NDMC - an der Grenze zum Weltraum DFD richtet Symposium aus
Etwa 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 10 verschiedenen Ländern kommen vom 20. bis zum 22. Mai auf Einladung des DFD in Grainau, am Fuße der Zugspitze, zusammen, um sich gegenseitig über den Stand ihrer Forschung zu informieren und offene Fragen zu diskutieren.
Die Wissenschaftler sind Teil des internationalen Programms „NDMC – Network for the Detection of Mesospheric Change“. Die Mesosphäre, das ist der Höhenbereich von etwa 50 bis 100 Kilometern, ist eine Region, die für Messungen nicht einfach zugänglich ist. Flugzeuge und Ballone etwa erreichen diese Höhen nicht mehr. So kommt es, dass dieses Stockwerk der Erdatmosphäre zu den am wenigsten erforschten Regionen unseres Planeten gehört – ganz ähnlich wie etwa die tiefsten Schichten unserer Ozeane.
Zusammengeschlossen haben sich im Jahre 2007 Wissenschaftler aus aller Welt, die über Messinstrumente verfügen, mit denen sie diesen fernen Höhenbereich beobachten können. Dazu gehören Instrumente wie etwa Spektrometer, Radiometer oder Laser, die über einen ausgedehnten Bereich des sichtbaren und infraroten elektromagnetischen Spektrums messen können. Die Signale können wie Fingerabdrücke gelesen werden und erlauben Rückschlüsse auf Temperatur, Wind und Spurenstoffe. Gegenwärtig sind an NDMC etwa 50 Wissenschaftlergruppen aus 20 Nationen beteiligt.
Warum ist dieser Höhenbereich aber so interessant?
Zentrale Fragestellungen betreffen zum Beispiel das Thema der Klimavariabilität: Anders als an der Oberfläche führt eine Erhöhung der CO2 – Konzentration in der Atmosphäre zu einer Abkühlung in diesem Höhenbereich. Das Interessante daran: die Abkühlung sollte deutlich stärker ausfallen - etwa um eine Größenordnung - als die Erwärmung an der Oberfläche. Damit wird klar: die Temperaturentwicklung in der Mesosphäre könnte quasi als Frühindikator für Klimaveränderungen dienen. Trends könnten wegen der stärkeren Veränderungen schneller verlässlich erkannt werden als es Messungen an der Oberfläche zulassen.
Wegen der vergleichsweise geringen Dichte in diesem Teil der Atmosphäre – der Luftdruck beträgt in 100 Kilometern nur noch etwa ein Millionstel des Luftdrucks an der Oberfläche – können viele grundlegende physikalische Prozesse viel besser studiert werden als in den unteren Stockwerken der Atmosphäre.
Ein Beispiel sind etwa atmosphärische Wellen. Ganz ähnlich wie auf der Wasseroberfläche können sich Wellen auch in der Atmosphäre ausbilden. Diese werden erzeugt etwa durch die Überströmung von Land-See-Übergängen, von Gebirgszügen oder von warmen Regionen. Einmal erzeugt, wandern diese Wellen über weite Strecken durch die Atmosphäre. Sie transportieren dabei Energie und Impuls. Gewissermaßen als Kurier verbinden sie so verschiedene Atmosphärenbereiche miteinander. Ein Aspekt, der bei der Formulierung von computergestützten Klimamodellen unbedingt berücksichtigt werden muss, um die Zielgenauigkeit von Prognosen zu verbessern. Wegen der abnehmenden Luftdichte mit zunehmender Höhe, sind diese Wellen in der Mesosphäre deutlich stärker ausgeprägt als in den unteren Stockwerken der Atmosphäre: die Mesosphäre dient gewissermaßen als „Vergrösserungsglas“ zur Beobachtung atmosphärischer Wellen. Wir können die Mesosphäre gewissermaßen als Labor zur Untersuchung grundlagenphysikalischer Fragen nutzen.
Welche wissenschaftlichen Interessen verfolgt dabei das DFD in NDMC?
Verschiedene chemische und photochemische Reaktionen führen im Höhenbereich von etwa 80-100 Kilometern (die sogenannte Mesopause – quasi der Übergang zum Weltraum) zu einer den Planeten umspannenden leuchtenden Luftschicht, dem sogenannten „Airglow“. Ursache sind sogenannte Hydroxyl-Moleküle (OH), die bei ihrer Bildung angeregt werden. Die Abgabe der zugeführten Energie erfolgt durch Abgabe von Licht im sichtbaren und infraroten Spektralbereich.
Mit dem bodengebundenen Infrarot-Spektrometer GRIPS kann dieses Licht erfasst und auf die Temperatur in dieser großen Höhe geschlossen werden. Diese Messungen werden in arbeitsteiliger Kooperation mit der Professur für Atmosphärenfernerkundung am Institut für Physik der Universität Augsburg, routinemäßig von der Umweltforschungsstation auf der Zugspitze aus durchgeführt und vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, BayStMUV, unterstützt. (Anmerkung: Das DLR ist Konsortialpartner in der UFS).
Die Langzeitbeobachtung der Temperatur in der Mesopausenregion trägt bei zur Verfolgung und zum Verständnis sowie zur Früherkennung von Temperaturtrends.
Weitere Forschungsaspekte werden in Kooperation mit der Universität Augsburg auf der Grundlage dieser Airglow-Daten verfolgt:
- Reduktion von Fehlarmen bei Tsunamiereignissen
Gegenwärtig wird bei jedem stärkeren Seebeben Tsunamialarm ausgelöst. Häufig jedoch sind solche Beben nicht mit einer vertikalen Hebung des Seebodens verbunden, so dass keine Wassermassen vertikal angehoben werden. In diesem Fall entsteht kein Tsunami.
Bei einer vertikalen Hebung der Wasseroberfläche wird – analog einer Lautsprechermembran – Infraschall in die Atmosphäre eingekoppelt. Dieser Läuft mit Schallgeschwindigkeit und erreicht nach etwa 5 Minuten 90 Kilometer Höhe. Der Schall ist eine Dichtwelle und hinterlässt eine Spur im Luftleuchten (Airglow-Flimmern). GRIPS kann das erkennen.
Wird also über dem Epizentrum nach etwa 5 Minuten kein Airglow-Flimmern beobachtet, so wurde kein Tsunami erzeugt. Eine Warnung muss nicht herausgegeben werden. - Verbesserung der Prognosegenauigkeit von Lebensdauer, Intensität und Zugbahn starker Sturmsysteme (insbesondere Vb-Wetterlagen, die regelmässig zu Starkniederschlägen / Hochwasser in Süddeutschland führen).
Ähnlich wie der Rotor eines Hubschraubers erzeugt ein starker Zyklon Wellen in der Atmosphäre. Hier handelt es sich insbesondere um Infraschallwellen (tieftoniger, also nicht hörbarer Schall) und sogenannte Schwerewellen (vertikal schwingende Luftpakete). Je stärker diese Wellen angeregt sind, desto stärker muss der zugrunde liegende Zyklon sein. Entwickelt werden Verfahren, um auf der Grundlage der o.g. GRIPS-Technologie vom Satelliten aus diese Wellen über einem Zyklon kontinuierlich zu erfassen. Daraus kann auf den Zustand des Zyklons selbst geschlossen werden. Diese Information geht dann direkt in Prognosemodell ein.
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