Einfluss von Mikrogravitation auf die Ca2+-Signatur gravitropisch stimulierter Arabidopsis-Keimlinge

Pflanzen reagieren auf viele Umweltreize durch Umprogrammierung von Wachstumsprozessen. So krümmen sich Pflanzen mit ihrem Spross zu einer Lichtquelle hin, während sich die Wurzel von der Lichtquelle wegentwickelt. Dieser Vorgang wird als Fototropismus bezeichnet. Das gleiche gilt für den Gravitropismus, der Wahrnehmung und Reaktion auf einen Schwerkraftreiz.

Beim Spross spricht man vom negativen Gravitropismus, also Wachstum gegen den Schwerkraftreiz und damit in unserer Wahrnehmung Wachstum nach oben, während die Wurzel in Richtung des Schwerkraftvektors nach unten wächst und sich damit positiv gravitrop verhält. Besonders gut kann man dies beobachten, wenn vertikal gewachsene Pflanzen auf die Seite gelegt werden: Dann krümmt sich der Spross nach oben und richtet sich auf um anschließend wieder gerade nach oben zu wachsen, während sich die Wurzel nach unten krümmt um wieder vertikal nach unten wachsen zu können.

Obwohl beide Reize sehr unterschiedlich sind (auf der einen Seite Licht und auf der anderen Seite die Gravitation), läuft die durch die beiden unterschiedlichen Reize ausgelöste Krümmungsreaktion über die gleiche physiologische Prozesskette. Das bedeutet, dass bei der Informationsweiterleitung von Licht- und Gravitationsreiz beide an einer Stelle zusammenkommen müssen. Von dort an kommt es in beiden Fällen an der dem Reiz zugewandten Seite (unten/hell) und der reizabgewandten Seite (dunkel/oben) zu einer asymmetrischen Streckung von Zellen. Dabei konkurrieren beide Reize um den Grad der Krümmung. Dieses Phänomen kann man häufig an Fensterpflanzen beobachten: Der Krümmungswinkel ist hier die Kraftresultierende aus dem foto- und gravitationsinduzierten Stimulus.

Das genaue Zusammenspiel von fototroper und gravitroper Signalwandlung in höheren Pflanzen ist aber bisher nur in Teilen verstanden. Während die späteren Prozesse, wie die durch das Pflanzenhormon Auxin gesteuerte Krümmung von Wurzel und Spross auf molekularer Ebene mittlerweile gut verstanden sind, ist die Abfolge der initialen Prozesse und die Verbindung zur Reorganisation von Auxin durch Licht und den Gravitationsvektor größtenteils noch unverstanden.

Bei den frühen Reaktionen ist allerdings bekannt, dass sowohl beim Gravitropismus als auch beim Fototropismus die asymmetrische Freisetzung von Calcium-Ionen in verschiedenen Gewebebereichen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten eine zentrale Rolle spielt.

So ist die schnellste Reaktion, die sich in höheren Pflanzen unmittelbar nach einem gravitropen Reiz messen lässt, eine biphasische transiente Ca2+-Mobilisierung über 3 Minuten. Der erste Ca2+-Impuls ist reizunspezifisch, während der zweite, um ca. 90 s verzögerte Impuls spezifisch für einen gravitopen Stimulus und damit für die Pflanze als Erkennungssignal für eine Veränderung des Gravitationsvektors besonders relevant ist. Mit diesem Verfahren unterscheidet die Pflanze eine kurze Änderung ihrer Position im Raum (z.B. durch einen Windstoß) von einer langfristigen Veränderung im Schwerefeld, wie zum Beispiel einer horizontalen Lagerung.

Unter µg-Bedingungen und damit in Abwesenheit des Gravitationsvektors fehlt der Pflanze die Raumorientierung und die Ca2+-Freisetzung ist gestört. Wir nutzen diesen Umstand und untersuchen im Rahmen des Projekts MIGACARE während dieser Parabelflugkampagne die Funktion von bestimmten Signalproteinen, die an diesem Prozess beteiligt sind. Dazu wird die Freisetzung der Calcium -Ionen in situ mit einem Biolumineszenzverfahren auf Aequorin-Basis in verschieden Mutanten untersucht, die an der gravitropen Signalwandlung beteiligt sind, um nähere Informationen zu erhalten, welche Proteine wie an der Wahrnehmung des Gravitropismus beteiligt sind.

Ein Fokus bei diesen Untersuchungen liegt auf dem Protein EHB1 (EnHanced Bending 1), welches zum einen über zwei Ca2+-Bindestellen verfügt, gleichzeitig aber die gravitationsinduzierte Freisetzung von Calcium-Ionen beeinflusst, die für die Krümmung verantwortlich sind. In Pflanzen, in denen dieses Protein fehlt, wird unter normalen Gravitationsbedingungen die lichtinduzierte Krümmungsreaktion verstärkt, während die gravitationsinduzierte asymmetrische Calcium-Verteilung in diesen Pflanzen ausbleibt. Wir interessieren uns bei dieser Parabelflug-Projekt dafür, wie Pflanzen sich in Ihrer Calciumsignatur unterscheiden, denen EHB1 fehlt bzw. die dieses Protein überexprimieren und erhoffen uns mit diesem Ansatz mehr über die Funktionalität dieses Proteins an der Schnittstelle zwischen Gravi- und Fototropismus zu verstehen.