25. Januar 2024 | ESA beschließt endgültig Venusmission EnVision

Europa begibt sich auf den Weg zur Venus

  • Orbiter wird rätselhafte „Zwillingsschwester“ der Erde vom Kern bis zur obersten Atmosphäre untersuchen.
  • Der Start ist für 2031 vorgesehen, Missionsdauer ist von 2034 bis 2038 geplant.
  • Das DLR steuert eine Multispektralkamera zur Suche nach aktiven Vulkanen und zur Kartierung der Mineralogie und Messungen in der Venusatmosphäre bei.
  • Enge Kooperation mit der Venusforschung und Missionen der NASA.
  • Schwerpunkte: Raumfahrt, Exploration, Venus

Die Venus, der innere Nachbarplanet der Erde, ist ein rätselhafter Himmelskörper. Fast genauso groß wie die Erde, mit nur geringfügig kleinerer Masse und im Großen und Ganzen aus denselben Stoffen, wie die Erde aufgebaut, hat die Venus eine ganz andere Entwicklung genommen als unser Heimatplanet. Eine dichte Atmosphäre aus Kohlendioxid sorgt permanent, global, tagsüber und nachts für Temperaturen von über 460 Grad Celsius. Warum es zu den heute so großen Unterschieden gekommen ist wird ab 2031 eine Raumsonde der Europäischen Weltraumorganisation ESA untersuchen. Heute hat die ESA die 2021 ausgewählte Mission EnVision offiziell in ihr Wissenschaftsprogramm aufgenommen. Damit können Missionsplanung und Bau der Raumsonde beginnen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) wird für den Orbiter ein Instrument entwickeln, mit dem die Mineralogie der Gesteine auf der Venus kartiert werden kann.

EnVision wird die Venus von ihrem inneren Kern bis zur äußeren Atmosphäre untersuchen und wichtige neue Erkenntnisse über die Entwicklung, die geologische Aktivität und das Klima des Planeten liefern. Die Annahme des Programms bedeutet, dass die Studienphase abgeschlossen ist und die ESA sich verpflichtet, die Mission durchzuführen. Im Laufe des Jahres 2024 wird sie dazu einen industriellen Auftragnehmer in Europa auswählen, so dass die Arbeiten zur Fertigstellung des Designs und zum Bau des Raumfahrzeugs bald beginnen können. EnVision soll im Jahr 2031 mit einer Ariane-6-Rakete starten. Nach der Auswahl der Mission im Jahr 2021 wurde ein konkreter Missionsplan entwickelt. EnVision soll die vielen, seit langem offenen Fragen zur Venus beantworten, insbesondere, wie und wann der Zwilling der Erde so unwirtlich geworden ist.

Vom Kern der Venus bis zur Hochatmosphäre

EnVision wird aus der Umlaufbahn den gesamten Planeten untersuchen. Die Mission soll die Oberfläche, das Innere und die Atmosphäre der Venus mit noch nie dagewesener Genauigkeit untersuchen, um zu verstehen, wie der Planet sich entwickelt hat, wie Kern, Mantel, Kruste und Atmosphäre miteinander in Wechselwirkung stehen und wie die Venus als „System“ funktioniert. Dazu wird EnVision mehrere unterschiedliche Messverfahren anwenden, um zum Beispiel Spuren von aktivem Vulkanismus an der Oberfläche und in der Atmosphäre zu entdecken. Frühere Missionen haben gezeigt, dass die Venus vor etwas mehr als einer halben Milliarde Jahre global durch den Ausbruch von Tausenden von Vulkanen eine neue Oberfläche erhalten hat.

Um diese vollumfassende Untersuchung zu ermöglichen, wird EnVision mehrere wissenschaftliche Instrumente mitführen. So wird es die erste Mission sein, die mit einem Radargerät direkt unter die Oberfläche der Venus blicken wird. Ein zweites Radarinstrument, VenSAR, wird die Oberfläche mit einer Auflösung von bis zu 10 Metern kartieren und Eigenschaften wie die Oberflächenbeschaffenheit bestimmen. Drei verschiedene Spektrometer werden die Beschaffenheit der Oberfläche und der Atmosphäre untersuchen. Und ein Radiowissenschaftsexperiment wird Radiowellen nutzen, um die innere Struktur des Planeten und die Eigenschaften der Atmosphäre zu untersuchen.

