Interview mit ESA-Astronaut Marcus Wandt Teil II
Am 9. Februar kehrte der schwedische ESA-Astronaut Marcus Wandt nach 21 Tagen auf der Internationalen Raumstation ISS zur Erde zurück. Wie für alle europäischen Astronauten war seine erste Station auf der Erde ein Aufenthalt beim Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin, des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), in Köln. Nachdem er bereits vor seinem Flug kurz von seinen Erwartungen berichtete, erzählt Marcus Wandt nun begeistert von seinen Erfahrungen im All.
Ihre Mission zur ISS trug den Namen eines der Raben Odins, Muninn, was „Erinnerung“ bedeutet. Was sind Ihre stärksten Eindrücke an die Sie sich erinnern werden?
Marcus Wandt: Nun, da sind ein paar – tatsächlich sind es tausende – aber einige der stärksten sind die Ansammlung von Geschwindigkeit und Beschleunigung während des Starts. Das war fantastisch. Als Kampfjetpilot bin ich an die Beschleunigung gewöhnt, wenn man Gas gibt, aber nun fühlte man es so viel stärker und für so eine lange Dauer. Das gab mir ein Gefühl von Geschwindigkeit, das ich nicht erwartet hatte. Ich habe nicht erwartet, dass mein Gehirn fühlen konnte wieviel Geschwindigkeit wir aufbauten. Es war fantastisch!
Als wir dann oben angekommen waren, das Klopfen an der Luke hörten, dann durch das Fenster unserer Dragon-Kapsel schauten und auf der anderen Seite Menschen im Weltall sahen - das ist eine sehr starke Erinnerung, ich sehe noch immer ihre Gesichter vor mir.
Und dann natürlich als wir an Bord kamen und allen „Hallo“ gesagt haben. Eines Abends bin ich zu dem Aussichtsfenster „Cupola“ geschwebt. Hinunter zu schauen, die Erde zu sehen, die Lichter der Städte, das Leuchten der Erde - wir sahen auch Nordlichter und wir beobachteten wie zwei unserer Besatzungsmitglieder zur Erde zurückkehrten. Das waren ebenfalls sehr starke Eindrücke.
Dann selbstverständlich der Wiedereintritt: Die Vibration, die Geräusche. Man schaut aus dem Fenster und sieht die Flammen, das Plasma rund um die Kapsel und spürt die G-Kräfte. 0,9g fühlen sich an wie 5g, wenn man eben noch in der Schwerelosigkeit war. Aus dem Fenster zu schauen – bevor sie alle angebrannt waren – und zu sehen wie schnell die Erde vorbeizieht und die Geschwindigkeit mit der wir uns bewegten - das zu verstehen – das ist einfach der Wahnsinn!
Das muss doch auch beängstigend sein?
Marcus Wandt: Nein, es war ein starker positiver Eindruck. Nein, es war einfach Spaß. Es war großartig! Ich konnte nicht aufhören zu lächeln und zu lachen, dachte mir „das ist so klasse“. Es war fantastisch!
Vor ihrem Flug zur ISS haben wir uns über die negativen Effekte der Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper unterhalten. Wie waren Ihre Erfahrungen?
Marcus Wandt: Die Flüssigkeitsverschiebung ist ein Beispiel dafür. Man hat ein Völlegefühl und es kann auch zur Übelkeit kommen. Aber ich denke, das Training hat mich so gut auf das Schlechte, das kommen kann, vorbereitet, dass es mir ziemlich gut ging. Es war schon komisch und vieles fühlte sich merkwürdig an. Ich musste meinem Hirn beibringen – oder vielleicht hat es das auch selbst gemacht? – wieviel Kraft ich brauche um von A nach B zu kommen, oder wie ich mich an Dingen festhalte und stabilisiere. Aber ich denke, dass ich auf einen Haufen unangenehmer Gefühle vorbereitet wurde, deshalb hatte ich sie letztendlich nicht. Vielleicht war ich auch nur so fasziniert davon wie es sich anfühlte, sodass ich vollauf mit der Beobachtung dessen beschäftigt war.
