Weltraummüll

ESA

Eine potenzielle Gefahr für die Raumfahrt

Seit dem Start des ersten Satelliten in eine Erdumlaufbahn haben Raumfahrtaktivitäten dazu geführt, dass eine Vielzahl von Objekten im Erdorbit zurückgeblieben ist. Ihre Anzahl steigt seither an. Dieser Weltraummüll ist ein unerwünschtes Nebenprodukt der Raumfahrt, weil er diese behindert, aber auch zu Schäden auf dem Erdboden führen kann.

Es ist wichtig, ein besseres Verständnis der Situation und möglicher Auswirkungen auf Satelliten und die Erde zu erhalten. Deshalb fördert die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR im Rahmen des Programms „Raumfahrtsysteme und Robotik“ Forschungsaktivitäten im Bereich Weltraummüll. Die Deutsche Raumfahrtagentur ist außerdem aktiv in internationalen Gremien tätig, die sich mit Fragestellungen rund um Weltraummüll beschäftigen. Ein Ziel dieses Engagements ist es, durch internationale Vereinbarungen Maßnahmen gegen die Erzeugung von Weltraummüll zu ergreifen.

Was ist Weltraummüll?

Weltraummüll, im Englischen als „Space Debris“ oder „Orbital Debris“ bezeichnet, umfasst alle von Menschen produzierten Objekte, die sich in einer Erdumlaufbahn befinden, aber keine Funktion erfüllen. Typische Beispiele für Weltraummüll sind ausgediente Raketenoberstufen und abgeschaltete Satelliten, aber auch das verlorene Werkzeug eines Astronauten gehört dazu. Zahlenmäßig den größten Beitrag machen jedoch Trümmerteile aus, die durch Explosionen, das Auseinanderbrechen von Raumfahrzeugen oder Kollisionen im Orbit entstehen.

Derzeit umkreisen etwa 29.000 erfasste und katalogisierte Teile die Erde in einer Umlaufbahn. Typischerweise haben diese Objekte einen Durchmesser von mindestens zehn Zentimetern. Anhand von Modellen – wie etwa dem in Deutschland entwickelten ESA-MASTER-Modell – schätzen Wissenschaftler, dass sich insgesamt etwa eine Millionen Teile, die größer als ein Zentimeter und 330 Millionen Teilchen, die größer als ein Millimeter sind, in der Erdumlaufbahn befinden.

Wie wird Weltraummüll beobachtet?

Objekte mit einem Durchmesser von über zehn Zentimetern werden routinemäßig durch ein Netzwerk von Radaranlagen und Teleskopen vermessen und katalogisiert. Diese Überwachungsstationen werden von den USA betrieben. Mit der deutschen Großradaranlage TIRA in Wachtberg bei Bonn kann man sogar kleinere Trümmerteilchen bis zu einem Durchmesser von etwa zwei Zentimetern aufspüren. Solche Messungen werden benutzt, um statistische Modelle über die Anzahl der Kleinteile zu überprüfen. Demselben Zweck dienen Untersuchungen an Satelliten-Teilen, die zur Erde zurückgebracht wurden, wie beispielsweise vom Hubble-Weltraumteleskop. Auf diesen fanden sich zahlreiche Einschläge mikrometer- bis millimetergroßer Partikel.

Ist Weltraummüll gleichmäßig um die Erde verteilt?

Nein. Die Dichte des Weltraummülls im Erdorbit, also die Teilchenanzahl pro Kubikkilometer, ist sehr unterschiedlich. Dort, wo die meisten Raumfahrt-Aktivitäten stattfinden, entsteht auch der meiste Weltraummüll. Die größte Dichte findet man deshalb in 800 bis 900 Kilometern Höhe. Dies sind Orbits, die häufig von Erdbeobachtungssatelliten, wie etwa dem europäischen Umweltsatellit Sentinel-5P, benutzt werden. Die Internationale Raumstation ISS befindet sich auf einem niedrigeren Orbit in rund 350 Kilometern Höhe. Dort beträgt die Dichte des Weltraummülls weniger als ein Zehntel der Dichte in 900 Kilometern. Weltraummüll in solch niedrigen Orbits tritt auch relativ schnell wieder in die Erdatmosphäre ein und verglüht, so dass dort ein „natürlicher Reinigungseffekt“ auftritt.

Explosion im Weltraum
Bislang haben sich im Weltraum mehr als 200 Explosionen durch Satelliten und Raketenteile ereignet.
Credit:

ESA

DownloadDownload

Ist die Internationale Raumstation ISS gegen Orbital Debris geschützt?

