Schiffe reibungslos einparken
- Im Projekt SmartKai hat das DLR ein Assistenzsystem für Schiffe mitentwickelt und getestet.
- Die „Einparkhilfe“ für Schiffe hat in diversen Live-Tests überzeugt und kann zukünftig in schwer einsehbaren Hafenbereichen zum Einsatz kommen.
- Sie erfasst Umweltdaten wie Strömung, Wind und Tidenverhältnisse an komplexen Strukturen. Dazu gehören Schleusen, Kaimauern oder Hafeneinfahrten.
- Das System ist in der Infrastruktur des Hafens installiert, Umbauten an Schiffen sind nicht nötig.
- Schwerpunkte: Verkehr, Mobilität der Zukunft, Sensor-Technologie, maritime Infrastruktur
In Europa gibt es über 1.200 Seehäfen. Mehr als 300 davon stuft die EU als systemrelevante Infrastruktur (für Wirtschaft und Handel) ein. Die Häfen stehen jedoch regelmäßig vor großen Herausforderungen. Denn bei Anlegemanövern entstehen immer wieder Schäden an der Hafeninfrastruktur und an den Schiffen. Um das in Zukunft zu verhindern, hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Projekt SmartKai ein hafenseitiges Assistenzsystem entwickelt. Es unterstützt Schiffsführerinnen und Schiffsführer beim Manövrieren. In Cuxhaven hat am 24. Mai 2023 der erfolgreiche Abschluss des Projekts stattgefunden. Die Einparkhilfe für Schiffe überzeugte dabei in diversen Live-Tests und kann zukünftig vor allem auch in schwer einsehbaren Hafenbereichen zum Einsatz kommen. Weitere Beteiligte im Projekt waren die Hafengesellschaft Niedersachsen Ports sowie die Unternehmen, SICK und Humatects.
Niedersachsen Ports hat im Hafen von Cuxhaven ein Testfeld zur Verfügung gestellt. Mit dessen Hilfe und anhand realer Einsatzszenarien hat das SmartKai-Projektteam in den letzten dreieinhalb Jahren ein wirkungsvolles Assistenzsystem entwickelt. Das Ziel des Forschungsprojekts war es, die Sicherheit bei der Ein- und Ausfahrt in den Hafen sowie beim Anlegen und bei Schleuseneinfahrten zu erhöhen. Während eines Anlegemanövers der Fähre Selandia Seaways absolvierte das Assistenzsystem am Europakai in Cuxhaven einen erfolgreichen Praxistest und zeigte so seine Funktionalität.
Hafenseitiges Assistenzsystem universell einsetzbar
Die „Einparkhilfe“ für Schiffe funktioniert wie folgt: In die Kaimauer sind Laser-, Radar- und Umweltsensoren integriert. Sie bestimmen sehr präzise die Geschwindigkeit des Schiffs und dessen Abstand zur Kaimauer. Diese Informationen werden über eine im Hafen installierte SmartKai-Box mit weniger als einer Sekunde Verzögerung zur Schiffsbrücke gefunkt. Dort werden sie dann auf einer Karte angezeigt. Die Schiffsbesatzungen können mit diesen Informationen entsprechend reagieren und navigieren. Auch Umweltdaten wie Angaben zu Strömung, Wind und Tidenverhältnissen erfasst das System. So lässt sich SmartKai gerade an komplexen Strukturen, wie Schleusen, Kaimauern und Hafeneinfahrten gewinnbringend einsetzen.