Für den Körper war es jedenfalls anstrengend. Denn die ersten beiden Nächte habe ich sehr gut geschlafen. Ich fühlte mich nicht wegen viel Arbeit oder langem Aufbleiben müde. Ich denke mein Körper wollte mir einfach sagen: „das ist merkwürdig, ich brauche etwas Ruhe!“.
Sie haben viele Experimente im Columbus Labor durchgeführt. Können Sie uns ein paar Beispiele nennen?
Marcus Wandt: Im Rahmen des Surface Avatar Experiments haben wir aus dem All Roboter auf der Erde gesteuert. Bei „Orbital Architecture“ habe ich eine kognitive Bewertung meiner relativen Leistungsfähigkeit vorgenommen, abhängig davon wo ich mich gerade aufhielt. Sowohl im Columbus Labor, als auch an anderen Orten der Raumstation. Dann war da noch Anita-2 wo wir die Luftqualität in verschiedenen Bereichen der Raumstation bewertet haben. Im Columbus Modul habe ich zum Beispiel auch die Blutentnahmen für die Untersuchung der Knochengesundheit gemacht. Also eine Mischung aus verschiedenen Experimenten.
Sie sind vor fünf Tagen aus dem All zurückgekehrt. Hat es lange gedauert, sich wieder an das Leben auf der Erde zu gewöhnen?
Marcus Wandt: Nun, lang ist relativ. Für mich hat es sich schnell angefühlt. Zurückzukehren war beinahe so komisch wie hochzufliegen. Denn dort hatte ich nicht diese Gefühle, wie die Auswirkungen auf das Gleichgewicht oder das Gefühl, dass meine Glieder bleiern sind. Am ersten Morgen nach meiner Rückkehr versuchte ich aus dem Bett zu kommen und dachte mir „was ist hier los?“. Ich fühlte mich einfach sehr schwer und das obwohl ich Gewicht verloren hatte. Es fühlte sich merkwürdig an, aber es war zugleich faszinierend und ehrlich gesagt auch lustig.
Aber die Erholung war sehr schnell. Heute ist der fünfte Tag und jeden Tag geht es ein bisschen besser. Und die letzten beiden Tage hatte ich ein bisschen Muskelkater, da meine Muskeln jetzt wieder benutzt werden. Was das Gleichgewicht angeht, so fühlt sich alles wieder normal an. Eine schnelle Erholung, das ist was ich fühle.
Seit Ihrer Rückkehr sind Sie im DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin. Was für ein medizinisches Programm durchlaufen Sie seitdem?
Marcus Wandt: Wir sammeln eine Reihe von Basisdaten. Wir schauen uns auf der wissenschaftlichen Seite an wie meine Knochenmasse und mein Gehirn sich verändert haben. Wir haben auch einen MRT-Scan meines Gehirns gemacht. Wir sehen uns auch mein Herz-Kreislaufsystem an und erheben Daten. Dann werden auch die Untersuchungen, die ich vor dem Flug gemacht habe, mit den aktuellen Ergebnissen verglichen.
Wir machen auch ein Rehabilitationstraining, in dem ich hauptsächlich Herz-Kreislauftraining mache, aber auch die kleineren Muskelgruppen trainiere. Die größeren Muskelgruppen scheinen ganz in Ordnung zu sein. Die kleineren fühlen sich auch gut an, aber ich glaube man muss sie reaktivieren, um sicherzustellen, dass die Körpermitte und die Stabilisierung stimmen. Denn im Orbit nutzt man die größeren Muskelpartien um zu manövrieren, aber man muss sich nicht stabilisieren. Man schwebt einfach nur herum. Also werden die kleineren Muskeln nicht für die Stabilisierung benötigt und deshalb ist es wichtig, sie wieder schrittweise aufzubauen und sicherzustellen, dass man eine starke Grundlage hat, bevor man die anderen Muskeln aufbaut.
Was steht als Nächstes an, jetzt wo Sie wieder auf der Erde sind?
Marcus Wandt: Nach einem Kurztripp nach Schweden werden hier weitere Daten gesammelt. Und dann geht es rüber in die Vereinigten Staaten, für ein De-Briefing mit der NASA, SpaceX und Axiom und den anderen Unternehmen in den USA. Anschließend komme ich für weitere Debriefings wieder hierhin zurück.