete, dreidimensionale Kristallstrukturen bilden. Die Wissenschaftler gewinnen so grundlegende Erkenntnisse, die zu langfristigen Anwendungen in der Weltraumphysik, der Plasmaphysik und -technologie, der Fusionsforschung sowie bei technischen Flüssigkeiten führen sollen. So werden Fortschritte in der Halbleiter- und Chiptechnologie, in der Entwicklung moderner Antriebe, Ventile und Stoßdämpfer sowie jüngst auch im medizinischen Bereich beim Abtöten multiresistenter Keime bei der Wundbehandlung und der Desinfektion möglich gemacht.

Die Plasmaexperimente werden im Auftrag der Deutsche Raumfahrtagentur im DLR und der Europäischen Weltrauorganisation ESA durchgeführt. Wissenschaftlich beteiligt sind das DLR-Institut für Materialphysik im Weltraum, die Universitäten Gießen und Greifswald sowie die Russische Akademie der Wissenschaften in Moskau.

Touching Surfaces: antimikrobielle Oberflächen im Test

Langzeitaufenthalte von Astronautinnen und Astronauten in einer Raumstation führen dazu, dass sich aus den mitgeschleppten Mikroorganismen eine eigene Mikroflora entwickelt. Dies kann Auswirkungen auf die Gesundheit der Astronautinnen und Astronauten haben - insbesondere, wenn sich die Zusammensetzung der Mikroflora unter den Bedingungen des Weltraumflugs verändert. Zudem hat sich gezeigt, dass entstehende Biofilme sogar zu Materialschäden führen können. Bei "Touching Surfaces" werden neuartige Oberflächen auf deren antimikrobielle Wirksamkeit unter Weltraumbedingungen untersucht und getestet. Solche "bioziden" Oberflächen können zukünftige Maßnahmen zur Kabinenhygiene im All und auf der Erde maßgeblich unterstützen. Diese neuen Oberflächen können in allen Bereichen eingesetzt werden, wo antibakterielle Hygiene eine Rolle spielt.

Touching Surfaces wird vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin wissenschaftlich geleitet und gemeinsam mit der Universität des Saarlandes, der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg sowie dem University College London (Großbritannien) durchgeführt.

BIOFILMS: Entstehung bakterieller Biofilme verstehen

Mit dem Experiment BIOFILMS werden auf der ISS neuartige, antimikrobielle metallische Oberflächen auf die Bildung von bakteriellen Biofilmen hin untersucht. Mittels Laser-Technologie wurden vorbereitend Nano-Strukturen auf verschiedenen Oberflächen erzeugt, die verhindern, dass sich Bakterien auf den Oberflächen ansiedeln sollen. Unter Weltraumbedingungen wird die Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Oberflächen und den Bakterien/Biofilmen untersucht. Übergeordnetes Ziel ist die Eindämmung der Kontamination mit Mikroorganismen in der Raumfahrt und die Verhinderung von Materialschädigungen. Diese Verfahren dienen dem grundlegenden Verständnis der Bildung von Biofilmen und können auch eine Rolle bei der Reduktion von Keimbelastungen beispielsweise in Krankenhäusern oder in der Industrie spielen.

Das BIOFILMS-Experiment wird im Auftrag der Deutsche Raumfahrtagentur im DLR und der Europäischen Weltrauorganisation ESA durchgeführt. Wissenschaftlich beteiligt sind das DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin sowie die Universität des Saarlandes.

Technologieerprobung und Künstliche Intelligenz

Schwebendes Gehirn und mobiler Netzhautscanner: Projekte zur Künstlichen Intelligenz helfen Astronautinnen und Astronauten

Sprachassistenten unterstützen die Menschen bei ihrer täglichen Arbeit. Ein solches digitales Assistenzsystem hilft auch Matthias Maurer auf der ISS. Doch dieser „außerirdische Gefährte“ ist viel mehr als nur eine einfache Sprachhilfe. Als Crewmitglied ist CIMON (Crew Interactive MObile companioN) ein fliegender und smarter Astronautenassistent. Ausgestattet mit Künstlicher Intelligenz (KI) soll er die Astronautinnen und Astronauten im „klassischen“ Sinne der Mensch-Maschine-Interaktion bei ihrer täglichen Arbeit unterstützen und noch effizienteres Arbeiten auf der Raumstation ermöglichen. Nach der erfolgreichen Technologiedemonstration mit Alexander Gerst und Luca Parmitano steht nun seine praktische Anwendung bei der wissenschaftlichen Nutzung im Vordergrund. Der mobile Crewassistent soll mit Maurer kommunizieren sowie ihn bei komplexen wissenschaftlichen Arbeiten anleiten und unterstützen. Doch CIMON hilft nicht nur auf der ISS. Auf der Erde soll er Innovationen für Anwendungen im Bereich der robotischen Industrieproduktion, der Bildung sowie der Medizin und Pflege vorantreiben.