Die ISS ist so ausgelegt, dass sie Einschlägen von Weltraummüll-Teilen von bis zu etwa einem Zentimeter Durchmesser standhalten kann. Tatsächlich hat man sogar bereits etliche kleinere Schäden von Einschlägen millimetergroßer Teile an der Internationalen Raumstation feststellen können. Bei größeren Weltraummüll-Teilen, deren Bahnen bekannt sind, wird regelmäßig geprüft, ob diese eine Gefahr für die ISS darstellen. Wenn das Risiko einer Kollision zu groß wird, dann muss die ISS ein Ausweichmanöver durchführen. Solche Ausweichmanöver werden auch mit Satelliten wie Sentinel-5P oder den deutschen Radarsatelliten TerraSAR-X und Tandem-X, durchgeführt.

Welches Risiko stellt Weltraummüll für die Raumfahrt ganz allgemein dar?

Im Allgemeinen ist das Risiko für die Raumfahrt noch nicht sehr groß. Häufig kommt es zu Einschlägen von Kleinstpartikeln (bis zu einem Millimeter Durchmesser) auf Satelliten, die jedoch keinen oder nur einen sehr geringen Effekt auf das Raumfahrzeug haben. Es sind aber bereits einige Kollisionen bekannt, bei denen es zu größeren Schäden im Weltraum kam. Das erste und bisher einzige Ereignis, in dem zwei noch intakte Raumfahrzeuge kollidiert sind, fand am 10. Februar 2009 statt. Der aktive amerikanische Satellit Iridium 33 kollidierte dabei mit dem abgeschalteten russischen Satelliten Cosmos 2251. Bis heute hat man fast 1700 Trümmerteile identifiziert, die bei dieser Kollision entstanden sind. Hinzu kommt noch eine Vielzahl von Kleinteilen, die nicht erfasst sind.

Wie lange verbleibt Weltraummüll im Erdorbit?

Die Verweildauer eines Objekts im Orbit hängt stark von der Bahnhöhe ab. Die Teile verlieren durch die Reibung an der dünnen Restatmosphäre der Erde an Höhe. Die Dichte der Erdatmosphäre nimmt aber mit steigender Bahnhöhe stark ab, so dass die Bremswirkung dort geringer wird. In 400 Kilometern Bahnhöhe bleibt Weltraummüll für etwa ein Jahr im Weltraum. Ein Beispiel ist die Werkzeugtasche, die eine amerikanische Astronautin während eines Außeneinsatzes an der ISS am 18. November 2008 in etwa 350 Kilometern Bahnhöhe verloren hatte. Weniger als ein Jahr später, am 3. August 2009, trat das Objekt in die Erdatmosphäre ein und verglühte vollständig. Die Lebensdauer von Teilen in 800 Kilometern Bahnhöhe kann bereits 150 Jahre und mehr betragen.

Neben der Bahnhöhe gibt es noch weitere Faktoren, die sich auf die Lebensdauer auswirken. So beeinflussen Form und Gewicht eines Trümmerstücks den Bahnverlauf. Flache, dünne Teile treten schneller in die Erdatmosphäre ein als kompakte Objekte. Dies ist vergleichbar mit dem Wurf eines Blatts Papier. Versucht man einen Zettel zu werfen, so wird er sehr schnell durch den Luftwiderstand abgebremst und fällt zu Boden. Knüllt man den Zettel zusammen, so kann man ihn leicht einige Meter weit werfen. Das liegt daran, dass der zusammen geknüllte Zettel bei gleichem Gewicht einen viel geringeren Luftwiderstand hat.

Schließlich hat auch die Sonne Einfluss auf die Verweildauer im Orbit. Die Aktivität der Sonne ist nicht konstant, sondern nimmt in einem etwa elfjährigen Zyklus ab und wieder zu. Größere Sonnenaktivität führt dazu, dass sich die Erdatmosphäre weiter ausdehnt. Dadurch wird der Luftwiderstand der Atmosphäre größer und die Bahnhöhe von Weltraumtrümmern und Satelliten sinkt schneller ab. Dies führt auch dazu, dass in Zeiten starker Sonnenaktivität mehr Weltraummüll wieder eintritt als bei schwächerer Sonnenaktivität.

Einschlag von Weltraumschrott
Ein Stück Weltraumschrott hat das Solar-Max-Experiment der NASA glatt durchschlagen.
Credit:

NASA

DownloadDownload

Stellen in die Erdatmosphäre eintretende Objekte eine Gefahr dar?

