Studierende können wieder durchstarten
- Ab dem 28. März 2023 starten die Forschungsraketen REXUS 29 und 30 von Nordschweden.
- Das Studierendenprogramm der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR und der schwedischen Raumfahrtagentur SNSA bringt neun Experimente in die Schwerelosigkeit.
- Experimente aus Deutschland, Norwegen, Rumänien und Schweden sind dieses Mal mit an Bord.
- Schwerpunkte: Raumfahrt, Nachwuchs, Forschung unter Weltraumbedingungen
+++ REXUS 30 ist am 29. März 2023 um Punkt 6:30 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit erfolgreich vom Raumfahrtzentrum Esrange in Kiruna (Nordschweden) gestartet. Die Rakete hat bei ihrem Flug eine Höhe von rund 77 Kilometern erreicht. +++
Nach zwei Jahren ist es endlich soweit: Die Forschungsraketen REXUS 29 und 30 starten vom Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna in Nordschweden. Ab dem 28. März 2023 öffnet sich das Startfenster, sofern die Wetterbedingungen mitspielen. Mit an Bord sind insgesamt neun Experimente von Universitätsteams aus Deutschland, Schweden, Rumänien und Norwegen. Die fast sechs Meter langen Raketen besitzen einen Durchmesser von rund 36 Zentimetern und können bis zu 40 Kilogramm Experiment-Nutzlast tragen. Sie durchfliegen auf ihrem Parabel-ähnlichen Flug zwei Schichten der Atmosphäre - die sogenannte Tropo- und Stratosphäre - und erreichen die Mesosphere in einer Höhe von bis zu 80 Kilometern. Auf dem Flug durch diesen suborbitalen Raum herrscht dann für rund zwei Minuten Schwerelosigkeit - Zeit genug, um alle Experimente an Bord auszuführen.
„Hier in Kiruna sehen wir jedes Jahr junge, engagierte Nachwuchstalente, die Tag und Nacht an ihren Experimenten arbeiten. Sie wollen unbedingt bei diesen REXUS-Flügen dabei sein. Das wissenschaftliche Potenzial ist sehr groß. Das macht dieses Nachwuchsprogramm mit jedem neuen Start deutlich“, betont Dr. Michael Becker, Leiter des REXUS/BEXUS-Programms (Raketen- und Ballon-Experimente für Universitäts-Studierende) bei der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR. Das Nachwuchsprogramm gibt es schon seit dem Jahr 2007 und bringt pro Jahr im Februar oder März zwei REXUS-Forschungsraketen sowie im September oder Oktober zwei BEXUS-Forschungsballone in den sogenannten suborbitalen Raum. „Aufgrund der Pandemie musste diese REXUS-Startkampagne allerdings immer wieder verschoben werden“, erklärt Michael Becker. „Auch für die Studierenden haben die Verschiebungen große Herausforderungen mit sich gebracht. Die haben sie alle erfolgreich gemeistert. Nun sind alle gespannt auf zwei spannende Starts und die Durchführung der lang vorbereiteten Experimente.“
REXUS 29: Experimente aus Deutschland, Norwegen und Rumänien mit an Bord
Auch bei dieser Doppel-Kampagne werden erneut verschiedenste Themenbereiche zur Forschung in Schwerelosigkeit abgedeckt. Wenn die REXUS-29-Forschungsrakete voraussichtlich am 29. März 2023 in Richtung Stratosphäre abhebt, werden insgesamt fünf Experimente mit an Bord sein, von denen drei aus Deutschland, eines aus Rumänien und eines aus Norwegen stammen.
Mit dem Experiment S CEPHEI (Suspension of Carbon Nanotubes under Dielectrophoretic Influence) untersucht das Team der Technischen Universität Dresden spezifische Eigenschaften von Kohlenstoff-Nanoröhrchen (CNT). Aufgrund ihrer besonderen thermischen, elektrischen und mechanischen Eigenschaften sind diese sehr vielseitig einsetzbar. Mit ihnen lassen sich Materialien für den Schutz vor elektrostatischen Entladungen und vor elektromagnetischen Störungen sowie für Sensorik und mechanische Verstärkung entwickeln. Da die Eigenschaften von der Ausrichtung dieser Nanoröhrchen abhängen, ist es wichtig, diesen Ausrichtungsprozess im Detail zu verstehen.
Das Team HERMESS (Hull applied ElectroResistive MEasurement of Structural Strains) der Universität der Bundeswehr München hat sich zur Aufgabe gemacht, die mechanische Beanspruchung bei der Flugbelastung besser zu charakterisieren und damit Erkenntnisse über die realen Flugbelastungen in der Struktur ihres Raketenmoduls zu gewinnen. Ein besseres Verständnis der tatsächlich in der Struktur auftretenden Belastungen ermöglicht Leichtbauansätze, die zu einer besseren Materialausnutzung und damit zu einer Reduzierung der Masse und der Kosten führen können.
Mit einem sogenannten „Space Seed“ entwickelte das Team Deadalus2 der Universität Würzburg ein Fluggerät, das wie beim langsamen Fall eines Ahornsamens durch Eigenrotation bei der Rückkehr zur Erde abbremst wird. Um den Flug zu stabilisieren, wird der Körper des „Space Seed“ vom Rotor entkoppelt und der gesamte Flug durch Kontrollsysteme überwacht. Der Einsatz von Landekontrollen soll den sicheren Transport einer möglichen Nutzlast ohne Fallschirm - zum Beispiel zu Landung auf anderen Planeten - ermöglichen.