In der Medizin könnte CIMON in naher Zukunft zum Beispiel mit dem Projekt Retinal Diagnostics „zusammenarbeiten“. Hier soll eine Augenlinse aus dem klinisch-diagnostischen Routinebetrieb als Adapter zu mobilen Geräten wie Smartphones oder Tablets verwendet werden. Sie wird Bilder der Netzhaut von Matthias Maurer auf der ISS aufnehmen, um das sogenannte Spaceflight Associated Neuro-ocular Syndrome (SANS) zu erkennen. Hierfür werden seine Augenveränderungen und -bewegungen erfasst, untersucht und ausgewertet. Diese Videos werden auf mobile Geräte übertragen, um KI-Modelle zu testen und zu trainieren, die dann eventuelle Netzhautveränderungen bei Astronautinnen und Astronauten in Zukunft automatisch erkennen. Hierfür wäre CIMON ideal geeignet. Diese Kombination aus KI-Crew-Assistent und AI Retinal Diagnostics bietet Vorteile bei Kosten, Größe, Gewicht und Diagnosefähigkeiten, sodass sie für den langfristigen Einsatz auf Explorationslangzeitflügen im Artemis-Programm der NASA geeignet wäre. Gleichzeitig revolutioniert das AI Retinal Diagnostics die mobile Erkennung von Krankheiten über Netzhautveränderungen auf der Erde.

CIMON wurde als Auftrag der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) an Airbus vergeben und für den Einsatz im europäischen Columbus-Modul auf der ISS entwickelt. Als sprachgesteuerte Künstliche Intelligenz dient die Watson KI-Technologie aus der IBM Cloud. Die menschlichen Aspekte des Assistenzsystems wurden von Wissenschaftlern des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) mitentwickelt und betreut. Ein rund 50-köpfiges Projektteam von DLR, Airbus, IBM und der LMU arbeitet seit August 2016 an der Realisierung von CIMON. Das Experiment Retinal Diagnostics wird vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin wissenschaftlich geleitet und vom Europäischen Astronautenzentrum EAC der europäischen Weltraumorganisation ESA technisch begleitet.

Wireless Compose-2: Drahtloses Kommunikationsnetzwerk auf der ISS für Langzeitanalyse des Herzkreislauf-Systems

Mit dem Experiment Wireless Compose-2 wird ein anpassungsfähiges und drahtloses Kommunikationsnetzwerk getestet, das mit Hilfe eines Smart-Shirts die Vitaldaten von Astronautinnen und Astronauten auf der ISS aufzeichnet und damit die Auswirkungen der Weltraumumgebung auf das Herz-Kreislauf-System untersucht. Solche Langzeitbeobachtungen sind wichtig, um Flüge zum Mond und Mars vorbereiten zu können. Auf der Erde kann es in der Telemedizin sowie im Fitnessbereich zur ausführlichen Analyse und Überwachung des Herz-Kreislauf-Systems eingesetzt werden. Wireless Compose-2 ist die Fortsetzung des erfolgreichen ISS Experiments Wireless Compose, einem Drahtlos-Kommunikationsnetzwerk zum effizienten Auslesen von Sensoren und zur Lokalisation von Objekten innerhalb der ISS. Durch die gewonnenen Erkenntnisse wird bei Wireless Compose-2 ein optimiertes System entwickelt, das kleiner sowie stromsparender ist und genauer messen soll. Zudem wird Wireless Compose-2 die Möglichkeiten solcher Sensor-Netzwerke erweitern, indem es eine Experimentalplattform zur Verfügung stellt, um weitere wissenschaftliche Teilexperimente anzubinden und durchzuführen.

Das Experiment wurde vom DLR-Institut für Raumfahrtsysteme geplant und vorbereitet. Die Firma Hohenstein Laboratories hat das SmartTex entwickelt und zur Verfügung gestellt, das bereits im ISS-Experiment Space-Tex 1 & 2 zum Einsatz kam. Die Ballistokardiografie-Messung wird in Kooperation mit dem Raumfahrtunternehmen DSI Aerospace Technologie durchgeführt, von dem auch die Sensoren stammen. Medizinisch begleitet wird das Experiment durch die Medizinische Fakultät der Universität Bielefeld. Die ermittelten Daten werden innerhalb des Netzwerks zwischengespeichert und in regelmäßigen Abständen von den Astronautinnen und Astronauten ausgelesen. Diese Datenpakete werden dann mittels der ISS-Verbindung zur Erde transferiert, wo das DLR-Forschungsteam diese auswertet.

