Innerhalb der Einrichtung Flugexperimente sind die DLR Forschungsflugabteilungen in Braunschweig und Oberpfaffenhofen für die Bereitstellung und den Einsatz der hoch modifizierten Forschungsluftfahrzeuge des DLR zuständig. Diese Luftfahrzeuge sind selbst Gegenstand der Luftfahrtforschung zum Beispiel im Bereich der Aerodynamic, Aeroelastik, Flugsteuerung und Flugführung oder sie werden als Plattform zur Installation von wissenschaftlichen Instrumenten für die Atmosphärenforschung und Erdbeobachtung eingesetzt.
Fliegender Hubschrauber-Simulator ACT/FHS: D-HFHS
Der „Fliegende Hubschrauber-Simulator" ACT/FHS des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) basiert auf einem Serienhubschrauber des Typs Eurocopter EC 135, der für die Verwendung als Forschungs- und Versuchsgerät erheblich modifiziert wurde. Die mechanische Steuerung wurde zum Beispiel durch eine Fly-by-Wire-/Fly-by-Light-Steuerung (FBW/FBL) ersetzt. Statt Steuerstangen übertragen nun elektrische Kabel und Glasfaser-Lichtleitkabel die Steuerkommandos.
Das Einsatzspektrum des FHS umfasst die Ausbildung von Piloten, die Erprobung neuer Steuerungs- und Reglungssysteme bis hin zur Simulation des Flugverhaltens anderer Hubschrauber unter realen Umgebungsbedingungen. Serienmäßig ist der FHS mit zwei Triebwerken, einem lagerlosen Hauptrotor und einem Fenestron-Heckrotor ausgestattet; er zeichnet sich durch einen besonders leisen Betrieb, hohe Beweglichkeit und Sicherheit aus.
Die Fly-by-Light-Steuerung ist ein bahnbrechend neues System, bei dem im Gegensatz zu Fly-by-Wire die Steuersignale zwischen den Bedienelementen, dem Flugführungsrechner und den Stellantrieben für die Rotorblattsteuerung nicht elektrisch, sondern optisch über Lichtwellenleiter übertragen werden.
Die Vorteile gegenüber der elektrischen Datenübertragung liegen in der hohen Übertragungsbandbreite, der großen Betriebszuverlässigkeit sowie in einem geringen Gewicht. Das Fly-by-Light-Steuerungssystem besteht aus einem vierfach redundanten Rechner und ist so ausgelegt, dass die hohen Sicherheitskriterien der europäischen Luftfahrtbehörden voll erfüllt werden.
FHS ist weltweit der erste Hubschrauber mit diesem Steuerungssystem. Die Cockpitgestaltung sieht Plätze für einen Sicherheitspiloten, den Versuchspiloten und den Flugversuchsingenieur vor. Eine umfangreiche Ausrüstung mit Sensoren und Anlagen zur Datenaufzeichnung und -verarbeitung an Bord dient der Aufzeichnung der Daten aus den Flugversuchen. Diese stehen den Nutzern und Ingenieuren für die Analyse sowohl an Bord als auch – über Telemetrie – am Boden zur Verfügung.
Modifikationen
Der FHS unterscheidet sich vom Standard Eurocopter EC 135 Hubschrauber durch folgende Modifikationen:
- Optische und elektronische FBW/FBL-Steuerung
- Bordseitiges Rechnersystem, mit dem sich die Flugeigenschaften von anderen – real existierenden oder virtuellen – Fluggeräten simulieren lassen. Somit liefert es bereits in einem sehr frühen Stadium der Entwicklung wichtige Hinweise für die operationelle Bewertung eines Hubschraubers. Diese Fähigkeiten werden auch in der Grundlagenforschung zu Flugeigenschaften genutzt.
- Modulares Experimental-System: Das System besteht aus Flugreglungsrechnern, Datenmess- und Aufbereitungssystemen, Displays und zusätzlichen Ausrüstungs- und Bedienelementen im Cockpit. Zu dem System gehören auch eine Datenauswertestation und eine Simulationsanlage zur Versuchsvorbereitung.
Der Umbau zum ACT/FHS wurde in enger Kooperation von Eurocopter Deutschland (ECD), Liebherr Aerospace Lindenberg (LLI), dem Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) sowie dem DLR geplant und realisiert.
Missionen – Forschungsschwerpunkte
Der leistungsfähige Hubschrauber ACT/FHS wird für folgende Forschungsversuche und Anwendungen genutzt:
Entwicklung einer Flugsteuerungssoftware, die die Arbeitsbelastung des Piloten in schwierigen Flugsituationen deutlich verringert und gleichzeitig eine intuitive Steuerung des Hubschraubers beibehält. Insbesondere liegt der Fokus auf Flug, Start und Landung unter erschwerten Bedingungen, wie Start- und Landeplätze mit Hindernissen und eingeschränkten Sichtverhältnissen. Dabei steuert der Versuchspilot den Hubschrauber über das vom DLR entwickelte Experimental-System, während der Sicherheitspilot die Manöver überwacht.
Das Experimentalsystem ist ein modular aufgebautes Mehrzwecksystem, dessen Sicherheitskonzept so aufgebaut ist, dass neue, auch nicht voll ausgetestete Technologien überprüft und ausgewertet werden können, bevor ihre Entwicklung abgeschlossen ist.
Weitere Einsatzgebiete sind:
- Implementierung und Erprobung von aktiven Steuerorganen (Sidesticks)
- Erprobung von Pilotenassistenzsystemen
- Integration und Erprobung von Sensoren und Sichtsystemen
- Flugeigenschaftsvermessung
- Ausbildung von Testpiloten und Flugversuchsingenieuren
Technische Daten
Eurocopter EC 135 ACT/FHS | Daten |
---|---|
Rumpflänge: | 12,20 Meter |
Länge über Rotor: | 12,20 Meter |
Höhe: | 3,51 Meter |
Rotordurchmesser: | 10,20 Meter |
Sitzplätze: | 3 |
Gewicht: | maximal 2.835 Kilogramm |
Zuladung: | bis zu 740 Kilogramm |
Antrieb: | zwei Turbomeca Arrius 2B1 Triebwerke, je 415 Kilowatt Leistung |
Flughöhe: | bis zu 6.000 Meter |
Reichweite (Meereshöhe): | bis zu 440 Kilometer |
Geschwindigkeit: | maximal 254 Kilometer pro Stunde |
Flugdauer: | bis zu 2:30 Stunden |
Kraftstoffmenge: | 615 Liter |
Ursprüngliche Nutzung: | Anwendung für staatliche Aufgaben wie: Zivilschutz, Rettungsflüge, Polizei, Bundeswehr |
DLR-Flugbetrieb: | Braunschweig |