21. September 2023 | Drei Fragen an die DLR-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr.-Ing Anke Kaysser-Pyzalla

Gemeinsame Anstrengungen von Forschung und Industrie für die klimaverträgliche Luftfahrt

Prof. Dr.-Ing Anke Kaysser-Pyzalla mit Dr. Robert Habeck auf der ILA 2022
Die DLR-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla begrüßt den Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Dr. Robert Habeck auf der ILA 2022 am Messestand des DLR.
  • Rund ein Drittel der Klimawirkung der Luftfahrt entfällt auf die viel beachteten CO2-Emissionen, der Rest ergibt sich aus den Nicht-CO2-Effekten.
  • Das Wachstum des Luftverkehrs muss von seiner Umweltwirkung entkoppelt werden.
  • Alternative Energieträger müssen in ausreichender Menge dem Luftverkehr zur Verfügung gestellt werden.
  • Neue Ansätze in der Flugführung sind nötig, um die Nicht-CO2-Effekte, wie das Entstehen von Kondensstreifen, zu verhindern.
  • Heute kommt es zunehmend auf Systemlösungen an. Hier kann das DLR mit seinem interdisziplinären Forschungsansatz entscheidend zur Bewältigung der Herausforderungen beitragen.
  • Schwerpunkte: Luftfahrt, klimaverträgliches Fliegen

Die klimaverträgliche Luftfahrt ist eine der großen technologischen Herausforderungen unserer Zeit. Im Kurzinterview spricht die Vorstandsvorsitzende des DLR, Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla, über die Rolle des Flugverkehrs für unsere globale Mobilität, die verschiedenen Aspekte der Klimawirkung der Luftfahrt und welche Schritte Forschung, Industrie und Politik gemeinsam konsequent unternehmen sollten, um bereits auf Basis bestehender Technologien die Klimawirkung der Luftfahrt deutlich zu reduzieren.

Frau Prof. Dr.-Ing. Kaysser-Pyzalla, der Luftverkehr steht zunehmend im Fokus eines gesellschaftlichen Diskurses und hat sich damit in der Gesellschaft zu einem sehr umstrittenen Thema entwickelt…

Ja, das Thema und die Kontroverse darüber lassen mich persönlich aber auch in meiner Funktion als Vorstandsvorsitzende nicht los. Wie auch? Es ist unsere Aufgabe, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um auch in der Zukunft die globale Mobilität zu gewährleisten und dies im Einklang mit unserer Umwelt. Der Luftverkehr leistet einen entscheidenden Beitrag zum Wirtschaftswachstum und damit zum Wohlstand unserer Gesellschaft. Dieser Beitrag ist unverzichtbar in einer freien und globalisierten Welt. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite zeigt: nach jeder Krise hat sich die Luftfahrt nach kurzer Zeit wieder auf einen exponentiellen Wachstumskurs begeben. Gegenwärtig bestimmen der Tourismus und die Luftfracht das Geschehen im Luftverkehr. Wir gehen von einem weiteren Wachstum bis 2050 um bis zu vier Prozent im Jahr aus. Rund 3,5 Prozent der bisherigen menschengemachten Klimaerwärmung können aktuell auf den Luftverkehr zurückgeführt werden. Dabei entfällt aber nur rund ein Drittel auf die viel beachteten CO2-Emissionen. Der Rest der Klimawirkung ergibt sich aus den Nicht-CO2-Effekten.

Alle Prozesse zur Klimawirkung der Luftfahrt müssen wir in einem globalen Kontext betrachten. Deshalb stehen wir, Forschung und Wissenschaft, Industrie und Politik nicht nur in Deutschland in der Verantwortung, unseren Anteil an der Senkung der weltweiten Treibhausgasemissionen zu leisten.

Was können wir, gemeinsam mit unseren Partnern tun, um den Luftverkehr wieder die Akzeptanz zu verschaffen, die Flugreisen ohne Gewissensbisse möglich macht?

Dass der Luftverkehr ein Akzeptanzproblem hat, erleben wir Tag für Tag. Sicherlich kann man sich über die Ursachen streiten. Doch zu diesem Streit gehört auch, sich über Argumente auszutauschen. Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten in Sachen Emissionswirkung der Luftfahrt sehr viel erreicht. Doch das Erreichte wurde im wahrsten Sinne des Wortes durch das Wachstum aufgefressen. Und hier muss die erste Erkenntnis greifen. Das Wachstum des Luftverkehrs muss von seiner Umweltwirkung entkoppelt werden. Und das verlangt von uns, die kompromisslose Umsetzung neuer Technologien, als gemeinsame Kraftanstrengung von Politik, Wirtschaft und Forschung, auch auf internationaler Ebene.

Nach Propeller und Jetantrieb stehen wir heute am Vorabend der dritten Revolution in der Luftfahrt und diese wird, diese muss klimaverträglich sein. Dabei muss das Flugzeug inklusive seiner Antriebe und Systeme neu gedacht werden, neue disruptive Ansätze sind gefragt. Dazu gehören neben alternativen Energieträgern, die in ausreichender Menge dem Luftverkehr zur Verfügung gestellt werden müssen, auch neue Ansätze in der Flugführung, um die sogenannten Nicht-CO2-Effekte, wie das Entstehen von Kondensstreifen zu verhindern.

Welche konkrete Rolle kommt dabei der Luftfahrtforschung zu?

Die Luftfahrtforschung erzeugt Innovationen aus denen später anwendungsorientierte Technologien entstehen. So hat sich das DLR unter anderem auch über viele Jahre mit Adaptionen aus dem Tierreich zur Anwendung zum Beispiel in der Luftfahrt beschäftigt. Vom Buckelwal bis zur Haifischhaut war da alles dabei. Den Sprung in die Anwendung hat die Haifischhaut geschafft. Das waren Einzellösungen. Heute kommt es zunehmend auf Systemlösungen an. Hier kann das DLR mit seinem interdisziplinären Forschungsansatz entscheidend zur Bewältigung der Herausforderungen beitragen. So wurde in einem Projekt zum klimafreundlichen ultra-effizienten Langstreckenflug systemisch untersucht, wie sich durch Änderungen in der Flughöhe, der Fluggeschwindigkeit und der Wahl des Energieträgers die Klimawirkung reduzieren lässt. Dabei zeigte sich, dass allein durch einen Wechsel von Kerosin zu nachhaltigen SAF, die Klimawirkung um etwa 25 Prozent verringert wird, ohne dass neue Flugzeuge erforderlich sind. Dass die langfristige Klimawirkung infolge der Emission der Flugtriebwerke hängt und dabei auch stark von der Flughöhe abhängt ist keine neue Erkenntnis.

Doch was folgt daraus? Wenn die maximale Flughöhe um bis zu 2.000 Meter sinkt, kann die Klimawirkung des Fluges um bis zu 70 Prozent gemindert werden. Doch benötigt das Fliegen in geringeren Höhen eine angepasste Geschwindigkeit, die man nur zum Teil mit der heutigen Flugzeuggenration gewährleisten kann. Zusammen genommen heißt das, wir müssen neue Flugzeuge und zudem ein noch passfähigeres, hocheffizientes und emissionsreduziertes Lufttransportsystem entwickeln. So können wir erreichen, dass auch solche reduzierten Fluggeschwindigkeiten kompensiert werden.

Trotz des noch hohen Forschungsbedarfes, bin ich fest davon überzeugt, dass wir bereits heute, auf Basis bereits bestehender Technologien, den ersten Schritt hin zu einer klimaverträglichen und zukünftig einer klimaneutralen Luftfahrt gehen können.

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Andreas Schütz

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