Künftig mehr Extremereignisse durch Veränderungen in der Stratosphäre?
Kühle, feuchte Luftmassen aus dem Norden sorgten in den vergangenen Wochen für starken Schneefall in den Alpen (siehe Animation). Prinzipiell keine außergewöhnliche Wetterlage, wenn sie nicht derart lange angehalten hätte. Auch im Februar / März letzten Jahres gab es viel Schnee im Osten Europas, es war zudem besonders kalt. Ursache für solche Extremereignisse können Veränderungen in der Stratosphäre sein. Forscher des EOC gehen davon aus, dass diese in Zukunft häufiger auftreten werden.
Die Stratosphäre liegt in einer Höhe zwischen etwa zehn und 50 Kilometern oberhalb der Troposphäre, in der sich unser Wettergeschehen abspielt. In dieser Höhe entstehen im Winter über den Polen starke Windströmungen um den gesamten Globus. Ihre Ursache haben diese Windgürtel in Ausgleichsströmungen zwischen den äquatorialen Regionen und den polaren Breiten. Obschon der Ausgleich zwischen Norden und Süden stattfindet, resultiert ein starkes Windband von West nach Ost, der Polarwirbel. Schuld daran ist die Corioliskraft. Da sich äquatoriale Gebiete mit der Erddrehung schneller bewegen als polare Gebiete, bekommen die Windpakete von dort so viel „Schwung“ in östliche Richtung mit, dass eine Westdrift entsteht. Innerhalb des so entstehenden Polarwirbels sind die Luftmassen isoliert und können sehr kalt werden. Durch Störungen beginnt der zunächst kreisförmige Polarwirbel, Wellen zu schlagen. Diese „planetaren Wellen“ sind für den steten Wechsel unserer Großwetterlagen verantwortlich und können im Winter auch eisige Polarluft aus dem Zentrum des Polarwirbels nach Europa bringen.
Nun gibt es in der Atmosphäre ein ganzes Spektrum an Wellen, die sich unterschiedlich schnell über unseren Köpfen hinweg bewegen. Überlagern diese sich so, dass sie sich verstärken, können sie sich soweit aufschaukeln, dass die planetaren Wellen letztlich brechen. Die freiwerdende Wellenenergie führt zur Erwärmung der Stratosphäre. Spontan, binnen weniger Tage, steigen dann die Temperaturen in einer Höhe von etwa 20-40 Kilometer in der polaren Stratosphäre um mehr als 50 Grad Celsius an. Der Polarwirbel wird durch das Brechen der planetaren Wellen also massiv gestört, was auch das Wettergeschehen in der Troposphäre beeinflussen kann.
Eine solche Stratosphärenerwärmung wurde auch im Februar 2018 beobachtet. Hier ist die zuvor erhöhte Aktivität der Wellen um den 7. Februar 2018 stark eingebrochen (siehe Abbildung 1).
Durch die freiwerdende Energie und den Impuls beim Brechen wurde der Polarwirbel geschwächt, verschoben und letztendlich aufgespalten. Die beiden eigenständigen Wirbel verlagerten sich südwärts und brauchten lange, um sich wieder zu vereinen. Dadurch halten sie sich solche Teilwirbel vergleichsweise lange über derselben Region auf und führen zu Extremwetterereignissen. Auch Anfang dieses Jahres hat sich der Wirbel geteilt (siehe Abbildung 2).
Doch eine Stratosphärenerwärmung muss nicht immer Kälte und Schnee nach Europa bringen. Es kommt darauf an, über welcher Region sich die beiden Tiefdruckgebilde aufhalten.
Derzeit steigen die Temperaturen an den Polen deutlich stärker als in der Äquatorregion. Der Temperaturunterschied zwischen Nord und Süd wird geringer und nimmt um etwa 0,7 Kelvin bzw. Grad Celsius pro Dekade ab (siehe Abbildung 3).
Dadurch verändern sich die Anregung und Ausbreitungsbedingungen der planetaren Wellen. Eine Analyse des EOC über die letzten vierzig Jahre zeigt eine Zunahme der Wellenaktivität in der Stratosphäre. Dadurch erwarten die Forscher am EOC das auch Stratosphärenerwärmungen künftig häufiger auftreten werden. Der Zusammenhang zwischen Extremwetterereignissen und den planetaren Wellen wird in dem vom bayerischen Staatsministerium für Umwelt- und Verbraucherschutz geförderten Projekt WAVE genauer untersucht.