Team: Active Sensing
Instrumente, die “active sensing” betreiben, bringen ihre Signalquelle mit, d.h. sie strahlen Licht oder andere Signale aus und analysieren die Reflektion vom Erdboden oder aus der Atmosphäre. Im Vergleich zu passiven Instrumenten, die beispielsweise reflektiertes Sonnenlicht als Signalquelle nutzen, hat dies den Vorteil, dass
- das ausgestrahlte Signal und der Signalweg gut bekannt sind
- man unabhängig vom Sonnenstand Messungen durchführen kann (speziell auch nachts).
In der Atmosphärenfernerkundung werden hauptsächlich sogenannte Lidar (Light Detection and Ranging), die Laser als Lichtquelle verwenden, genutzt. Dabei werden kurze Laserpulse vom Satelliten ausgesandt und die Rückstreuung des Lichtes analysiert. Während es boden- und flugzeuggestützte Lidarsysteme schon länger gibt, sind satellitengestütze Lidarmessungen eine relativ neue Entwicklung. Das IMF ist an zwei Lidarmissionen beteiligt: Aeolus zur Vermessung von globalen Windfeldern und MERLIN (Methane Remote Sensing LIDAR Mission) zur Messung des Treibhausgases Methan (CH4). Das IMF arbeitet bei diesen Missionen eng mit dem DLR-Institut für Physik der Atmosphäre (IPA) zusammen, wo die Instrumentkonzepte und wissenschaftliche Auswertungsalgorithmen entwickelt werden.
Bei der Aeolus-Mission wird ausgenutzt, dass Licht, welches von bewegter Atmosphäre zurückgestreut wird, durch den sogenannten Dopplereffekt eine Wellenlängenverschiebung erfährt. Aus Ausmaß und Richtung der Verschiebung kann man die Geschwindigkeit des rückstreuenden Teilchens in Strahlrichtung berechnen. Aeolus nutzt dazu einen Laser mit einer Wellenlänge von 355 nm. Das gestreute Licht wird von einem Spiegelteleskop von 1,5 m Durchmesser zeitlich hoch aufgelöst erfaßt. Da man den Zeitpunkt, an dem der Laserpuls ausgesandt wurde, genau kennt, kann man auf diese Weise nicht nur eine mittlere Windgeschwindigkeit berechnen, sondern auch ein Windgeschwindigkeitsprofil erstellen. Die gute Kenntnis von Windprofilen ist essentiell zur Vorhersage des Wetters und extremer Wetterereignisse.
Bislang kann der Bewegungszustand der Atmosphäre nur punktuell mit Hilfe von Radiosondenmessungen bestimmt werden. Aeolus ist am 22. August 2018 gestartet. Nach der ursprünglich geplanten Lebensdauer von 3 Jahren ist die Mission noch um 2 Jahre verlängert worden. Am 28.07.23 wurde der Satellit kontrolliert zum Absturz gemacht und die operationelle Phase erfolgreich beendet. In einer sogenannten Phase F werden jetzt noch einmal Algorithmen verbessert und eine Reprozessierung der Daten vorbereitet. Wegen des großen Erfolgs der Aeolus Mission ist scon eine Nachfolgemission für die frühen 2030er Jahre geplant. Auch in der neuen Mission ist das IMF ist für die sogenannte Level-1-Prozessierung verantwortlich d. h. für die Kalibrierung der Detektorsignale.
Prinzipiell besteht die Aufgabe der Kalibrierung darin, elektronische Detektorsignale, die als Binäreinheiten vorliegen, in physikalische Größen zu transferieren. Dies geschieht durch sequentielle Anwendung von Kalibrierschritten gemäß einer Kalibriergleichung. Außerdem führt das IMF auch Entwicklungsaufgaben für den operationellen Level-2A-Prozessor aus. Im ESA Aeolus-Projekt führen wir unsere Arbeiten in einem Konsortium bestehend aus CNRS/GAME, IPSL, KNMI sowie weiteren Partnern durch.
Die MERLIN Mission soll Methan hochgenau vermessen. Methan ist nach Kohlendioxid (CO2) der zweitgrößte Beitrag zur anthropogenen, also von Menschen verursachten, Klimaerwärmung. Es entsteht hauptsächlich bei biogenen Prozessen, z. B. bei Fäulnisprozessen, durch Reisanbau oder Viehhaltung. Die Kenntnis der Quellen und Senken von Methan ist wichtig, um Klimaveränderungen zuverlässig vorhersagen zu können. Dabei ist die Fähigkeit von MERLIN, auch in der polaren Nacht Permafrostgebiete vermessen zu können, besonders wichtig, da mithilfe passiver Instrumente in diesen Gebiete nur während des lokalen Sommers nützliche Daten erfasst werden können. MERLIN unterliegt als aktives Instrument nicht dieser Beschränkung und kann das ganze Jahr hindurch Tag und Nacht messen. Um den CH4-Gehalt der Atmosphäre zu bestimmen, sendet MERLIN mit einem Abstand von etwa 250 Mikrosekunden zwei Laserpulse aus: einen Puls mit einer Wellenlänge, bei der CH4 stark absorbiert, und einen Puls bei einer eng benachbarten Wellenlänge ohne nennenswerte Methanabsorption. MERLIN misst das rückgestreute Signal dieser beiden Pulse. Da die Wellenlängen sehr nahe beieinander liegen, wird der Unterschied in den empfangenen Signalen nur durch die Methankonzentration entlang des Lichtwegs verursacht. Dies ermöglicht eine hochgenaue Bestimmung der CH4-Konzentration. MERLIN ist ein deutsch-französisches Projekt, bei dem Frankreich für die Plattform verantwortlich ist und Deutschland für die Nutzlast. Der geplante Start von MERLIN ist gegen Ende der 2020er Jahre vorgesehen.
Auch bei MERLIN ist das IMF für die Implementierung des Level-1-Prozessors und zusammen mit IPA für die Entwicklung der Kalibrationsalgorithmen verantwortlich. Außerdem führen wir das “Long-Term Monitoring” des Instruments durch. Im Monitoring werden verschiedene Instrumentenkenngrößen beobachtet, um frühzeitig auf Änderungen im Instrument reagieren zu können. Zum MERLIN Konsortium gehören neben DLR-Instituten, CNES (der französischen Raumfahrtagentur) und anderen französischen Instituten auch Airbus Defense and Space, verantwortlich für den Bau des Instrumentes und die Firma CGI, verantwortlich für die Übertragung von Instrumentendaten und das Datennutzerinterface.