Wenn ein Satellit, eine Raketenoberstufe oder Weltraummüll in die Erdatmosphäre eintritt, verglühen - abhängig von Material und Struktur - in großen Höhen typischerweise 60 bis 90 Prozent ihrer Masse. Größere Teile, die den Wiedereintritt überstehen, können aber beim Auftreffen auf die Erdoberfläche zu Schäden führen. Trotz einer großen Zahl von Wiedereintritten - etwa 18.000 bis zum Jahr 2002 mit einer Gesamtmasse von etwa 27.000 Tonnen - wurden in dieser Zeit weniger als 250 Überreste gefunden.

Da der Großteil der Erdoberfläche von Meeren bedeckt ist, sind dort wahrscheinlich auch die meisten Teile niedergegangen. Bei gesteuerten Wiedereintritten, wie zum Beispiel von der russischen Mir-Station oder dem europäischen Raumfahrzeug ATV, wählt man einen Wiedereintritts-Korridor gezielt so aus, dass er über dem Meer liegt, um das Risiko für Schäden zu minimieren.

Sind schon Menschen durch Orbital Debris zu Schaden gekommen?

Soweit bekannt, ist bis heute noch niemand durch abstürzende Weltraumtrümmer zu Schaden gekommen.

Was kann gegen Weltraummüll unternommen werden?

Eine wichtige Maßnahme gegen Weltraummüll ist, ihn gar nicht erst entstehen zu lassen. Es besteht heutzutage internationale Einigkeit über die wichtigsten Maßnahmen zur Müllvermeidung. Dazu zählt unter anderem, Gefahrenquellen für unbeabsichtigte Explosionen zu beseitigen (beispielsweise Treibstoffreste aus Tanks entleeren), Raumfahrzeuge nicht absichtlich zu zerstören und die Aufenthaltsdauer in den für die Raumfahrt wichtigen Orbitregionen zu begrenzen. Außerdem sollen zukünftig nicht mehr unnötig Teile im Orbit freigesetzt werden. Ein Beispiel sind Schutzabdeckungen für empfindliche Satellitenkomponenten. Statt diese einfach abzutrennen, könnten sie mit einem Klappmechanismus konstruiert werden.

Das DLR ist aktiv in internationalen Gremien tätig, um an Maßnahmen zur Vermeidung von Weltraummüll zu arbeiten. Hierzu zählen unter anderem die Internationale Organisation für Normung (ISO) und der Ausschuss für die friedliche Nutzung des Weltraums der Vereinten Nationen (UNCOPUOS), sowie das "Inter-Agency Space Debris Coordination Committee (IADC). Letzteres ist ein internationaler Zusammenschluss von Raumfahrtagenturen, um aktuelle Forschungsergebnisse auszutauschen und Vermeidungsmaßnahmen zu erarbeiten. Das DLR stellt sicher, dass die dort beschlossenen Anforderungen bei aktuellen deutschen Projekten erfüllt werden.

Welche Maßnahmen werden heute getroffen, um Satellitenabstürze zu vermeiden?

Satellitenabstürze lassen sich heute nicht vermeiden. Es treten derzeit 100 bis 150 Tonnen Weltraummüll (Satelliten, Raketenoberstufen, Sonstiges) pro Jahr in die Erdatmosphäre ein. Bei stärkerer Sonnenaktivität steigt die jährliche Eintrittsrate etwas an.Technologien, um einzelne Satelliten einzufangen und kontrolliert zum Absturz zu bringen, befinden sich noch in der Entwicklung.

Frühestens in einigen Jahren ist mit ersten Demonstrations-Missionen zu rechnen, die zeigen sollen, dass ein solches Vorgehen grundsätzlich technisch machbar ist. Aber selbst wenn diese Technologien zur Verfügung stehen, wird man damit höchstens einige wenige Objekte gezielt wieder eintreten lassen können, nicht aber die große Masse der Satelliten und Raketenoberstufen.

Sind Maßnahmen für die Zukunft geplant, Satelliten nicht mehr unkontrolliert abstürzen zu lassen?

Bei aktuellen Satellitenprojekten wird eine Risikoanalyse für den Wiedereintritt des Satelliten in die Erdatmosphäre durchgeführt. Hierdurch können die Ingenieure schon bei der Konstruktion des Satelliten technische Maßnahmen ergreifen, um Risiken beim Wiedereintritt zu reduzieren. So soll sichergestellt werden, dass die Wahrscheinlichkeit, irgendeine Person durch mögliche abstürzende Trümmer ernsthaft zu verletzten, unter einem Grenzwert von 1:10.000 liegt.

Links

Kontakt

Dr. Manuel Metz

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Deutsche Raumfahrtagentur im DLR
Weltraumlage
Königswinterer Straße 522-524, 53227 Bonn