Eisberg in der Größe Londons
Vom Brunt Eisschelf im antarktischen Weddellmeer hat sich ein Eisberg der Größe Londons (ca. 1500 km²) gelöst. Das Ereignis hatte sich angekündigt. Über viele Jahre wurde die Entwicklung der Bruchstrukturen mithilfe von Radarsatelliten beobachtet. So wurde bereits 2016/2017 die britische Station Halley von dem Bereich des jetzt entstandenen Eisbergs auf die landeinwärts gelegenen Schelfeisfläche verlegt.
Abb. 1: Animation von Sentinel-1A Aufnahmen von Januar 2017 bis Januar 2023. Copernicus Sentinel Data © ESA 2023.
Der von Süd nach Nord verlaufende Bruch „Chasm 1“ sowie der West-Ost verlaufende „Halloween Crack“ sind Beispiele für die große Eisschelfdynamik am Rande des Antarktischen Kontinents. Die Daten der Sentinel-1 Radarmission der ESA zeigen die zeitliche Dynamik im Verlauf der vergangenen fünf Jahre. Unabhängig von Wetter- und Lichtverhältnissen liefern diese und andere Radarsatelliten kontinuierlich Informationen über den Zustand von Eisschelfen der Antarktis und leisten so einen großen Beitrag zur Erforschung der Polarregionen. Auch der Deutsche Radarsatellit TerraSAR-X wird genutzt, um das Brunt-Eisschelf zu beobachten. TerraSAR-X dokumentierte hier vor knapp zwei Jahren das Abbruchereignis des Eisbergs A74. Das Forschungsschiff Polarstern war damals vor Ort, um den freigegebenen Meeresboden zu untersuchen. Die Radaraufnahmen dienten dabei u.a. auch als Navigationshilfe, da sie anders als ein Schiffsradar einen detaillierten und aktuellen Blick auf die Eissituation über viele Kilometer hinweg ermöglichen.
Weiterhin liefert TerraSAR-X seit 2018 alle elf Tage hochauflösende Aufnahmen der „McDonald Ice Rumples“ im Brunt Eisschelf. In diesem Bereich hat das Eis noch Kontakt zum Meeresboden. Da diese Kontaktflächen („pinning points“) das Fließverhalten und die Entwicklung des Eisschelfs erheblich beeinflussen, sind sie von besonderem Interesse für die Wissenschaft. Die Radaraufnahmen werden in Zusammenarbeit mit dem British Antarctic Survey analysiert. Noch ist nicht klar, wie das aktuelle Kalbungsereignis sich in den kommen Wochen und Monaten auf die Fließdynamik des Schelfeises in diesem neuralgischen Bereich auswirkt. Klar ist, dass trotz der rasanten Veränderungen, die andernorts in der Antarktis durchaus Anlass zur Sorge geben, das Kalben dieses neuen Eisbergs nicht in direktem Zusammenhang mit dem Klimawandel zu sehen ist. Auch Abbrüche dieser Größenordnung sind Teil der natürlichen Dynamik der antarktischen Eischelfe.