Weltweit erstmals Kondensstreifen aus Wasserstoffantrieb im Flug vermessen



- Weltweit erste Flugmessungen von Kondensstreifen eines wasserstoffbetriebenen Turbojet-Triebwerks durchgeführt.
- Die Messungen ermöglichen Erkenntnisse zur Klimawirkung von Kondensstreifen bei Wasserstoffverbrennung.
- DLR-Instrumente lieferten erstmals Daten zu Eiskristallbildung, Spurengasen und Aerosolen aus dem Abgas wasserstoffbetriebener Flugzeuge.
- Schwerpunkte: Luftfahrt, klimaverträgliches Fliegen, Nicht-CO2-Effekte, Wasserstoff
Kondensstreifen bilden sich in der oberen Troposphäre, wenn die Luft ausreichend kalt und feucht ist. Sie haben einen wesentlichen Anteil an der Klimawirkung des Luftverkehrs. Zukünftige Technologien wie wasserstoffbetriebene Flugzeuge versprechen nicht nur eine Verringerung des CO2-Ausstoßes, sondern auch eine Verringerung der Klimawirkung von Kondensstreifen. Bisher gab es jedoch keine Messungen aus Flugversuchen, um die Bildung, Eigenschaften und Auswirkungen von Kondensstreifen aus Wasserstoffdirektverbrennung zu charakterisieren. Im Projekt Blue Condor haben Airbus, das Perlan-Team und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) nun weltweit erstmals Kondensstreifen eines Wasserstoffturbojettriebwerks im Flug vermessen. Die dreiwöchige Flugversuchskampagne fand bereits im Dezember 2024 in Minden, Nevada, USA, statt. Das DLR stattete ein Verfolgungsflugzeug mit Instrumenten für Kondensstreifen- und Emissionsmessungen aus und betrieb diese autonom auf Reiseflughöhe.
„Die weltweit ersten Messungen von Kondensstreifen wasserstoffbetriebener Flugzeuge sind ein herausragender Meilenstein, um die Klimaverträglichkeit von Wasserstoffantrieben in der Luftfahrt ganzheitlich zu verstehen“, sagt Dr. Markus Fischer, DLR-Bereichsvorstand Luftfahrt. „Erste Konzeptideen und theoretische Grundlagen für solch ein Experiment haben wir bereits vor einigen Jahren in einer geförderten DLR-Nachwuchsgruppe entwickelt. Das ist ein Beispiel, wie wir im DLR die Grundlagen für das klimaverträgliche Fliegen schaffen, um die Wirtschaft zu stärken und die Gesellschaft zukunfstfähig zu machen. Wir freuen uns sehr, dass es nun in Zusammenarbeit mit Airbus und dem Perlan-Team gelungen ist, dieses technisch äußerst herausfordernde Flugexperiment erfolgreich in die Luft zu bringen.“
Wasserstoff-Jettriebwerk und kerosinbetriebener Verbrennungsmotor im Vergleich
Das Herzstück der Blue-Condor-Mission ist ein Arcus-Segelflugzeug. Dieses wurde von Airbus und dem Perlan-Team so modifiziert, dass es einen Tank für gasförmigen Wasserstoff, ein Schmierölsystem und ein wasserstoffbetriebenes Turbojettriebwerk aufnehmen kann. Das Triebwerk wurde von AeroDesignWorks in Zusammenarbeit mit der RWTH Aachen entwickelt. Geflogen wurde das Blue-Condor-Flugzeug von Jim Payne, einem Piloten des Perlan-Team, der den Weltrekord im Höhen- und Geschwindigkeitssegelflug hält. Ein zweites vom Perlan-Team betriebenes Arcus-Flugzeug, war mit einem herkömmlichen Kerosintriebwerk ausgestattet. Beide Segelflugzeuge wurden gleichzeitig von einer Grob Egrett, einem Höhenforschungsflugzeug betrieben von der Firma AV Experts LLC, auf über neun Kilometer Höhe geschleppt, wo die Bildung von Kondensstreifen vorhergesagt war. Dort wurden beide Segelflugzeuge aus dem Schlepptau gelassen und das Schleppflugzeug mit der Messinstrumentierung ließ sich hinter die Segelflieger zurückfallen.
