Smartphone-Technologie bringt Satelliten mehr Rechenleistung
- Das DLR entwickelt verteilte und heterogene On-Board-Computer für künftige Raumfahrtmissionen.
- Kombination von strahlungsfesten und handelsüblichen Prozessoren, die sich gegenseitig überwachen und im Fehlerfall Aufgaben neu verteilen.
- Erfolgreiches Experiment mit Erdbeobachtungsdaten auf einem Testsatelliten der ESA.
- Schwerpunkte: Raumfahrt, Erdbeobachtung, Technologie
Zuverlässige und leistungsfähige Computer haben eine zentrale Rolle für die Raumfahrt: Computersysteme in Satelliten ermöglichen zum Beispiel anspruchsvolle Erdbeobachtungsmissionen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt eine neue Rechnerarchitektur, die den sogenannten On-Board-Computern (OBC) mehr Leistung verschaffen soll und sie auch in die Lage versetzt, sich selbst zu reparieren. Im Projekt ScOSA (Scalable On-Board Computing for Space Avionics) Flugexperiment entstehen verteilte heterogene OBC. Sie haben verschiedene Rechenknoten, die als Netzwerk verbunden sind.
Eine generelle Herausforderung für Computersysteme in Satelliten liegt darin, dass die kosmische Strahlung die Computer stören kann. „Wenn ein Strahlungspartikel durch einen Speicher fliegt, macht er dort vielleicht aus einer Null eine Eins“, erklärt Projektleiter Daniel Lüdtke vom DLR-Institut für Softwaretechnologie in Braunschweig. Letztlich kann das System sogar ausfallen oder falsche Ergebnisse liefern. Für die Raumfahrt gibt es deswegen strahlungsfeste Prozessoren. Diese sind aber sehr teuer und haben wenig Rechenleistung. Andererseits sind Prozessoren, wie sie zum Beispiel für Smartphones verwendet werden, sehr leistungsfähig und auch preisgünstiger. Sie sind allerdings deutlich anfälliger für die Weltraumstrahlung. ScOSA bringt beide Prozessortypen in einem System zusammen.
Probelauf auf der Testplattform OPS-SAT im erdnahen Orbit
Die Software erkennt Fehler und Ausfälle und kontrolliert den Rechner. „Dabei werden Programme, die auf einem fehlerhaften Prozessor laufen, automatisch über das Netzwerk an andere Prozessoren übertragen“, sagt Daniel Lüdtke. Der Satellit arbeitet unterdessen weiter. Anschließend startet die Software den Prozessor neu und bindet ihn wieder in das System ein.
Dass das funktioniert, hat jetzt ein Experiment auf dem Satelliten OPS-SAT der Europäischen Weltraumorganisation ESA gezeigt. „Der 30 x 10 x 10 Zentimeter kleine Satellit mit einem experimentellen Computer befindet sich seit Ende 2019 im erdnahen Orbit. OPS-SAT steht als voll ausgestattete offene Plattform Forschenden zur Verfügung“, erklärt Dave Evans, OPS-SAT Project Manager der ESA.
Die DLR-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben die ScOSA-Software zusammen mit der ESA auf OPS-SAT installiert und erfolgreich getestet. Der Satellit hat dazu Erdbeobachtungsbilder erstellt, sie mit künstlicher Intelligenz prozessiert und bewertet. Der Satellit überträgt danach nur die brauchbaren Bilder an eine Bodenstation. „Immer höher auflösende Sensoren und komplexe Algorithmen verlangen mehr und mehr Rechenleistung“, fasst Daniel Lüdtke die Anforderungen an Soft- und Hardware zusammen. Demnächst wird ein größeres ScOSA-System aus strahlungsfesten und handelsüblichen Prozessoren auf einem eigenen DLR-CubeSat getestet: Der Kleinsatellit soll voraussichtlich Ende kommenden Jahres in den Orbit starten.
Entwicklung von Software für Raumfahrtmissionen
Die Onboard Software Systems Gruppe des DLR-Instituts für Softwaretechnologie beteiligt sich an einer Reihe von nationalen und internationalen Raumfahrtmission. Ein zentrales Forschungsthema ist dabei die Entwicklung von fehlertoleranter und sogenannter resilienter Software, die auf Fehler und Ausfälle reagieren kann. Das ScOSA Flugexperiment Projekt ist ein Forschungsprojekt des DLR, an dem neben dem Institut für Softwaretechnologie auch die DLR-Institute für Raumfahrtsysteme, für Optische Sensorsysteme sowie DLR-Raumflugbetrieb und Astronautentraining beteiligt sind.