„Es ist faszinierend, welche enorme Bewegungsenergie mit großen Containerschiffen verbunden ist“, sagt Dr. Sebastian Feuerstack vom DLR-Institut für Systems Engineering für zukünftige Mobilität in Oldenburg. „Das besondere am SmartKai-System ist, dass es schiffsunabhängig funktioniert. Einmal am Hafen installiert, kann es Schiffe jeder Größe als Einparkhilfe unterstützen, ohne dass auf dem jeweiligen Schiff zusätzliche Systeme installiert sein müssen.“
Holger Banik, Geschäftsführer von Niedersachsen Ports bekräftigt den Erfolg des Projekts: „Unsere Häfen sind ideale Testfelder für innovative Projekte. Zukunftsfähige Technologien nehmen bei uns eine hohe Bedeutung ein, damit unsere Hafenstandorte bestens für ihre wachsende Bedeutung gerüstet sind. Reibungslose Abläufe und optimale Verfügbarkeit der Hafenanlagen schonen nachhaltig Ressourcen.“
DLR-Know-how und Erfahrung – auch für den maritimen Bereich
Das DLR verfügt bereits über langjährige Expertise in der Entwicklung von Assistenzsystemen. Das vom DLR mitaufgebaute Testfeld eMIR (e-Maritime Integrated Reference Platform) erstreckt sich über die Deutsche Bucht sowie drei niedersächsische Häfen. SmartKai profitiert von der Expertise des DLR im Bereich von Assistenzsystemen und Konzepten für autonome Schiffe, die in eMIR gebündelt ist. Das DLR hat das SmartKai-Assistenzsystem konzipiert und installiert. Es besteht aus einer SmartKai-Box, auf der vom DLR entwickelte Software läuft. Diese Software führt die vielen Informationen aus den Sensoren zusammen, sodass diese über Smartphone, Tablet oder AR-Brille gesichtet werden können.
Ein besonderer Vorteil dieser Technologie besteht in ihrer Benutzerfreundlichkeit. Die Interaktion zwischen Mensch und Maschine und das passende Design bringen große Herausforderungen mit sich, weshalb von Anfang an Lotsen in die Projektentwicklung eingebunden worden sind. Es wurde viel Wert daraufgelegt, die Visualisierung nutzerfreundlich zu gestalten, um die Nutzerinnen und Nutzer zu entlasten. So wird gleichzeitig die Sicherheit der Navigation erhöht.
2-in-1: Assistenz und Dokumentation
Der Vorteil gegenüber schiffseitigen Ansätzen liegt in der Sicherheit und Dokumentation jedes Anlegevorgangs. SmartKai ermöglicht eine präzise Echtzeitdarstellung der Silhouette eines beliebigen Schiffs, inklusive der Berechnung und Visualisierung von Abstands- und Annäherungsgeschwindigkeit. Durch die Datenerfassung kann auch im Nachhinein ermittelt werden, wann und wo es zu Unfällen gekommen ist.
Durch Schiffe verursachte Schäden an Hafenanlagen führen zu langen Betriebsausfällen, kostspieligen Reparaturen und komplexer Ermittlung der verursachenden Schiffe. Der Clou an SmartKai: Mehr Sicherheit für Häfen und Schiffe durch ein zweistufiges Verfahren: Zum einen assistiert das System während des Anlegevorgangs und zum anderen dokumentiert es Anlegemanöver, um Schadensfälle analysieren zu können.
Auch für Binnenschifffahrt interessant
Neben Häfen mit Rampen für Roll-on-Roll-off-Fähren – wo die Ladung über eine Rampe vom Schiff gefahren wird – und Containerterminals könnte das System auch für Anlagen zur Verladung von Schüttgut oder für Brückenunterfahrten in der Binnenschifffahrt interessant sein. Sebastian Feuerstack ergänzt: „SmartKai eignet sich für alle Anwendungen, bei denen eine zentimetergenaue Navigation erforderlich ist. Auch bei schwer einzuschätzenden Wetterlagen oder beim Anlegen an Terminals für Flüssiggas (LNG) bietet das System viele Vorteile.“
Im nächsten Schritt wird das Projektteam auswerten, wie SmartKai im Realbetrieb zum Einsatz kommen kann. Dabei gilt es vor allem, die Kosten gering zu halten, um das System für möglichst viele Nutzende attraktiv zu machen.
SmartKai ist ein Förderprojekt im Rahmen des Programms Innovative Hafentechnologien (IHATEC) und wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr unterstützt.