Team ECRIDA – (3D Printing by Curing Resin In-orbit using UV Digital Light Processing Apparatus) der University Politehnica Bucharest aus Rumänien entwickelte einen DLP-Drucker zur Herstellung von 3D-Objekten. Dabei wird ein Harz mit UV-Licht gehärtet, um während der Schwerelosigkeitsphase einen Prüfkörper herzustellen.
Ziel von RaPTeX (Radiologic Particle Telescope eXperiment) der Arctic University of Norway, ist die Erforschung der Atmosphäre durch Messung geladener Teilchen (wie Pionen, Myonen) während des REXUS-Flugs. Das Experiment verwendet Halbleitersensoren und einen strahlungsresistenten, anwendungsspezifischen integrierten Schaltkreis (ASIC). Die wissenschaftlichen Daten, die während des Fluges gesammelt werden, dienen der Erprobung dieser Technologie für CubeSat Anwendungen.
REXUS 30: Experimente aus Deutschland und Schweden gehen gemeinsam auf die suborbitale Reise
Wenn mit REXUS 30 die zweite Forschungsrakete voraussichtlich am 30. März 2023 in Richtung Stratosphäre abhebt, werden insgesamt vier Experimente mit an Bord sein. Zwei davon kommen aus Deutschland und die anderen beiden aus Schweden.
An Bord von REXUS 30 befindet sich das Experiment IMFEX (ISRU MoonFibre Experiment) des Studierendenteams der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Das MoonFibre-Experiment zielt darauf ab, eine Technologie zu entwickeln, mit der man künftig Materialien aus Mondregolith herstellen können soll. Das In-situ-Ressourcennutzungs-MoonFibre EXperiment ist das erste Experiment, das zeigen soll, dass das Spinnen von Fasern in der Schwerelosigkeit möglich ist. Dabei sollen die optimalen Spinnparameter bestimmt und die mechanischen Eigenschaften der erzeugten Fasern mit unter Schwerkraft hergestellten Kontrollproben verglichen werden. Die Ergebnisse dieses Experiments sind ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung künftiger Faserspinnanlagen auf dem Mond, um damit zu einer zukünftigen Besiedlung des Mondes beizutragen.
Mit dem Thema Mond beschäftigt sich auch das Team µMoon (Verification and Simulation of Enceladus' Plume Models) der Aachen University of Applied Sciences. Der Saturnmond Enceladus wurde als Kandidat für die Suche nach Leben und dessen Entwicklung sowie für die Rolle von flüssigem Wasser identifiziert. In der Nähe seines Südpols wurden an der Oberfläche „Plumes“ beobachtet, die wie kalte Geysire regelmäßig Gasmoleküle und Eispartikel ausspucken, die sich der Anziehungskraft von Enceladus entziehen und die äußeren Ringe des Saturns bilden. µMoon soll diese Geysire unter Weltraumbedingungen mit einem Experimentmodul nachbilden. Dazu wurde eine Düse mit einer eisähnlichen Oberfläche und einem darunter liegenden Wasserreservoir entwickelt, um die Eisspalten auf Enceladus zu simulieren. Durch Messungen von Plume-Austritten aus einer Wasserzusammensetzung, die der von Enceladus ähneln soll, wird diese realistische Nachbildung die aktuellen Hypothesen über die Mechanismen von Eismond-Plumes im Modellversuch überprüfen.
Das schwedische Team B2D2 (Bistable Boom Dynamic Deployment) des Royal Institute of Technology möchte mit seinem Experiment zeigen, dass qualitativ hochwertige Messungen des Erdmagnetfeldes von einer CubeSat-Plattform aus möglich sind, wobei ein selbstausfahrender Ausleger mit zwei Magnetometern verwendet wird. Dafür wird eine Free Falling Unit (FFU) von der REXUS-Rakete abgeworfen. Die Demonstration des Einsatzes des Auslegers soll dazu beitragen, ihn für weitere Forschungen und künftige Weltraummissionen zu qualifizieren.
Team ASTER (Attitude Stabilized Free Falling Experiment) der Luleå University of Technology in Schweden zielt darauf ab, ein leistungsfähiges, kostengünstiges und einfach zu integrierendes Lageregelungssystem für frei fallende Experimente zu entwickeln, die von Höhenforschungsraketen abgeworfen werden. Drei elektrisch angetriebene Reaktionsräder sollen dabei die frei fallende Einheit in drei Achsen in einer Umgebung mit reduzierter Schwerkraft stabilisieren und ausrichten.
REXUS und BEXUS: ein Programm für den wissenschaftlichen Nachwuchs
Das deutsch-schwedische Programm REXUS/BEXUS (Raketen-/Ballon-Experimente für Universitäts-Studenten) ermöglicht Studierenden, eigene praktische Erfahrungen bei der Vorbereitung und Durchführung von Raumfahrtprojekten zu gewinnen. Der nächste Aufruf für Experiment-Vorschläge wird voraussichtlich Mitte 2023 veröffentlicht. Jeweils die Hälfte der Raketen- und Ballon-Nutzlasten stehen Studierenden deutscher Universitäten und Hochschulen zur Verfügung. Die schwedische Raumfahrtagentur SNSA hat den schwedischen Anteil für Studierende der übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Weltraumorganisation ESA geöffnet.
Mehr Informationen über die aktuelle REXUS-Kampagne sind auch auf dem Twitter-Account der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR zu finden.