Team: Ozone and Air Quality
Spektrometer für satellitengestützte Fernerkundung der Atmosphäre arbeiten in überwiegender Mehrzahl mit passiven Methoden. Sie registrieren das von der Erdatmosphäre in den Weltraum zurückgestreute und reflektierte Sonnenlicht. Aus spektralen Unterschieden zur einfallenden Strahlung lassen sich Aussagen zum Zustand der Atmosphäre, insbesondere ihrer chemischen Zusammensetzung, treffen.
Die Gruppe „Ozone and Air Quality“ des DLR EOC befasst sich mit UV-Visible-Near-Infrared (UVN) Spektrometern und den entsprechenden Retrievalverfahren seit GOME (1995-2011) auf ERS-2, Europas erstem Atmosphärenspektrometer im Orbit. Leistungsfähigere Instrumente folgten mit SCIAMACHY (2002-2012) auf ENVISAT und den momentan arbeitenden GOME-2A (2006-2020), GOME-2B (seit 2012) und GOME-2C (seit 2020) auf den MetOp-Plattformen. Mit dem Start von TROPOMI auf der Sentinel-5-Precursor-Mission begann im Oktober 2017 die Ära der Copernicus-Atmosphärenmissionen. Die zukünftigen Copernicus-Missionen Sentinel-4 (Mitte 2025) und Sentinel-5 (Ende 2025) werden diese globalen atmosphärischen Messungen für die nächsten zwei Dekaden erweitern. Die Copernicus-Missionen zeichnen sich durch eine sehr hohe räumliche Auflösung gegenüber ihrer Vorgängermissionen aus. Die dadurch um viele Größenordnungen erhöhte Datenmenge stellt eine große Herausforderung für die zum Einsatz kommenden Retrieval-Algorithmen und die daraus entwickelten operationellen Softwaresysteme dar.
Diese Softwaresysteme, genannt Prozessoren, haben die Aufgabe, aus Messdaten kontinuierlich und schnell exakt definierte Satelliten-Produkte zu erzeugen. Sie arbeiten in einer operationellen 24/7 Umgebung und müssen ohne interaktive Eingriffe funktionieren, was hohe Anforderungen an die entwickelte Software stellt. Derartige Software ist immer das Endprodukt einer langen Entwicklungskette. An deren Beginn stehen Retrieval-Algorithmen, die an die Erfordernisse des Bodensegments angepasst werden müssen. Bei Level-2-Prozessoren ist wissenschaftlicher Retrievalcode der Ausgangspunkt. Gerade in solchen Fällen muss der oftmals komplexe Algorithmus soweit optimiert werden, dass er sowohl Ergebnisse mit der geforderten Genauigkeit liefert, als auch möglichst wenige Ressourcen erfordert und sehr stabil und robust läuft.
Operationelle Prozessoren werden benötigt für die Erzeugung von Daten in naher Echtzeit (Near Realtime – NRT; üblicherweise sollen in diesem Fall die Level-2 Produkte maximal 3 Stunden nach Aufnahme der Rohdaten zur Verfügung stehen) oder im Offline-Modus bei größtmöglich erreichbarer Genauigkeit ohne den strikten Zeitvorgaben des NRT. Es gibt Fälle, in denen der algorithmische Kern beider Prozessoren weitgehend identisch ist, aber auch solche, bei denen aufgrund der strengen Zeitanforderungen des NRT-Betriebes optimierte Retrieval-Algorithmen zum Einsatz kommen. Zu Test- und Entwicklungszwecken entsteht neben den Spezifikationen für die operationellen Prozessoren für jedes Prozessierungsniveau ein wissenschaftlicher Prototyp, der interaktive Steuerungen erlaubt und so - falls erforderlich – eingehende Untersuchungen einzelner Prozessorschritte ermöglicht. Welche Algorithmen in den Prozessoren verwendet werden, wird detailliert im Algorithm and Technical Baseline Document (ATBD) beschrieben. Diese ATBDs, zusammen mit weiteren Spezifikationen, dienen dem Missionsbetreiber als Grundlage für die Umsetzung der schließlich im Bodensegment zu installierenden Prozessorsoftware.
Prozessoren und die zugrundeliegenden Retrieval-Algorithmen entwickeln sich im Verlauf einer Mission weiter. Die missionsspezifischen Produkte werden regelmäßig mit bodengebundenen Messungen als Referenz validiert. Mit zunehmender Missionsdauer verbessern sich die Kalibrierung des Instruments sowie die Fähigkeit, aus den Messdaten bereits definierte oder sogar neue geophysikalische Parameter zu extrahieren. Im Idealfall werden die gesamten Messdaten deshalb in regelmäßigen Abständen einer Reprozessierung unterzogen, die jeweils die in operationelle Software umgesetzten aktuellen state-of-the-art Algorithmen benutzt. Insofern bedeutet die dem IMF übertragene Verantwortung im Bereich Retrieval-Algorithmen und Prozessoren für UVN Spektrometer ein langfristiges Engagement, das eine Mission von der Entwicklung bis über den Betrieb im Orbit hinaus begleitet.
Für die aus der GOME-Linie stammenden Sensoren entwickeln wir mit UPAS, dem „Universal Processor for UVN Atmospheric Spectrometers“, einen generischen Prozessor, der das Retrieval von Atmosphärenparametern sensorunabhängig ermöglicht. Mit UMAS, dem „Universal Mapping tool for Atmospheric Spectrometers“, stellen wir die gewonnenen Atmosphärenparameter auf täglichen, globalen Karten auf einem regulären Gitter der Erdoberfläche als sogennante Level-3 Daten, zur Verfügung. Um die hohen Anforderungen der neuen Copernicus-Atmosphärenmissionen erfolgreich bewältigen zu können, kommen hier bei der Entwicklung der Retrieval-Algorithmen neueste Technologien wie Artificial Intelligence (AI) und Machine Learning (ML) zum Einsatz.
Die von UPAS generierten atmosphärischen Spurengase (Ozon, Stickstoffdioxid, Schwefeldioxid, Formaldehyd, Brommonoxid, Glyoxal, Wasserdampf, etc.) sowie Aerosol- und Wolkenparameter werden in zahlreichen Anwendungen wie Klimaforschung, Luftqualität- und Vulkan-Monitoring genutzt und in diversen Vorhersage- und Monitoringsystemen (z.B. CAMS) assimiliert. Insbesondere das von uns betriebene kontinuierliche und globale Monitoring der oben genannten Indikatoren für die Luftqualität ist essentiell, um sowohl lokale als auch globale Trends zu charakterisieren, besser zu verstehen und somit eine fundierte wissenschaftliche Grundlage für notwendige Gegenmaßnahmen bereitzustellen. Hierzu finden unsere Daten Einzug in sogenannte Essentielle Klimavariablen (ECVs), wie z.B. Langzeitdatenreihen zu Ozon welche auch von internationalen Organisationen wie z.B. der World Meteorological Organization (WMO) verwendet werden.
Das IMF-Team „Ozone and Air Quality“ hat eine weltweit führende Rolle bei der Entwicklung von Retrieval-Algorithmen und Prozessoren für die aktuellen atmosphärischen Missionen GOME-2/MetOp und TROPOMI/Sentinel-5 Precursor sowie die zukünftigen Copernicus Missionen Sentinel-4 und Sentinel-5.