TerraSAR-X-Bild des Monats: Istanbul - "Flächenfraß" einer Metropole
Wie viele Menschen in Istanbul leben, weiß niemand so ganz genau: Rund 15 Millionen sollen es sein, die in der Stadt auf zwei Kontinenten leben. Die Aufnahme des Radarsatelliten TerraSAR-X des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) zeigt den Stadtplanern dafür etwas anderes umso genauer - nämlich wie sehr die Stadt am Bosporus sich mittlerweile flächenmäßig ausbreitet.

Baedekers Handbuch für Reisende von 1914 gibt präzise Anforderungen: "Der Anzug, in dem man die Touren in Kleinasien macht, muss etwas aushalten können, das Schuhwerk stark sein." Ein Ratschlag, der auch noch heute gilt, wenn man Istanbul zu Fuß erkunden will. Bereits über 1800 Quadratkilometer groß, erobert sich die türkische Großstadt zunehmend mehr Raum und breitet sich mit immer neuen Stadtteilen ins Hinterland aus. In der Aufnahme des deutschen Radarsatelliten TerraSAR-X sind die urban besiedelten Gebiete gelb eingefärbt. "In Istanbul ist die Stadtfläche sehr kleinteilig und extrem heterogen", sagt Hannes Taubenböck vom Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des DLR. "Flächenfraß" nennt der Wissenschaftler das, was rund um Metropolen wie Istanbul geschieht. "TerraSAR-X hilft dabei, die urbanisierten Areale aus dem Weltall zu identifizieren." Die Radarstrahlen des Satelliten werden von den Gebäuden einer Stadt deutlich anders zum empfangenden Satelliten reflektiert als beispielsweise von unbebauten Flächen.
Blick in die Zukunf
Der Blick, den TerraSAR-X aus über 500 Kilometern Höhe auf die Stadt am Bosporus wirft, ist präzise. So ist im Westen der Flughafen zu erkennen, dessen Lande- und Startbahnen die Radarimpulse weit vom Satelliten wegreflektieren - dadurch erscheinen die asphaltierten Flächen als schwarze Linien. Die Gebiete auf beiden Seiten des Bosporus, der Wasserstraße zwischen Schwarzem Meer und Marmara-Meer, wirken hingegen in der grünen und gelben Einfärbung wie schwerer Brokatstoff. Dort, wo das Gelbe dominiert, stehen die Häuser dicht an dicht. "Dazu haben vor allem die beiden Bosporus-Brücken beigetragen", erläutert Taubenböck die Stadtentwicklung. Seit 1973 verbindet die Bosporus-Hängebrücke den asiatischen mit dem europäischen Teil der Stadt, 1988 kam die Fatih-Sultan-Mehmet-Brücke dazu. "Durch diese Anbindung an das Stadtzentrum auf dem europäischen Kontinent ist der asiatische Teil unheimlich gewachsen." Weit bis zum Schwarzen Meer hinauf schlängelt sich die Bebauung entlang des Bosporus. In der Innenstadt selbst sind nur wenige Flächen unbebaut und somit grün eingefärbt. So zum Beispiel an der Landzunge, an der das Goldene Horn, eine Bucht, in den europäischen Teil hineinreicht: Dort befindet sich - mit einem exklusiven Panoramablick auf die Stadt und wenig Nachbarschaft - der ehemalige Wohn- und Regierungssitz der Sultane, der Topkapi-Palast. Aber selbst die Schiffe, die auf dem Marmara-Meer oder durch den Bosporus fahren, entgehen den Radaraugen von TerraSAR-X nicht
"In den letzten 35 Jahren hat sich die Fläche von Istanbul verdreifacht", sagt DLRWissenschaftler Hannes Taubenböck. Solche Veränderungen könne man am besten durch eine flächendeckende Erdbeobachtung verfolgen und auswerten. Die Daten helfen den Forschern aber nicht nur bei der Identifizierung von urbanen Arealen. "Wir können auch erkennen, wie eine Stadt strukturiert ist. Wie dicht stehen die Gebäude? Welche Gebäudetypen gibt es? Wie viele Menschen leben dort?" Dafür ist es notwendig, vor Ort kleinere Gebiete genauer zu erfassen, den Zustand der Häuser und die Anzahl der Bewohner festzustellen. Anschließend können diese Daten dann mit den Erdbeobachtungsdaten in Bezug gesetzt und auf das gesamte Stadtgebiet hochgerechnet werden. "TerraSAR-X ist dabei ein wichtiger Lieferant für Daten, die man dann tiefergehend und interdisziplinär auswertet." Für Hannes Taubenböck ist die Analyse von Städten wie Istanbul vor allem eines: "Megastädte sind für uns ein Blick in die Zukunft, was wir also für explosiv wachsende Städte zu erwarten haben, die heute ‚erst’ bei zwei bis fünf Millionen Einwohner sind."
The TerraSAR-X mission
TerraSAR-X ist der erste deutsche Satellit, der im Rahmen einer so genannten öffentlich-privaten Partnerschaft zwischen dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Astrium GmbH in Friedrichshafen hergestellt wurde. Der Satellit umkreist die Erde in einer polaren Umlaufbahn und zeichnet mit seiner aktiven Antenne einzigartige, hochwertige X-Band-Radardaten über den gesamten Planeten auf. TerraSAR-X arbeitet unabhängig von Wetterbedingungen, Wolkenbedeckung oder fehlendem Tageslicht und ist in der Lage, Radardaten mit einer Auflösung von bis zu einem Meter zu liefern.
Das DLR ist für die Nutzung der TerraSAR-X-Daten für wissenschaftliche Zwecke verantwortlich. Es ist auch für die Planung und Durchführung der Mission sowie für die Steuerung des Satelliten verantwortlich. Astrium hat den Satelliten gebaut und beteiligt sich an den Kosten für die Entwicklung und Nutzung des Satelliten. Die Infoterra GmbH, ein eigens von Astrium gegründetes Tochterunternehmen, ist für die kommerzielle Vermarktung der Daten zuständig.