DLR kartiert die Mineralogie

Auch wenn die Atmosphäre der Venus keinen direkten Blick auf die Oberfläche des Planeten gestattet, so gibt es dennoch indirekte Möglichkeiten, sich ein „Bild“ von ihr machen zu können. Das geschieht zum einen mit Radar, das wie auch bei Flugzeugen auf der Erde die Wolken durchdringt. Zum anderen können in bestimmten Wellenlängen vor allem des nahen Infrarot, sogenannte „atmosphärische Fenster“ genutzt werden. Doch bei der Venus kann man die Oberfläche nicht verstehen ohne auch die Atmosphäre zu verstehen. Für EnVision wird hierzu eine Spektrometer-Suite entwickelt, welche aus drei Teilinstrumenten besteht. Sie trägt den Namen VenSpec und hat die Komponenten VenSpec-U zur Untersuchung der Hochatmosphäre, VenSpec-H für Messungen in der bodennahen Atmosphäre und dem vom DLR entwickelten VenSpec-M zur Messung der Wärmeabstrahlung und spektralen Eigenschaften der Oberfläche.

Die Leitung und Koordination der gesamten VenSpec Suite liegt beim DLR-Institut für Planetenforschung. Durch die Kombination aller drei Kanäle können tiefere Einblicke in die enge „Kopplung“ zwischen der Oberfläche und der Atmosphäre der Venus gewonnen werden. So würde zum Beispiel VenSpec-M einen aktiven Vulkanausbruch durch die Detektion der heißen Lava erkennen, während VenSpec-H gleichzeitig messen würde, wie viel Wasserdampf der Vulkan in die Atmosphäre entlässt und VenSpec-U würde die Verteilung von Schwefeldioxid aus dem Vulkanausbruch in der oberen Atmosphäre erfassen.

Vulkane auf der Venus
Die NASA-Mission Magellan bestätigte die aufgrund früherer Missionen entwickelte Theorie, dass die Oberfläche der Venus vor etwa einer halben Milliarden Jahre von Vulkanen global überprägt wurde. Ursache dafür ist vermutlich das Fehlen von Plattentektonik, die auf der Erde ähnlich wie das Ventil eines Schnellkochtopfes überschüssigen Druck und damit Energie aus dem Inneren des Planeten wie ein Thermostat ableitet. Das Bild zeigt eine 3D-Darstellung, die aus Radardaten des Magellan-Orbiters abgeleitet wurde, des Vulkans Maat Mons, der über 4000 Meter hoch ist. Hell und Dunkel spiegeln in Radardaten Oberflächeneigenschaften wider, raue Oberflächen reflektieren die Radarwelln diunkel, glatte Oberflächen hell.
Credit:

NASA/JPL/USGS

Mit VenSpec-M kann nicht nur die thermische Signatur eines heißen, aktiven Vulkans gemessen werden. Das Instrument wird auch erstmals die mineralogische Zusammensetzung der Oberfläche global kartieren. VenSpec-M wird unter der Leitung des DLR-Instituts für Optische Sensorsysteme entwickelt und gebaut. Die wissenschaftliche Leitung des Experiments auf EnVision liegt beim DLR-Institut für Planetenforschung. Beide Institute sind am DLR-Standort Berlin-Adlershof angesiedelt.

Erde und Venus, zwei unterschiedliche „Geschwister“

Die Venus ist der zweite Planet von der Sonne und der nächste Nachbar der Erde. Sie umkreist unser Zentralgestirn in einer Entfernung von 102 Millionen Kilometer, ihre Umlaufbahn ist damit rund 48 Millionen Kilometer näher an der Sonne als die der Erde. In Masse und Größe sind sich die beiden Gesteinsplaneten sehr ähnlich. Als Ziel für eine Raumfahrtmission mit Astronauten ist sie jedoch denkbar ungeeignet: Die Venus hat eine extrem dichte Atmosphäre, deren Luftdruck am Boden 92mal höher ist als auf der Erde. Außerdem besteht die Gashülle zu 95 Prozent aus Kohlenstoffdioxid, was einen enormen Treibhauseffekt bewirkt und für eine Durchschnittstemperatur von 464 Grad Celsius sorgt – Blei würde in diesem „planetaren Backofen“ schmelzen. Der gesamte Planet ist von Wolken eingehüllt, die hauptsächlich aus Schwefelsäure bestehen und deshalb keinen Blick für optische Teleskope oder Kameras auf die Oberfläche gestatten.

