Die TIDEx-Kampagne am Darwin-Gletscher: Teil 1 - Vom grauen Herbst Mitteleuropas in den Frühling der Antarktis
Mehr als 18000 km bis nach Christchurch in Neuseeland, mit Zwischenstopps in Dubai und Sydney, und fast 4000 km weiter südwärts – dann erreiche ich mein Ziel am Darwin-Gletscher im Transarktischen Gebirge, kaum 1100 km vom Südpol entfernt. Die Gegend kenne ich gut, jedoch nur aus 515 km Höhe. Sie war in den letzten Jahren eines meiner hauptsächlichen Arbeitsgebiete mit TerraSAR-X und TanDEM-X, den beiden nationalen X-band Radarsatelliten. Mit Hilfe ihrer Daten habe ich versucht, die Gletscher, die dieses südlichste Hochgebirge durchziehen, besser zu verstehen. In den nächsten Wochen werde ich aber vor Ort sein und einen der zahlreichen Gletscher, den Darwin-Gletscher, im Rahmen der TIDEx-Kampagne (Transantarctic Ice Deflection Experiment) im Detail untersuchen.
Wir sind dort im Team unterwegs. Meine Mitstreiter sind Oliver Marsh, Christian Wild und Ekkehard Scheffler von Gateway Antarctica, dem Zentrum für Antarktische Studien der Universität von Canterbury in Christchurch, Neuseeland. Zusammen mit der Gruppe um Oliver Marsh habe ich Daten von TerraSAR-X genutzt, um Verformungen im Eis auf kurzen Zeitskalen zu kartieren. Jetzt wollen wir diese durch direkte Messungen am Gletscher ergänzen.
Der Gletscher „unserer Begierde“ ist Darwin. Mit einer Breite von etwa 6 km gehört er zu den kleineren Auslassgletschern, deren Einzugsgebiete im hochgelegenen ostantarktischen Eisplateau liegen. Diese durchqueren die Fjorde des Transantarktischen Gebirges um vor der Küste das Ross-Schelfeis zu bilden. Mit einer Fließgeschwindigkeit an der Oberfläche von 50 m/Jahr kann man ihn als typisch für andere Auslassgletscher ansehen, sodass die auf ihm gewonnenen Erkenntnisse auch auf andere Gletscher angewendet werden können. Gletscher, bei denen höhere Fließgeschwindigkeiten auftreten bilden oftmals große Gletscherspalten; eine Arbeit vor Ort wäre deshalb auch weitaus schwieriger.
Was wollen wir an Darwin untersuchen?
Unser Lager werden wir in der Nähe seiner Aufsetzzone aufschlagen. Sie definiert den Bereich, in welcher der Gletschergrund auf Meerwasser trifft und zu schwimmen beginnt. Über der Aufsetzzone verformen Gezeiten im Ozean das Eis elastisch. Die vorgenommenen Messungen werden sich über einen vollen Gezeitenzyklus von 14 Tagen erstrecken. Mit Hilfe von Tiltmetern und GPS-Empfängern bestimmen wir Änderungen der vertikalen Eisausrichtung. Die Messgeräte werden bei Ankunft installiert und am Ende der Kampagne wieder abgebaut. Zusätzliche Radarsondierungen erlauben uns Vergleiche mit früheren Messungen der Eisdicke sowie erstmals Untersuchungen darüber, wie Meerwasser im Bereich der Aufsetzzone das Eis des Gletschers an seiner Unterseite schmilzt. Die aus den Daten abgeleiteten Ergebnisse werden zum besseren Verständnis beitragen, wie Gezeiten den Gletschern an der Schnittstelle Ozean-Eis zusetzen und uns helfen, Satellitendaten korrekt zu interpretieren. Darüber aber später mehr sobald wir am Darwin-Gletscher mit unseren Arbeiten begonnen haben.
Zunächst werden wir die Antarktis auf der neuseeländischen Scott Base betreten. Dort sind vier Tage Aufenthalt vorgesehen, um uns im Rahmen eines kurzen Trainingsprogramms auf den folgenden 3-wöchigen Aufenthalt am Darwin-Gletscher vorzubereiten. Unsere Ankunft im Eis des Gletschers ist für den 5. November nach einem etwa 260 km langen Flug vorgesehen.
Dana Floricioiu beschäftigt sich seit langem mit der Fernerkundung der Kryosphäre anhand von Radaruntersuchungen. Seit dem Internationalen Polaren Jahr 2007-2008 kümmert sie sich am Institut für Methodik der Fernerkundung (IMF) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) auch um die Koordinierung der beiden nationalen Radarsatelliten TerraSAR-X und TanDEM-X im Rahmen internationaler polarer Messprogramme. Ihr Forschungsinteresse gilt der Eisdynamik von Gletschern in Arktis und Antarktis. Insbesondere befasst sie sich mit Auslassgletschern im Transantarktischen Gebirge.