Messflug in 36 000 Metern Höhe
Am 7. September startete in Timmins in Kanada um 15:00 Uhr Lokalzeit ein 400.000 Kubikmeter großer Helium-Ballon. An Bord: das Instrument TELIS des Instituts für Methodik der Fernerkundung. Der Ballon erreichte auf seinem 19-stündigen Messflug Höhen von bis zu 36 Kilometern. Ziel des Fluges war die Messung des Brom-Gehalts der Stratosphäre. Bromverbindungen haben ein hohes Ozonabbau-Potential: hundertfach größer als das von Chlor. Etwa die Hälfte des Broms in der Atmosphäre wurde von Menschen eingebracht. Die Wissenschaftler sind neben dem Brom-Gehalt an dessen Verteilung auf die verschieden chemischen Verbindungen und der tageszeitlichen Dynamik des Elements interessiert.
Neben TELIS kamen die Instrumente MIPAS-B2 (Michelson Interferometer for Passive Atmospheric Sounding) des Karlsruher Institut für Technologie und mini-DOAS (Differential Optical Absorption Spectroscopy) der Universität Heidelberg zum Einsatz. Zusammen bilden die Instrumente eine Chemiemission der Tropopause/Stratosphäre, die weltweit einzigartig ist.
Bei TELIS (Terahertz and submillimeter LImbSounder) handelt es sich um ein mit flüssigem Helium gekühltes Zweikanal-Heterodynspektrometer. Optik, Mechanik und Steuerung, sowie der der Terahertz Kanal (1800-1900 GHz) des Instruments wurden am DLR entwickelt. Das Institute for Space Research (SRON) der Niederlande hat den 500-650 GHz Kanal beigestellt. An der Entwicklung von TELIS wirkten im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit die Universität Bern (Schweiz), die Chalmers University (Schweden), das Rutherford Appleton Laboratory (Großbritannien) und das Jet Propulsion Laboratory (USA) mit.
TELIS arbeitet im Tangentialsondierungsmodus, bei dem sich der Beobachter oberhalb der zu messenden Atmosphärenschichten befindet und Spektren bei verschiedenen Tangentenhöhen des flach nach unten gerichteten Sichtstrahls gemessen werden Die Höhenauflösung des Verfahrens beträgt ca. zwei Kilometer. Dazu wird TELIS auf einem Stratosphärenballon betrieben. TELIS befindet sich auf der Gondel des seit 20 Jahren erprobten Fourier-Transform Spektrometers MIPAS-B2 des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung des KIT Karlsruhe. TELIS misst die thermische Emission von Moleküllinien vor dem kalten kosmischen Hintergrund und liefert dabei Konzentrationsprofile von OH, HO2, ClO, BrO, HCl, CO, O3, H216O, HDO, H218O, H217O und HOCl.
Die Instrumentenkombination deckt die für die Bromchemie relevanten Spezies ab. Während mini-DOAS Bromoxid, BrO, im UV (bei ca. 330 nm) misst, erfasst TELIS reine Rotationsübergänge von BrO im subMMW-Bereich (bei 480 µm). MIPAS-B2 misst Bromnitrat, BrONO2 im mittleren Infrarotbereich (bei 12.5 µm). Aufgrund der geringen Menge von BrO ist seine Beobachtung schwierig und die gegenseitige Validierung essentiell.
Substanzen, die Brom enthalten, können die Ozonschicht abbauen. Ihre Emission ist nur etwa zur Hälfte natürlichen Ursprungs. Der Rest stammte beispielsweise aus Brandschutzmaterialien, Feuerlöschern, Pestiziden und Fungiziden. Obwohl die Konzentration von Brom in der Stratosphäre – der zweiten Schicht der Erdatmosphäre – mehr als rund hundertmal geringer ist als die Konzentration von ebenfalls ozonschädlichem Chlor, ist die Wirkung auf die Ozonschicht vergleichbar. Denn Brom wird unter dem Einfluss von Licht viel leichter aus seinem Reservoir Bromnitrat in eine aktive Form umgewandelt als Chlor aus seinem Reservoir Chlornitrat.
Dank des Montrealer Protokolls über die Reduzierung der Produktion ozonschädlicher Stoffe, das 1989 in Kraft trat, nimmt die Gesamtmenge von Chlor in der Stratosphäre seit den 1990er-Jahren ab. Die Menge von Brom in der Stratosphäre, sowie wichtige Details seiner Photochemie sind bis jetzt weniger gut als bei Chlor erforscht. So gibt es bisher keine simultane Messung der wichtigsten Bromsubstanzen Bromoxid (BrO) und Bromnitrat (BrONO2). Dies erschwert die Bestimmung der Gesamtmenge von Brom in der Stratosphäre sowie die Einschätzung der Gefährlichkeit von Brom.
Der Messflug liefert wichtige Daten für ein besseres Verständnis des Bromhaushaltes der Atmosphäre und den dadurch verursachten Ozonabbau.