Krisenmanagementsystem für Naturkatastrophen
Krisensituationen erfordern ein fehlerfreies Zusammenspiel von Lagezentren, Einsatzkräften und Behörden. Bei großen Naturkatastrophen, komplexen Gefahrenlagen und länderübergreifenden Ereignissen geraten Einsatzkräfte schnell an ihre Grenzen. Im Projekt HEIMDALL entwickelte Methoden und Technologien können den Beteiligten helfen, sich auf solche Szenarien vorzubereiten und diese effektiv zu managen.
Bereits bevor ein Waldbrand, ein Hochwasser oder eine Hangrutschung eintritt, müssen die erwartbaren Szenarien durchdacht und mögliche Gegenmaßnahmen geplant werden. Nur so ist sichergestellt, dass Krisensituationen bestmöglich bewältigt werden können. Über die letzten dreieinhalb Jahre hat das EOC mit dem DLR-Institut für Kommunikation und Navigation sowie vierzehn europäischen Forschungs- und Industriepartnern in dem nun abgeschlossenen EU-Projekt HEIMDALL zusammengearbeitet, um Lösungen hierfür zu entwickeln. Die Nutzer – Zivilschutzorganisationen aus Spanien, Italien, Schottland und Dänemark – waren als Projektpartner eng im Projekt eingebunden, um ihren Bedarf zu formulieren und die Ergebnisse des Projekts praktisch zu evaluieren.
Das EOC hat im Zuge des Projekts mehrere Anwendungen beigetragen, die in einer digitalen Plattform gebündelt wurden. Das im Projekt entstandene Informationssystem soll Organisationen zukünftig helfen, Katastrophen besser zu überwachen, zu bewerten und zu prognostizieren.
Eine wichtige Informationsquelle bei Katastrophen sind Satellitendaten, u.a. des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus, die in Nahe-Echtzeit großflächig die betroffenen Gebiete erfassen können. Vom EOC wurden Prozessketten entwickelt, die optische, thermale und Radar-Satellitendaten ohne manuelle Interaktion analysieren und die abgeleiteten Daten automatisch an die HEIMDALL-Plattform übermitteln: z.B. die genaue Verortung und Schadenausmaße von Überflutungen oder Bränden.
Für eine detaillierte Risikobewertung wurde darüber hinaus vom EOC ein Verfahren entwickelt, das anhand von hochaufgelösten Gebäudedaten die betroffene Bevölkerung abschätzt. Die Wissenschaftler kombinierten hierfür OpenStreetMap-Daten, nationale Gebäudedatensätze und Laserscanning-Punktwolken, um typische räumliche Verteilungsmuster der Bevölkerung während einer Nacht- und Tagessituation abzubilden und so der Einsatzplanung eine Priorisierung ihrer Maßnahmen zu ermöglichen. In Zusammenarbeit mit den Zivilschutzorganisationen wurden zusätzlich besonders vulnerable Infrastruktureinrichtungen wie Schulen, Krankenhäuser, Altenheime sowie Industriekomplexe und Energieversorgungseinrichtungen klassifiziert. Auf Basis dieser Daten konnte ein Konzept zur Risikobewertung entwickelt werden. Dieses erlaubt individuell nach Naturgefahr, Gebäudeschäden und Infrastruktureinschränkungen abzuschätzen und so in Krisensituationen Risiken differenzierter zu bewerten und gezielt Maßnahmen zu treffen.
Um aus vergangenen Katastrophen zu lernen, wurden die Daten der analysierten Naturkatastrophen, wie ihr raum-zeitlicher Verlauf, Wetterdaten sowie Einsatzpläne in einer Szenariendatenbank zusammengefasst. Mit Hilfe eines vom EOC entwickelten Werkzeugs können die Nutzer nun auf diese Szenarien zugreifen, Katastrophen vergleichen, aus früheren Situationen und Erfahrungen lernen und Handlungsstrategien und Maßnahmen anpassen.
Das HEIMDALL-Informationssystem wurde Ende Januar 2021 zum Abschluss des Projekts in einer internationalen und realitätsnahen Katastrophenübung demonstriert. In einem Kontrollzentrum der katalanischen Feuerwehr- und Rettungsdienste wurde ein länderübergreifendes Waldbrand- sowie Hochwasserereignis für die verschiedenen Phasen des Desaster-Management-Zyklus simuliert.
Die Nutzer zeigten sich von dem entwickelten System überzeugt: „Mit der heute durchgeführten Demonstration haben wir gesehen, dass diese Plattform die Erwartungen perfekt erfüllt und als Koordinationswerkzeug hat sie sich als sehr effizient erwiesen." So z.B. Quim de Diego von der katalanischen Polizei, der an der Übung teilgenommen hat.