Venus und Erde, ungleiche Geschwister
Die Venus hat fast die gleiche Größe und Masse wie die Erde, doch der Planet hat eine ganz andere Entwicklung genommen. Sie ist heute von einer Atmosphäre umgeben, die etwa 90-mal mehr Masse hat, als die Erdatmosphäre. Dichte Wolken aus Schwefelsäure verhindern eine Beobachtung in den Wellenlängen des sichtbaren Lichts. Mit Radar – bei der künstlerischen Darstellung der Venus rechts als farbkodierte, aus Daten der NASA-Sonde Magellan berechnete Radarkarte dargestellt – und in einigen Wellenlängen des infraroten Spektrums lässt sich die Venusatmosphäre jedoch untersuchen. Das ist die Aufgabe der Venusmission EnVision der Europäischen Weltraumorganisation ESA, die 2031 starten und mit ihren Messungen dazu beitragen soll, die Ursachen für die unterschiedliche Entwicklung beider Planeten herauszufinden.
Credit:

NASA/JAXA/ISAS/DARTS/VR2planets/Damia Bouic

Die Messungen, die EnVision durchführt, werden dazu beitragen, wichtige Geheimnisse unseres heißen Nachbarn zu entschlüsseln. So wird EnVision beispielsweise aufdecken, wie Vulkane und Asteroideneinschläge die Oberfläche der Venus geformt haben und wie geologisch aktiv der Planet heute ist. Ob der Planet in der Frühzeit seiner 4,5 Milliarden Jahre langen Geschichte sogar Wasser hatte und demnach auch moderate Temperaturen ist eine der Fragen, die seit Jahrzehnten intensiv diskutiert werden. Sollte dies der Fall gewesen sein, könnte die Venus über einen längeren Zeitraum auch Plattentektonik und vielleicht sogar Voraussetzungen für die Existenz von Leben gehabt haben. Die heutigen Landschaften auf der Venus – ausgedehnte vulkanische Ebenen, aus denen kilometerhohe Hochländer herausragen, die entfernt an unsere irdischen Kontinente erinnern – können nur vage in diese Richtung interpretiert werden.

Die Mission wird auch das Innere des Planeten untersuchen und Daten über die Struktur und Dicke des Venuskerns, ihres mächtigen Gesteinsmantels und der Kruste sammeln. Schließlich wird sie das Wetter und das Klima auf der Venus untersuchen, einschließlich der Frage, wie diese durch die geologische Aktivität auf dem Boden beeinflusst werden.

Starkes Erbe und fruchtbare Zusammenarbeit

EnVision ist eine von der ESA geleitete Mission in Partnerschaft mit der NASA. Die NASA wird voraussichtlich das VenSAR-Instrument (Synthetic Aperture Radar) beitragen sowie Unterstützung in der Kommunikation zwischen Erde und EnVision mit den großen Antennen des Deep Space Network leisten. Die anderen Experimente werden von ESA-Mitgliedsstaaten beigesteuert.

EnVision wird die zweite europäische Mission zur Venus sein. Die ESA-Mission Venus Express (2005-2014) konzentrierte sich allerdings stärker auf die Atmosphäre des Planeten, machte aber auch bedeutende Entdeckungen, die auf mögliche vulkanische Hotspots auf der Oberfläche des Planeten hinwiesen. Die Erforschung der Atmosphäre wurde mit der Akatsuki-Mission der JAXA fortgesetzt, die immer noch aktiv die atmosphärischen Bewegungen und das Wetter auf der Venus verfolgt. Die NASA wird in den 30er-Jahren ebenfalls mit zwei Missionen zur Venus reisen, dem Orbiter VERITAS und der Atmosphären- und Landesonde DaVinci.

Vor längerer Zeit zeichneten die Mariner- und Pioneer-Venus-Missionen der NASA (1960er und 1970er Jahre), die Venera- und Vega-Missionen der Sowjetunion (1960er bis 1980er Jahre) und die Magellan-Radarkartierungsmission der NASA (1990-1994) das Bild einer vollkommen fremden Welt in unmittelbarer Nachbarschaft zur Erde.

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