Der Blue Condor Segler zündete das Wasserstofftriebwerk. Der Verfolgungsflug der Egrett im Abgasstrahl begann mit der Messung von Emissionen und Kondensstreifen des Blue-Condor-Segelflugzeugs. Das zusätzliche kerosinbetriebene Segelflugzeug blieb mit gezündetem Triebwerk in enger Formation. Um die Vergleichbarkeit der Emissions-Daten zu gewährleisten, wurden die jeweiligen Verfolgungsformationen unmittelbar nacheinander in denselben meteorologischen Bedingungen durchgeführt. Die eigentliche Messphase unter Nutzung der Hilfstriebwerke dauerte jeweils rund fünf bis zehn Minuten.
Von insgesamt sieben Testflügen konnten vier Flüge stattfinden, bei denen sich Kondensstreifen des Wasserstofftriebwerks bildeten. Ziel der Untersuchungen war es, die mikrophysikalischen Eigenschaften der Kondensstreifen aus Wasserstoffdirektverbrennung unter realen atmoshärischen Bedingungen zu vermessen Eine wichtige Rolle für die Klimawirkung der Kondensstreifen spielt hier die initiale Eiskristallanzahl aber auch die Größe der Eiskristalle, die sich im Abgasstrahl bilden. Emissionsmessungen zu Stickoxiden und Aerosol-Partikelbildung im Abgas führte das Forschungsteam auch unterhalb der Bildungsregion von Kondensstreifen durch. Triebwerkstestläufe am Boden lieferten zusätzliche Informationen über die Emissionen des Wasserstofftriebwerks bei verschiedenen Leistungseinstellungen. Die Daten werden derzeit detailliert ausgewertet um im Rahmen einer wissenschaftlichen Veröffentlichung die Ergebnisse zu publizieren.
Kondensstreifen aus Wasserstoffdirektverbrennung bilden sich anders
Kondensstreifen von sauberen Wasserstoffverbrennungsmotoren bilden sich aufgrund der höheren Wasserdampfemissionen bereits bei höheren Temperaturen und in geringerer Höhe in der Atmosphäre im Vergleich zu klassischen Kondensstreifen aus Kerosinverbrennung. Im Gegensatz zu konventionellen Triebwerken, die bei der Kerosinverbrennung Ruß und flüchtige Partikel als keime für die Eiskristalle der Kondensstreifen ausstoßen, ist das Abgas eines Wasserstoffverbrennungsmotors im Idealfall frei von Partikelemissionen. Wenn das Triebwerk ohne Verunreinigungen wie beispielsweise durch Schmieröltröpfchen betrieben wird, dienen theoretisch die in der Umgebungsatmosphäre vorhandenen Aerosolpartikel als Nukleationskeime für die Eiskristalle im Abgasstrahl des Flugzeugs. Modellsimulationen zeigen, dass sich durch die geringe Konzentration an Umgebungsaerosol potenziell weniger und größere Eiskristalle im Nachlauf des Wasserstofftriebwerks bilden, was die Lebensdauer des Kondensstreifens und seine wärmende Wirkung verringern kann. Eine Validierung dieser Modelle steht bisher aus. Hier bleibt die umfassende Auswertung der Flugversuche abzuwarten.
DLR-Messinstrumente an Bord
Die auf der Egrett integrierten Instrumente wurden vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre zur Verfügung gestellt und umfassten eine Reihe von Eiskristall-, Aerosol- und Spurengasmessungen wie CO2, Stickoxide und Wasserdampf. Alle Instrumente wurden modifiziert und an die Kabine der Egrett angepasst. „Um unverfälschte Daten zu bekommen, haben wir Spurengase und Aerosole von einem langen Mast an der Spitze des Flugzeugs aus gemessen, um aus dem Einflussbereich des Propellers und des Abgases der Egrett herauszukommen.“, erklärt Dr. Tina Jurkat-Witschas, Leiterin des Projekts von Seiten des DLR-Instituts für Physik der Atmosphäre. Weitere von AV Experts durchgeführte Modifikationen am Flugzeug umfassten die Erweiterung des Rumpfes , um die Integration des Stickoxid-Messgeräts SIOUX zu ermöglichen. Streulichtspektrometer und spezifische Spurengaseinlässe wurden am Fahrwerk angebracht. Die DLR-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betrieben die Instrumente autonom, erfassten die Daten per Iridium-Downlink am Boden und lotsten den Piloten der Egrett per Funk in die optimalen Messpositionen im Kondensstreifen.
Mit den vollständig ausgewerteten Daten des Projekts Blue Condor, wird es zukünftig auch möglich sein, die Klimawirkung der Kondensstreifen einer potentiell mit Wasserstoff betriebenen Flotte mit globalen Modellen zu erforschen. Zwischenzeitlich war das Projekt Blue Condor auch ein Finalist für die die prestigeträchtige Collier Trophy der National Aeronautic Association (NAA).