Harte Arbeit mit wunderschöner Aussicht
- Am 23. März 2022 wird Matthias Maurer, deutscher Astronaut im Korps der Europäischen Weltraumorganisation ESA, seinen ersten Außenbordeinsatz auf der Internationalen Raumstation ISS absolvieren.
- Matthias Maurer wird gemeinsam mit dem NASA-Kollegen Raja Chari sechseinhalb Stunden außerhalb der ISS arbeiten und letzte Arbeiten an der kommerziellen Außenplattform Bartolomeo durchführen.
- Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist in vielfältiger Weise in die „Cosmic Kiss“-Mission von Matthias Maurer eingebunden.
- Schwerpunkte: Raumfahrt, Cosmic Kiss
+++ Am 23. März 2022 haben der US-amerikanische NASA-Astronaut Raja Chari und der deutsche ESA-Astronaut Matthias Maurer ihren Außenbordeinsatz nach sechs Stunden und 54 Minuten erfolgreich beendet. +++
Wenn sich am 23. März 2022 um 13:55 Uhr Mitteleuropäischer Zeit (MEZ) die Luke am US-amerikanischen Quest-Modul der Internationalen Raumstation ISS öffnet, beginnt für den deutschen ESA-Astronauten Matthias Maurer die wohl herausforderndste Aufgabe seiner sechsmonatigen „Cosmic Kiss“-Mission: Der 52-jährige Werkstoffwissenschaftler aus St. Wendel im Saarland wird – zusammen mit seinem US-amerikanischen NASA-Kollegen Raja Chari – zu einem Außenbordeinsatz (EVA – Extra Vehicular Activity) aufbrechen und die ISS für rund sechseinhalb Stunden verlassen. Die beiden sind auch optisch gut zu unterscheiden: Matthias Maurer wird im komplett weißen Anzug „EV-2“ unterwegs sein. Raja Chari trägt „EV-1“ mit einem roten Streifen. Die sogenannte US EVA 80 ist der 248. „Weltraumausstieg“ in der ISS-Geschichte. Der Weltraumausstieg wird ab 13:55 Uhr MEZ live von NASA-TV übertragen.
Schwere Arbeit unter niedrigem (Luft-) Druck
„Matthias Maurer ist nach Thomas Reiter, Hans Schlegel und Alexander Gerst der vierte deutsche Astronaut, der überhaupt einen EVA absolviert. Das ist absolut kein Spaziergang, sondern ein exakt geplanter und körperlich extrem anstrengender Einsatz. Auf Matthias wartet harte Arbeit mit einer wunderschönen Aussicht“, erklärt Volker Schmid, Manager der „Cosmic Kiss“-Mission von Matthias Maurer bei der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR. Im Weltraum herrscht unter anderem Vakuum. Der Luftdruck tendiert gegen Null.
„Unser Körper braucht aber Luft. Deshalb wird in der Raumstation ein Luftdruck von etwa ein bar aufrechterhalten, der dem Normaldruck auf unserer Erde in Meereshöhe entspricht“, erklärt Daria Margiotta, Flugdirektorin für die „Cosmic Kiss“-Mission im Columbus-Kontrollzentrum beim DLR in Oberpfaffenhofen. Deshalb muss auch der US-amerikanische Raumanzug, den Matthias Maurer während seines EVA trägt, ebenfalls unter Druck stehen. Allerdings nur so viel, dass sich Matthias Maurer noch ein wenig bewegen kann. „Der Luftdruck im Anzug ist auf etwa ein Drittel bar reduziert. Trotzdem müssen die Astronauten immer noch gegen die verbleibende Anzugsteifigkeit der Arme, Finger, Beine anarbeiten, um ihre Aufgaben außerhalb der ISS zu erfüllen“, erläutert Daria Margiotta.
Nur ein Stecker von der Kommerzialisierung entfernt
Doch welche „Prüfungen“ erwarten die beiden Astronauten auf ihrer sechseinhalbstündigen Tour außerhalb der ISS eigentlich? Als Hauptaufgabe müssen sie einen Teil des Kühlsystems der Raumstation reparieren. Dafür werden sie neue Schläuche an einem Ventilmodul des Kühlsystems installieren, das die Temperaturen der ISS reguliert, indem es Ammoniak durch die Wärmetauscher der Station leitet. Zudem wird er eine Außenkamera an der großen Auslegerstruktur der Station, auf der auch die Solargeneratoren montiert sind, austauschen sowie weitere Hardware nachrüsten.
„Aus deutscher Sicht erfüllt Matthias Maurer außerdem noch eine extrem wichtige Aufgabe. Er wird die kommerzielle Außenplattform Bartolomeo am Columbus-Modul der ESA praktisch betriebsbereit machen, indem er das letzte fehlende Stromkabel installiert und damit die Plattform vollständig mit der ISS verbindet“, betont Volker Schmid. „Ein Tag nach dem Außenbordeinsatz von Matthias Maurer werden wir Bartolomeo vom Columbus-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen aus aktivieren und in den folgenden zwei Wochen das Bartolomeo-Kontrollzentrum in Bremen beim Abschluss der Kommissionierungsphase unterstützen“, ergänzt Daria Margiotta.
Mehr Platz auf der Station dank Technologie „Made in Germany“
Mit Bartolomeo startet die ISS in ein neues Zeitalter. „Das Projekt „made in Germany“ wird jetzt die Kommerzialisierung der Raumstation weiter unterstützen. Denn Bartolomeo bietet nun als erste private Außenplattform Europas auf der ISS Firmen und Forschungseinrichtungen die einmalige Gelegenheit, ihr Projekt einfacher und schneller im Weltraum zu realisieren“, freut sich Volker Schmid. Benannt nach dem jüngeren Bruder von Christoph Columbus – Entdecker und Namensgeber des europäischen ISS-Labors – wird die zwei Mal zweieinhalb Meter große und 484 Kilogramm schwere Plattform nun auch dank des EVA von Matthias Maurer den verfügbaren Platz an der ISS um zwölf Experiment- und drei Antennenplätze erweitern. Die Nutzlasten dürfen rund einen halben Kubikmeter groß sein und „genießen“ aus etwa 400 Kilometern Höhe eine freie Sicht zur Erde oder in den Weltraum.
Vielfalt für Experimente garantiert
Bartolomeo ist daher besonders für Experimente geeignet, die eine „freie“ Weltraumumgebung brauchen. „Vor allem Strahlenbiologen, Astro- und Sonnenphysiker, Erdbeobachter, Atmosphären- oder Klimaforscher werden von dieser Plattform profitieren. Besonders geeignet ist Bartolomeo auch zur Technologieerprobung und -validierung. Denn auf der ISS und damit auch auf Bartolomeo existieren einzigartige Möglichkeiten, die in keinem Labor der Erde erreicht werden, weil optische Sensoren, Materialien, Robotikbauteile und Antennen in direkter Weltraumumgebung getestet werden können“, betont Volker Schmid. Für Bartolomeo sind zurzeit mehrere Nutzlasten in Arbeit, die Anfang 2023 eingesetzt werden sollen. Dies sind verschiedene Biologie-, Material- und Strahlungsexperimente, Kameras und Sensoren zur Technologieerprobung und Messung verschiedener Umweltparameter. Auch Experimente zu hochgenauen Uhren und zur Laserkommunikation sind geplant. Die Plattform wurde von Airbus in Bremen gebaut und soll gemeinsam mit dem Columbus-Kontrollzentrum am DLR-Standort Oberpfaffenhofen betrieben werden.