VR-OBT: Virtual Reality – On-Board Training

VR-OBT zielt darauf ab, den Bereich des On-Orbit-Astronautentrainings unter Verwendung der neuesten Standalone-VR-Technologie voranzutreiben. Im Projekt wird ein innovatives und intuitives VR-Training für eine komplexe Wartungstätigkeit an Bord der ISS entwickelt. Im Gegensatz zum derzeit üblichen On-Board-Training (OBT) wird VR-OBT den Besatzungsmitgliedern die Möglichkeit geben, mit komplexer Hardware zu interagieren und komplexe Aufgaben physisch zu imitieren. "Lernen durch Handeln" ist eine effektive Methode, um anspruchsvolle Aufgaben zu festigen und zu üben. VR-OBT wird ein Training während einer Raumflugmission ermöglichen, das normalerweise nur mit Simulatoren oder analoger Trainingshardware auf der Erde durchführbar ist.

Geleitet wird VR-OBT vom DLR im Europäischen Astronautenzentrum (EAC) in Köln in Partnerschaft mit der ESA und mit Unterstützung der französischen Raumfahrtbehörde CNES.

Der Prozess der Planetenentstehung ist bis heute noch nicht komplett entschlüsselt. Entscheidende Erkenntnisse fehlen, die die Entwicklung von kleinsten Staubpartikeln hin zu kilometergroßen Körpern wie Asteroiden, Kometen und Planeten beschreiben. Das Experiment Laplace soll nachstellen, was vor rund 4,5 Milliarden Jahren passierte, als winzige Staubpartikel im Sonnennebel miteinander sanft kollidierten und über die Zeit immer größere Strukturen bildeten. Dieses Wachstum soll anhand von freischwebenden Staubproben untersucht werden, um realistische Bedingungen für die Planetenentstehung zu liefern. Im Experiment wird das Nebelgas durch eine dünne Restgasatmosphäre repräsentiert, in die eine Wolke mikroskopischer Staubteilchen eingebracht wird. Im Laplace-Experiment soll untersucht werden, wie dieser Wachstumsprozess genau abläuft, damit daraus Rückschlüsse auf die Entstehung makroskopischer Körper im jungen Sonnensystem gezogen werden können.

Laplace: Untersuchung von Staubwachstum und Planetenentstehung

Laplace wird im Auftrag der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR in Bonn durchgeführt und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) finanziert. Wissenschaftlich geleitet wird das Projekt von der Technischen Universität Braunschweig unter Beteiligung der Université Libre de Bruxelles (Belgien), der University of Central Florida (USA) sowie der Space Applications Services NV/SA (Belgien).

ICARUS: Tierwanderungen weltweit verfolgen

ICARUS (International Cooperation for Animal Research Using Space) beobachtet Tierwanderungen weltweit. Winzige, an Tieren angebrachte Sender sammeln Informationen über deren Wanderverhalten und funken sie zur ISS. Eingetragen in eine Datenbank werden sie uns dabei helfen, mehr über die Lebensweise der Tiere zu erfahren, neue Erkenntnisse zur Verbreitung von Seuchen, den Auswirkungen des Klimawandels sowie zum Zusammenspiel von Tierwanderungen und der Nahrungssicherheit in kritischen Regionen zu gewinnen. Das hauptsächlich von kleinen und mittleren Unternehmen aus Deutschland entwickelte System ist seit Herbst 2020 auf der ISS in Betrieb und arbeitet präziser und zuverlässiger als alle bisherigen Systeme.

ICARUS wird im Auftrag der Deutsche Raumfahrtagentur im DLR und der Russischen Raumfahrtagentur Roskosmos durchgeführt. Für das ICARUS-Projekt arbeiten zahlreiche Wissenschaftler weltweit zusammen. Geführt wird das internationale Wissenschaftskonsortium vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Radolfzell am Bodensee. Seit Dezember 2013 finanziert die Max-Planck-Gesellschaft die Miniaturisierung der Sender für das Projekt. Mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) unterstützt die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR die Erprobung der neuen Sender und der dazugehörigen Sende- und Empfangseinrichtung auf der ISS.

Kontakt

Martin Fleischmann

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Deutsche Raumfahrtagentur im DLR
Kommunikation & Presse
Königswinterer Str. 522-524, 53227 Bonn
Tel: +49 228 447-120

Volker Schmid

ISS-Fachgruppenleitung, Missionsleitung Cosmic Kiss
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Deutsche Raumfahrtagentur im DLR
Forschung und Exploration
Königswinterer Str. 522-524, 53227 Bonn

Elke Heinemann

Leitung Digitale Kommunikation
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation
Linder Höhe, 51147 Köln
Tel: +49 2203 601-1852