ARISS – Funksignale von der Schule in den Weltraum
Ein Rauschen schallt durch die Luft, breitet sich. Erste Funkwellen erreichen von der Internationalen Raumstation (ISS) aus die Erde – besser gesagt die Antenne am Dach der Schule. Ansonsten herrscht absolute Stille. 20 wissbegierige Schülerinnen und Schüler warten darauf, im Rahmen des Amateur Radio on the International Space Station (ARISS)-Projekts ihre Frage an den deutschen ESA-Astronauten Matthias Maurer zu stellen. Man könnte eine Stecknadel fallen hören. Doch wird diese Stille im Schulgebäude während der Funkkontakte im Rahmen der „Cosmic Kiss“-Mission leider nicht durch besonders leise Schülerinnen und Schüler entstehen. Drängten sich während der „horizons“-Mission des deutschen ESA-Astronauten Alexander Gerst noch mehrere hundert Schülerinnen und Schüler dicht an dicht in den Aulas der Schulen, um ihren 20 Fragestellerinnen und Fragestellern und dem Astronauten gebannt zu lauschen, so verlagern sich bei den „Cosmic Kiss“-ARISS-Calls bedingt durch die Corona-Pandemie die Funkkontakte weitestgehend ins Netz.
Großer Aufwand für ein einmaliges Erlebnis
So wird beim ersten ARISS-Kontakt von Matthias Maurer im DLR_School_Lab in Braunschweig – einem von insgesamt 15 Schülerlaboren des DLR – ein riesiger Aufwand betrieben: Zwar geht das Funksignal von der Antenne im DLR_School_Lab zur ISS und von dort aus wieder zurück, doch wird es in Braunschweig sehr aufwändig über ein sogenanntes Multipoint-Telebridge-Verfahren verteilt. Nur ein Mini-Team ist vor Ort. Die Schülerinnen und Schüler sind zugeschaltet und alles wird via Stream ins Netz übertragen. „So wie in Braunschweig werden es diesmal viele Schulen machen. Unsere Funkamateurinnen und Funkamateure des DARC e.V. nutzen in Zusammenarbeit mit den Bildungseinrichtungen alle technischen Möglichkeiten, um die Sicherheit der Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten. Trotz Pandemie bieten wir ihnen das einmalige Erlebnis, mit Matthias Maurer auf der ISS direkt zu sprechen. In den kommenden Monaten führt ARISS Europa exklusiv nur deutsche Schulkontakte durch, was eine Besonderheit darstellt“, sagt Oliver Amend, ARISS-Vorsitzender für Europa und Vize-Vorsitzender von ARISS international. Zwölf Schulkontakte – davon drei mit DLR_School_Labs – werden während „Cosmic Kiss“ stattfinden. „Wer einmal dabei gewesen ist, der möchte immer wieder dabei sein. Die Begeisterung der Schülerinnen und Schüler ist so direkt spürbar, dass man jedes Mal wieder eine Gänsehaut bekommt. Wir hoffen, dass viele Schülerinnen und Schüler sich diese Begeisterung bewahren und später mal in der Branche arbeiten. ARISS ist Nachwuchsförderung in Reinform“, betont Freya Scheffler-Kayser, die sich bei der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR um die ARISS-Schulkontakte kümmert.
Erste Rufzeichen aus dem All
„Delta November Two Delta Lima Romeo, I hear you loud and clear. How me? OVER“, meldet sich Matthias Maurer mit dem offiziellen Rufzeichen der ISS direkt aus dem europäischen Columbus-Modul der ISS – gefolgt vom jeweiligen Rufzeichen der Funkamateure auf der Erde. Damit ist die Stimme des Astronauten virtuell vernehmbar und sorgt für kollektives Aufatmen in Braunschweig und später an vielen weiteren deutschen Bildungseinrichtungen. Solche oder ähnliche Szenen werden sich auch ab Dezember 2021 wieder in deutschen Schulen und einigen Schülerlaboren des DLR – den sogenannten DLR_School_Labs – abspielen, denn im Zuge des Funkprojekts-Projekts bringt ARISS gemeinsam mit dem DLR, der europäischen Weltraumorganisation ESA, der US-Raumfahrtbehörde NASA sowie den Funkspezialisten des Deutschen Amateur-Radio-Club e.V. (DARC) Raumfahrt ins virtuelle Klassenzimmer.
Sechs bis zwölf Minuten für 20 Fragen und Antworten
Nachdem der Kontakt steht, und die Stimme von Matthias Maurer laut und deutlich zu hören ist, läuft unerbittlich die Uhr. Die ISS ist je nach Orbit und Lage der Gebäude am Boden zwischen sechs und zwölf Minuten in Reichweite der Antennen auf dem Dach der Bildungseinrichtungen oder der weltweit verteilen ARISS Relais-Stationen. Kostbare Minuten, in denen 20 wissensdurstige Schüler den deutschen Astronauten in rund 400 Kilometern über der Erde mit ihren Fragen „löchern“: „Bei den Fotos von der ISS sieht man immer nur die Erde. Wie sieht der Blick in den Sternenhimmel aus? OVER“. „Wie schläft es sich da oben? OVER“. „Was passiert, wenn ein Astronaut im Weltall davonschwebt? OVER“. Eine Frage nach der anderen werden die Schüler während der „Cosmic Kiss“-Mission in den erdnahen Orbit schicken – und Matthias Maurer wird sie mit Begeisterung und Routine beantworten. Zwar ist die ISS nicht so weit entfernt. Doch rast sie mit 28.000 Kilometern pro Stunde unerbittlich um die Erde und mit ihr rast auch die Zeit. In Braunschweig ist die ISS nach knapp acht Minuten am Rande des Empfangsgebiets angekommen. Der Kontakt wird immer schwächer. Matthias Maurer entfernt sich „aus Braunschweig“, wird unerreichbar für die Signale der Antennen. Schnell noch ein paar Grüße und der Kontakt bricht ab. Doch mit dem Ende des Funksignals hören die Raumfahrtaktivitäten an den Schulen noch lange nicht auf. Raumfahrt ist während der Vorbereitungen ein Teil des Unterrichts und wird es auch darüber hinaus bleiben. Die Begeisterung für Raumfahrt, Wissenschaft und Technik wurde also schon vor dem ersten Funkkontakt beim „Nachwuchs von Morgen“ geweckt.